Veröffentlichung des neuen Krankenhausplans Nordrhein-Westfalen – es wird ernst!

Der neue Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2022 ist am 27. April 2022 veröffentlicht worden. Der Plan enthält Rahmenvorgaben, die im nächsten Schritt, voraussichtlich ab Juni 2022, durch regionale Planungskonzepte umgesetzt werden sollen. Das Verfahren zur Umsetzung der neuen Vorgaben wird derzeit vorbereitet und mit einem entsprechenden Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (MAGS) gestartet.

Krankenhausplanung auf Basis konkreter Fallzahlen

Die Grundlagen für den neuen Krankenhausplan finden sich in den §§ 12 bis 16 KHGG NRW. Die Planung erfolgt zukünftig auf der Basis konkreter Fallzahlen über sog. Leistungsbereiche und Leistungsgruppen in Verbindung mit Qualitätsvorgaben. Daneben finden sich weitere Grundsätze, die bei der Planung zu berücksichtigen sind, z. B. die wohnortnahe Versorgung, die Belange von Fachkliniken und Belegkliniken.

Fallzahlen

Der stationäre Versorgungsbedarf wird aus der aktuellen bzw. zuletzt beobachtbaren Inanspruchnahme von stationären Krankenhausleistungen abgeleitet. Der „Bedarf“ wird durch drei verschiedene Kennzahlen je geografischem und medizinischem Gebiet beschrieben:

  • die stationäre Fallzahl,
  • die Belegtage und
  • die durchschnittliche Verweildauer.

Die Fallzahl wird auf Grundlage des Jahres 2019 ermittelt und bis zum Jahr 2024 im Wege einer Bedarfsprognose fortgeschrieben.

Die Bettenzahl berechnet sich aus dem Quotienten der Bettentage und der Kapazität je Bett, die wiederum durch die Tage pro Jahr und eine je Leistungsgruppe zu definierende Soll-Bettenauslastung angegeben wird. Alternativ kann auch die kalkulatorische Anzahl an Betten eines Falls einer Leistungsgruppe berechnet werden. Die Anzahl der Betten einer Leistungsgruppe ist dann durch die Summe aller kalkulatorischen Betten aller Fälle einer Leistungsgruppe gegeben. Für bestimmte Leistungsgruppen bestehen Besonderheiten.

Im Feststellungsbescheid eines Krankenhauses wird also die Fallzahl je Leistungsgruppe ausgewiesen. Außerdem soll nachrichtlich die Bettenzahl je Leistungsbereich und Leistungsgruppe angegeben werden. Die durchschnittliche Verweildauer ist nicht direkt bedarfsrelevant und wird daher nicht Teil des Feststellungsbescheids.

Leistungsbereiche und Leistungsgruppen

Es gibt 32 Leistungsbereiche, z. B. Leistungsbereich 9. Allgemeine Chirurgie oder Leistungsbereich 13. Herzchirurgie. Die Leistungsbereiche untergliedern sich sodann in 64 Leistungsgruppen, am Beispiel des Leistungsbereichs 13. Herzchirurgie z. B. in die Leistungsgruppen 13.1 Herzchirurgie, 13.2 Herzchirurgie – Kinder und Jugendliche, 13.3 Minimalinvasive Herzklappeninterventionen und 13.4 Kardiale Devices.

Regionale Planungsebenen

Für jede Leistungsgruppe wird eine regionale Planungsebene bestimmt. Die Planungsebenen geben an, welche regionale Ebene primär in den Blick zu nehmen ist, wenn bei der Aufstellung der regionalen Planungskonzepte die Versorgung mit den in der jeweiligen LG beschriebenen Leistungen strukturiert wird.

Die Leistungsgruppen „Allgemeine Innere Medizin“ und „Allgemeine Chirurgie“ in Verbindung mit der Leistungsgruppe „Intensivmedizin“ sowie die Leistungsgruppe „Geriatrie“ werden auf der Ebene des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt geplant.

