Rundschreiben der BaFin zur Solvabilität von kleinen Versicherungsunternehmen, Sterbekassen, Pensionskassen und Pensionsfonds

06.05.2021 – Die BaFin hat mit dem Rundschreiben 5/2021 (VA) vom 20. April 2021 Hinweise zur Auslegung der VAG-Vorschriften über die Solvabilität von kleinen Versicherungsunternehmen, Sterbekassen, Pensionskassen und Pensionsfonds veröffentlicht.

Die Hinweise gelten für folgende Unternehmen:

  • kleine Versicherungsunternehmen i. S. d. § 211 VAG
  • Sterbekassen i. S. d. § 218 Abs. 1 VAG
  • Pensionskassen i. S. d. § 232 Abs. 1 VAG und
  • Pensionsfonds i. S. d. § 236 Abs. 1 VAG

Durch das Rundschreiben werden mit Wirkung vom 20. April 2021 das Rundschreiben 4/2005 (VA), die Auslegungsentscheidung (20. Dezember 2007) zu § 1 Abs. 6 S. 2 KapAusstV und die BaFin-Verlautbarung (27. November 2008) zur Bilanzierung und Eigenmittelunterlegung bei fondsgebundener Lebensversicherung mit garantierter Mindestleistung ersetzt.

Eigenmittel

Das Kapitel 3.1 beinhaltet allgemeine Hinweise zu Solvabilität und verweist im Wesentlichen auf die §§ 213, 217, 219 VAG i. V. m. §§ 2 bis 7 bzw. 9 bis 18 der Kapitalaustattungsverordnung (KapAusstV). Diese Vorschriften beinhalten die Solvabilitätskapitalanforderung, die Mindestkapitalanforderung sowie den absoluten Mindestbetrag der Mindestkapitalanforderung. Für Pensionsfonds wird auf die entsprechenden §§ 25 und 26 der Pensionsfonds-Aufsichtsverordnung (PFAV) verwiesen.

In Kapitel 3.2 werden die Instrumente genannt, welche als Eigenmittel angerechnet werden können. Daneben wird betont, dass der Eigenmittelkatalog nach § 214 Abs. 1 VAG grundsätzlich abschließend ist. Ausnahmen gelten für Pensionskassen durch § 234 VAG sowie für Pensionsfonds durch §§ 214, 240 S. 1 Nr. 9 VAG i. V. m. § 27 PFAV.

In Kapitel 3.3 betrachtet das Rundschreiben „ausgewählte Aspekte zu Nachrängen, Genüssen und Wertpapieren mit unbestimmter Laufzeit (§ 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 6 und Abs. 2 bis 5 VAG) inkl. Abzugsposten (§ 214 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 7 VAG) und Bestandsschutzregelung (§ 214 Abs. 8 VAG)“.

Dafür greift das Rundschreiben zunächst den Bestandsschutz für Forderungen aus Genussrechten und nachrangigen Verbindlichkeiten nach § 214 Abs. 8 VAG auf. Nach § 214 Abs. 8 S. 2 gilt der Bestandsschutz letztmalig für das Geschäftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2027 beginnt. Vertragliche Änderungen der bestandsgeschützten Titel können aber bereits vor diesem Datum den Bestandsschutz aufheben. Über sämtliche Vertragsänderungen ist die BaFin zu informieren – auch wenn es sich um eine unwesentliche Änderung handelt. In Zweifelsfällen beurteilt die BaFin, ob die geplanten vertraglichen Änderungen zu einer Aufhebung des Bestandschutzes führen.

Weiterhin werden für kleine Versicherungsunternehmen, Sterbe- und Pensionskassen Zweifelfragen im Zusammenhang mit dem Abzug der Beteiligungen und Forderungen nach § 214 Abs. 7 VAG von den Eigenmitteln nach § 214 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VAG geregelt. Nach § 214 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 VAG fallen auch Wertpapiere mit unbestimmter Laufzeit unter den Abzugsposten, da diese nachrangig sind. Da nachrangige Titel auch als Eigenmittel anerkannt werden, muss eine spiegelbildliche Erfassung als Abzugsposten erfolgen. Reine Industrieholdings sind aber weiterhin vom Abzugsposten ausgenommen. Das Rundschreiben konkretisiert an dieser Stelle die kumulativen Voraussetzungen, die für eine Ausnahme erfüllt sein müssen. Die Industrieholdings dürfen dabei keine bedeutenden Beteiligungen an Unternehmen aus dem Finanzsektor halten und keinen Handel betreiben. Allerdings wird nicht klargestellt, wann eine Beteiligung an einem Unternehmen aus dem Finanzsektor als „bedeutend“ zu beurteilen ist.

