Der „internationale“ Betriebsübergang in Deutschland und Europa – ein Dauerbrenner

Der arbeitsrechtliche Betriebsübergang ist und bleibt ein Dauerthema in der anwaltlichen Beratungspraxis.

Immer wieder und immer mehr Konstellationen ergeben sich gerade im internationalen Bereich, wenn ein ausländisches Unternehmen etwa eine Investition in den USA vollzieht, von der europäische und insbesondere deutsche Unternehmen, Betriebe und Betriebsteile und nicht zuletzt natürlich die Arbeitnehmer zumindest mittelbar betroffen sind. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig: Das Unternehmen kann zum Beispiel Geschäftsanteile an einem niederländischen Unternehmen erwerben, das seinerseits in Deutschland Mitarbeiter beschäftigt, vielleicht sogar, ohne dass es eine Betriebsstätte in Deutschland hat. Oder es werden nur „Assets“, also Vermögensgegenstände ohne eigentliche Unternehmensstruktur, erworben. Schließlich ist auch denkbar, dass überhaupt keine Vermögenswerte übernommen werden, sondern nur Mitarbeiter.

Zur Erinnerung

Die deutsche gesetzliche Regelung zum Betriebsübergang (§ 613a BGB) beruht auf einer europarechtlichen Vorgabe. Es sollen Arbeitnehmer geschützt werden, wenn ihr „Arbeitgeber“ wechselt. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden, so das deutsche Gesetz.

Risiken für den Arbeitgeber

Der klassische Fall ist, dass ein Bestand an Arbeitnehmern mit seinen Tätigkeiten von einem anderen Betrieb übernommen und von diesem fortgeführt wird. Der (neue) Arbeitgeber haftet in diesem Fall für die übernommenen Arbeitnehmer; eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam.

Neue Rechtsprechung des EuGH: Tendenz weiter zu Lasten der Arbeitgeber

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der letzten Zeit mehrere für die arbeitsrechtliche Praxis bedeutsame Urteile vorgelegt. Der EuGH kommt dabei ins Spiel, weil es mit der deutschen gesetzlichen Regelung eben um die Umsetzung einer bindenden europarechtlichen Richtlinie geht.

Ein Betriebsübergang kann nach dem EuGH etwa auch vorliegen, wenn vom Betriebserwerber keine prägenden Betriebsmittel übernommen werden, Urteil vom 27.02.2020 (C-298/18). Angesprochen ist die Differenzierung zwischen einem Betriebsübergang und einer bloßen Auftragsnachfolge. Die Rechtsprechung hatte dazu im konkreten Fall über Mitarbeiter eines Busunternehmens zu entscheiden, bei dem die Busse nicht übernommen wurden.

Auch wenn zur Einordnung vergleichbarer Sachverhalte Kataloge von abzuarbeitenden Punkten entwickelt wurden, bleibt festzuhalten, dass stets eine Gesamtschau vorgenommen wird, die für den Arbeitgeber erhebliche Risiken birgt. Auf dieser Linie liegt auch ein weiteres Urteil vom 23.03.2020 (C-344/18), das festgestellt hatte, dass ein Arbeitsverhältnis auch auf mehrere Erwerber übergehen können soll, was in der Praxis naturgemäß unwägbare Folgen hat, von der praktischen Umsetzbarkeit ganz zu schweigen.

Folgen in der Praxis

Denkt man die letzte Entscheidung des EuGH (C-344/18) weiter, müssten dann mehrere Teilzeitarbeitsverhältnisse mit den verschiedenen Erwerbern fingiert werden, um der Rechtsprechung des EuGH zu genügen. Ob das im Interesse der Arbeitnehmer ist, sei einmal dahingestellt.

Die Rechtsprechung birgt jedenfalls für Arbeitgeber weitere Risiken, die schwer zu überschauen sind, um es vorsichtig auszudrücken. Denn die Tendenz des EuGH scheint es zu sein, vielleicht auch aus einem bestehenden Grundmisstrauen gegenüber Arbeitgebern, die Konstruktion eines Betriebsübergangs immer weiter auszudehnen, um einen vorgeblich „gerechten Ausgleich“ zu gewährleisten.

Für die Beratungspraxis für die Arbeitgeber bedeutet das, noch mehr Wert auf die Identifizierung betrieblicher Strukturen zu legen und Verästelungen dieser Betriebe bis ins Kleinste nachvollziehen zu müssen. So es sie denn wirklich gibt!

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 1-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.