Für eine größere Zahl von weiteren Leistungsgruppen erfolgt die Planung – wie bisher – auf Ebene der 16 Versorgungsgebiete. Auch die psychiatrische, psychosomatische und psychotherapeutische Versorgung wird auf Ebene der bisherigen Versorgungsgebiete geplant.

Für überregionale Versorgungsleistungen werden übergeordnete Planungsebenen herangezogen. Die Planung erfolgt auf Ebene der fünf Regierungsbezirke bzw. für besonders komplexe Leistungen der Spitzenversorgung auf Ebene der beiden Landesteile Nordrhein und Westfalen-Lippe.

Für den Leistungsbereich 9. Allgemeine Chirurgie, der nicht weiter in Leistungsgruppen unterteilt ist, ergibt sich daher die Planungsebene Kreis. Für den Leistungsbereich 13. Herzchirurgie muss weiter nach der Leistungsgruppe differenziert werden. Die (Allgemeine) Herzchirurgie und Minimalinvasive Herzklappeninterventionen werden dem Planungsbereich Regierungsbezirk zugeordnet, die Leistungsgruppe Kardiale Devices dem Versorgungsgebiet. Die Herzchirurgie – Kinder und Jugendliche dem Planungsbereich Landesteil.

Die Zuordnung der einzelnen Leistungsgruppen zu den regionalen Planungsebenen ergibt sich aus den Tabellen der Qualitätskriterien in den Kapiteln zu den Leistungsbereichen und Leistungsgruppen.

Qualitätsvorgaben

Den Leistungsbereichen und Leistungsgruppen werden zudem unterschiedliche Qualitätskriterien (Mindestkriterien und Auswahlkriterien) zugewiesen. Bei den Kriterien handelt es sich um

  • die Erbringung verwandter Leistungsgruppen, unterschieden nach Standort oder Kooperation,
  • die Vorhaltung von Geräten,
  • fachärztliche Vorgaben, unterschieden nach Qualifikation und Verfügbarkeit, sowie
  • sonstige Struktur- und Prozesskriterien des Gemeinsamen Bundesausschusses bzw. Bundes und Landes.

Beispiel:

Für eine Fachklinik im Bereich Augenheilkunde (Planungsebene Regierungsbezirk), der in der Regel nur der Leistungsbereich 17. Augenheilkunde zugewiesen werden darf, bedeutet dies Folgendes: Im Bereich Erbringung verwandter Leistungsbereiche müssen am Standort keine weiteren Leistungsbereiche erbracht werden. Allerdings wird als Auswahlkriterium berücksichtigt, wenn eine der zu vergleichenden Fachkliniken im Bereich Augenheilkunde oder Krankenhäuser mit Abteilung im Leistungsbereich Augenheilkunde Leistungen aus dem Leistungsbereich Neurologie oder den Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin oder Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie erbringt. Außerdem sind Kooperationen mit Kliniken erforderlich, die die Leistungsgruppen Allgemeine Chirurgie und Allgemeine Innere Medizin erbringen. Die Augenklinik muss als apparative Mindestvorgabe Sonographiegerät, Gonioskopie, Ophthalmoskopie und Fluoreszenzangiographie vorweisen. Als Auswahlkriterium wird wiederum das Angebot Optischer Kohärenztomographie berücksichtigt. Vorzuhalten sind Fachärzt*innen für Augenheilkunde im Umfang von drei Fachärzt*innen (Vollzeitäquivalente) mit einer durchgehenden Rufbereitschaft oder mindestens drei Belegärzt*innen.