Abgeleitet aus dem Hauptziel der Versicherungsaufsicht, die Belange der Versicherungsnehmer und der Begünstigten zu wahren, sieht die BaFin es im Rundschreiben als unabdingbar an, dass Gläubiger nachrangiger Verbindlichkeiten an den Verlusten teilnehmen, wenn die BaFin einer Leistungskürzung zustimmt. Hierfür beinhaltet das Rundschreiben Formulierungshinweise für eine entsprechende Klausel, die in den Bedingungen der nachrangigen Verbindlichkeiten enthalten sein muss. In diesem Zusammenhang sind die Bedingungen für die Aufnahme von nachrangigen Verbindlichkeiten im Entwurf zur aufsichtsrechtlichen Prüfung vorzulegen. Inhaltliche Änderungen des Entwurfs sind der BaFin anzuzeigen. Nach Unterzeichnung des Vertrages ist eine finale, unterschrieben Fassung der BaFin zur Verfügung zu stellen.

Zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 214 Abs. 3 und 5 VAG fordert das Rundschreiben, dass der Zinssatz von Nachrangdarlehen einem Fremdvergleich standzuhalten hat. Die Herleitung des Zinssatzes ist daher der Aufsicht nachvollziehbar darzulegen. Daneben erwartet die BaFin, dass nachrangige Darlehensnehmer bzw. Emittenten von Nachranganleihen jährlich und anlassbezogen prüfen, ob eine Kündigung oder eine Ablösung des Eigenmittel-Titels sinnvoll oder zwingend notwendig ist.

In Kapitel 3.4 werden die Eigenmittel aufgegriffen, die nur auf Antrag und nach Zustimmung der BaFin als Eigenmittel anerkannt werden. Hierunter fallen u. a. Teile des nicht eingezahlten Grundkapitals/Gründungsstocks, zulässige bzw. tatsächlich geforderte Nachschüsse und stille Reserven. Der Antrag auf Anerkennung der Eigenmittel ist zusammen mit dem Solvabilitätsnachweis einzureichen.

Die Anerkennung der Hälfte des nicht eingezahlten Grundkapitals bzw. Gründungsstocks als Eigenmittel ist nur möglich, wenn bereits 25 Prozent des Grundkapitals bzw. Gründungsstocks eingezahlt worden sind. Außerdem ist die Anrechnungsgrenze des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 VAG in Höhe von 50 Prozent des jeweils niedrigeren Betrags der Eigenmittel und der Solvabilitätskapitalanforderung zu beachten. Eine Versagung der Zustimmung zur Anerkennung wird regelmäßig erfolgen, wenn die Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit der Anteilseigner anzuzweifeln ist. Die BaFin formuliert im Rundschreiben daher die Erwartung, dass die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Anteilseigner laufend überwacht werden. Im Antrag auf Anerkennung sind die Anteilseigner inkl. ihrer Anteilsquote anzugeben. Auf Verlangen der BaFin sind weitere Nachweise vorzulegen.

Kleine VVaG, die keine Personenversicherungen betreiben, können auf Antrag Nachschussforderungen gegenüber ihren Vereinsmitgliedern als Eigenmittel anerkennen lassen. Diese Nachschussforderungen werden aber grundsätzlich nur dann anerkannt, wenn die Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages über diese Verpflichtung in Kenntnis gesetzt wurden, da ansonsten das Bewusstsein der Versicherungsnehmer, als Vereinsmitglied potenziell nachschusspflichtig zu sein, nur gering ausgeprägt sein wird. Hierbei sind ebenfalls die Anrechnungsgrenzen des § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 VAG zu beachten.

Stille Nettoreserven, d. h. der Saldo aus stillen Reserven und Lasten, werden grundsätzlich nach Abzug von möglichen Steuern und Verkaufskosten anerkannt, sofern die stillen Nettoreserven dauerhaft sind. Um die stillen Reserven zu bestimmen, gibt das Rundschreiben Hinweise für die Bestimmung der Zeitwerte für die folgenden Posten:

  • Immobilien
  • Verbundene Unternehmen und Beteiligungen (börsen- und nicht börsennotiert)
  • Wertpapiere, Anteile an Sondervermögen und sonstige Kapitalanlagen (börsen- und nicht börsennotiert)

Zur Ermittlung des Zeitwerts von Immobilien verweist das Rundschreiben auf § 55 RechVersV. Hierbei bestimmt sich der Zeitwert mithilfe eines Gutachtens, welches nicht älter als fünf Jahre sein darf. Das Rundschreiben betont, dass die Annahmen bei der Zeitwertermittlung vorsichtig gewählt werden müssen und die BaFin das Recht bzw. die Möglichkeit hat, weitere ergänzende Nachweise zu verlangen.

Bei den verbundenen Unternehmen und Beteiligungen (nachfolgend Unternehmen) kommt es zunächst darauf an, ob die Unternehmen unter den Abzugsposten nach § 214 Abs. 7 VAG fallen. In diesem Fall ist die Anerkennung darin enthaltener stiller Reserven ausgeschlossen. Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob die Anteile an den Unternehmen an einem geregelten Markt gehandelt werden. Bei nicht notierten Unternehmen – genauso wie bei anderen, nicht notierten Kapitalanlagen – muss die Ermittlung des Zeitwertes regelmäßig unter Hinzuziehung eines oder mehrerer unabhängiger, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger erfolgen. Wenn das Unternehmen notiert ist, erfolgt die Bewertung anhand des Kurses analog zu den Regelungen für notierte Wertpapiere, Anteile an Sondervermögen und sonstige Kapitalanlagen.

Hier erfolgt die Bewertung analog § 56 Abs. 2 RechVersV. Durch den Vergleich des Buchwertes und des Börsenkurs- bzw. Freiverkehrswertes zum Bilanzstichtag (Tagesschlusskurs) wird der Zeitwert und somit die stillen Reserven ermittelt. Da nur die dauerhaften stillen Nettoreserven anrechnungsfähig sind, muss aber auch der Durchschnitt der Kurse des aktuellen und der drei vorangegangenen Bilanzstichtage betrachtet werden. Bei festverzinslichen Wertpapieren ist außerdem der Zeitwert zu ermitteln, der sich bei einer drei Jahre kürzeren Restlaufzeit ergibt. Eine Anerkennung der stillen Reserven für die dem Anlagevermögen zugeordneten festverzinslichen Wertpapiere ist allerdings nicht möglich.

Drohende Unterdeckung

Das Kapitel 4 behandelt die Anzeigepflicht wegen Verschlechterung der finanziellen Lage bzw. Gefährdung der Zahlungsfähigkeit nach § 132 Abs. 2 VAG und die (drohende) Unterdeckung der Solvabilitäts- und Mindestkapitalanforderungen.

Sofern die Eigenmittel die Solvabilitätskapitalanforderung nach §§ 134, 136 und 137 VAG unterschreiten bzw. in den nächsten drei Monaten unterschreiten sollten, muss die Aufsichtsbehörde darüber unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden. Daneben muss das Versicherungsunternehmen einen realistischen Sanierungsplan erstellen und diesen der Aufsichtsbehörde innerhalb von zwei Monaten vorlegen. Die Frist kann bei EbAV auf Antrag um einen Monat verlängert werden. Innerhalb von sechs Monaten sind die Eigenmittel so weit aufzustocken oder das Risikoprofil so weit zu mindern, dass die Solvabilitätskapitalanforderung wieder bedeckt ist. Diese Sechs-Monats-Frist kann auf Antrag verlängert werden.

Im Falle einer akuten oder innerhalb von drei Monaten erwarteten Unterschreitung der Mindestkapitalanforderung gemäß §§ 135 bis 137 VAG muss das Versicherungsunternehmen ebenfalls die Aufsichtsbehörde unterrichten. In diesem Fall ist der BaFin innerhalb eines Monats ein realistischer Finanzierungsplan vorzulegen. Die Aufstockung der Eigenmittel bzw. die Senkung des Risikoprofils ist innerhalb von drei Monaten zu erreichen. Fristverlängerungen sind auf Antrag auch hier möglich – allerdings in geringerem Umfang.

Einreichung

Die Kapitel 5 und 6 befassen sich mit Frist und Form der Einreichung des Solvabilitätsnachweises. Dieser ist jährlich zusammen mit dem Jahresabschluss und dem Lagebericht einzureichen. Der Stichtag für den Solvabilitätsnachweis entspricht daher dem Abschlussstichtag. Außerdem folgt damit die Einreichungsfrist den handelsrechtlichen Vorschriften. Die Aufsichtsbehörde ist unverzüglich zu informieren, falls sich aus dem festgestellten Jahresabschluss Änderungen für den Solvabilitätsnachweis ergeben.

Die Einreichung hat in elektronischer Form zu erfolgen. Im Zusammenhang mit dem Rundschreiben hat die BaFin Hinweise über die Melde- und Veröffentlichungsplattform MVP veröffentlicht. Hier werden Meldeweg, Dateitypen und Namenskonventionen klargestellt.

Anmerkungen zu einzelnen Positionen der Nachweisungen

In Kapitel 7 konkretisiert das Rundschreiben, wie einzelne Positionen in den Nachweisen 701 bis706 zu befüllen sind. Die Anwendung dieser Hinweise erfolgt erstmalig für Geschäftsjahre, die nach dem 30. März 2021 enden. Eine frühere Anwendung ist möglich.

Wenn Sie bei der Umsetzung der Anforderungen Unterstützung benötigen, sprechen Sie uns gerne an.

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