Fachkliniken

Im Krankenhausplan heißt es unter der Überschrift Fachkliniken u.a., dass wenn es im regionalen Planungsverfahren zu einer Auswahlentscheidung zwischen einer Fachklinik und einem Allgemeinkrankenhaus kommt, zu beachten ist, dass nur dann die Fachklinik den Versorgungsauftrag erhalten kann, wenn bestimmte Punkte (Sicherstellung der Qualitätskriterien, Beleg der besonderen Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den in Allgemeinkrankenhäusern integrierten Fachabteilungen, sinnvolle Einbindung der fachklinischen Versorgung in der regionalen Versorgungslandschaft) konzeptionell nachgewiesen sind. Eine Fachklinik kann demnach gegenüber einem Allgemeinkrankenhaus mit einer entsprechenden Fachabteilung im Nachteil sein.

Belegärztliche Leistungen

Das Belegarztsystem ist insbesondere in den §§ 115 und 121 SGB V sowie in den §§ 1 und 31 KHGG NRW sowie dem Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) geregelt. Sind im Durchschnitt weniger als zwei Belegbetten ausgelastet, ist die Bedarfsnotwendigkeit der belegärztlichen Leistung zu überprüfen. Es sind besondere Gründe nachzuweisen, wenn aus Sicht der Leistungserbringer der belegärztliche Versorgungsauftrag aufgenommen bzw. fortbestehen soll. Ist im Planungsverfahren eine Auswahl zwischen der belegärztlichen und nicht belegärztlichen Erbringung einer Leistungsgruppe zu treffen, ist aufgrund der höheren Leistungsfähigkeit in der Regel der Hauptabteilung der Vorrang zu geben. Insbesondere kleinere Belegkliniken und Krankenhäuser mit Belegabteilungen können in dem regionalen Planungsverfahren vor Herausforderungen gestellt sein.

Beteiligungsverfahren und Erteilung des Versorgungsauftrags

In den regionalen Planungskonzepten sollen die Rahmenvorgaben auf den verschiedenen Planungsebenen je Regierungsbezirk durch Abstimmung zwischen den Krankenhäusern und Kostenträgern umgesetzt werden. Die Krankenhausträger und Krankenkassenvertreter erhalten im Rahmen des regionalen Planungsverfahrens (Beteiligungsverfahren) die Möglichkeit, die Versorgungssituation vor Ort abzustimmen und zu planen sowie bei Bedarf Vorschläge für die Fortschreibung des Krankenhausplanes zu unterbreiten.

Die Erteilung des Versorgungsauftrages je Leistungsgruppe erfolgt über den Feststellungsbescheid als Verwaltungsakt gem. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG i. V. m. § 16 Abs. 1 KHGG NRW und beendet damit das regionale Planungsverfahren. § 16 Abs. 1 KHGG NRW bestimmt die Anforderungen an die nähere Ausgestaltung des Bescheides. Erst durch den Erlass des Feststellungsbescheides erlangen die Rahmenvorgaben bindende Außenwirkung für die Krankenhäuser.

Praxistipp

Im Rahmen der regionalen Planungsverfahren werden die Krankenhausträger dafür Sorge zu tragen haben, dass sich zumindest alle bisher erbrachten Leistungen in der Zuweisung der entsprechenden Leistungsbereiche und Leistungsgruppen im zukünftigen Feststellungsbescheid wiederfinden und die Fallzahlen zutreffend wiedergegeben sind. Insbesondere die Einhaltung der Qualitätskriterien ist nachzuweisen und die Voraussetzungen dafür sind ggf. erst noch zu schaffen, etwa durch den Abschluss von bisher nicht bestehenden Kooperationsverträgen. Damit die Interessen des jeweiligen Trägers schon im Rahmen des Beteiligungsverfahrens gewahrt werden können, ist eine gründliche Analyse des Krankenhausplanes und eine entsprechende Vorbereitung des regionalen Planungsverfahrens erforderlich. Ggf. muss die Ablehnung der Zuweisung zu bestimmten Leistungsbereichen bzw. Leistungsgruppen auch angefochten und die Zuweisung im Feststellungsbescheid erstritten werden. Zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Krankenhausplan NRW beraten wir Sie gerne.

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Autor:

Dr. Moritz Ulrich
Tel: + 49 30 208 88 1408

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2022. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.