Das neue Sanierungs- und Restrukturierungsrecht

22.01.2021 – Die Rechtsordnung bot bislang keinen einheitlichen Rahmen, um außerhalb eines Insolvenzverfahrens die Sanierung wirtschaftlich angeschlagener Unternehmen rechtssicher zu gestalten. Zwar ließen sich über aufwendige Vergleichsverhandlungen, ggf. in Kombination mit gesellschaftsrechtlichen Gestaltungselementen, Sanierungslösungen erreichen. Zumeist scheiterte ein solches Vorhaben aber am Widerstand einzelner Gläubiger*innen. Eine Möglichkeit war daher in der Vergangenheit die Aufstellung eines Insolvenzplans, welcher im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erstellt wurde. Allerdings hat das Insolvenzverfahren zwei große Nachteile: Neben den nicht unerheblichen, unmittelbaren Kosten eines solchen Verfahrens besteht zusätzlich die Gefahr eines Reputationsschaden, der häufig mit einer Insolvenz verbunden ist.

Der präventive Restrukturierungsrahmen bietet die Chance einer nachhaltigen Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens.

Mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts („SanInsFoG“) und dem damit neu geschaffenen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz („StaRUG“) bietet der Gesetzgeber den betroffenen Unternehmen nun einen präventiven Weg und beabsichtigt, das Sanierungs- und Restrukturierungsrecht insgesamt zu harmonisieren bzw. zu vervollständigen. Das Gesetz setzt die Richtlinie über den präventiven Restrukturierungsrahmen vom 20.06.2019 (RL 2019/1023) um und knüpft zeitlich nahtlos an das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz an.

Welchen Vorteil hat das betroffene Unternehmen durch das neue Gesetz?

Das StaRUG ermöglicht eine Restrukturierung ohne das öffentliche Bekanntwerden der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens.

Kernstück des Gesetzes ist der präventive Charakter der Restrukturierung, welche nun innerhalb eines gesetzlichen Rahmens ohne die entsprechende öffentliche Wahrnehmung durchgeführt werden kann. Sollte sich aber keine schnelle Lösung abzeichnen, kann man sowohl das Gericht als auch einen Restrukturierungsbeauftragten hinzuziehen. Die Übergänge sind dabei fließend und schaffen nicht nur Klarheit, sondern auch einen Gestaltungsspielraum für alle Beteiligten.

Wann kann das Unternehmen die Möglichkeiten des StaRUG nutzen?

Vor allem, um die verschiedenen Verfahren, einschließlich des insolvenzrechtlichen Eigenverwaltungsverfahrens, deutlich effektiver zu gestalten als bisher, wurden die Zugangsvoraussetzungen verschärft. In Abgrenzung zum Insolvenzverfahren sollen die Instrumente des mit dem StaRUG neu geschaffenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens zudem nur angewendet werden können, solange das Unternehmen lediglich drohend zahlungsunfähig ist, § 18 InsO. Sobald bei dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO oder Überschuldung § 19 InsO eingetreten ist, verbleibt nur das Insolvenzverfahren.

Frühzeitige Maßnahmen zur Gegensteuerung einer Überschuldung sichern die Möglichkeit und den Erfolg einer außergerichtlichen Restrukturierung.

Es steht zu erwarten, dass sich in der Praxis vermehrt die Notwendigkeit ergeben wird, zunächst einmal eine bereits eingetretene Überschuldung durch bekannte vorgeschaltete Sanierungsbeiträge, insbesondere der Gesellschafter, zu beseitigen, damit sich überhaupt die Möglichkeit der vorinsolvenzlichen Restrukturierung nach dem StaRUG eröffnet. Durch die Verlängerung der Insolvenzantragspflicht im Falle der Überschuldung auf nunmehr 6 Wochen (§ 15a Abs. 1 S. 2 InsO) hat der Gesetzgeber auch dafür die notwendige Grundlage geschaffen.

Worin unterscheidet sich die drohende Zahlungsunfähigkeit von der Überschuldung?

Die Gesetzesänderung schafft mehr Rechtssicherheit durch eine klarere Abgrenzung zwischen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Mit Blick auf die bislang recht unscharfe Trennung zwischen der Überschuldung und der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat der Gesetzgeber durch die neuen Regelungen des StaRUG nun Klarheit geschafft. Bisher kam es zu Überschneidungen beider Tatbestände, weil die zur Beurteilung der Überschuldung notwendige Fortbestehensprognose nichts anderes als eine Zahlungsfähigkeitsprognose beinhaltet und die Rechtsprechung regelmäßig von einem Prognosezeitraum von zwei Jahren bzw. dem laufenden und dem folgenden Geschäftsjahr ausgegangen ist. Nunmehr soll es für die Überschuldung auf einen Prognosezeitraum von 12 Monaten ankommen (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO), während bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf die kommenden 24 Monate abgestellt wird (§ 18 Abs. 2 S. 2 InsO). Wenn bei dem Unternehmen also in den nächsten 12 Monaten die drohende Zahlungsunfähigkeit eintritt, besteht im Zweifel sogleich eine Überschuldung, was dann die Nutzung der Möglichkeiten des StaRUG ausschließen könnte.

Befreit das StaRUG von der Insolvenzantragspflicht?

Die Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht lässt die Insolvenzantragspflicht vorläufig ruhen.

Ergreift das Unternehmen Maßnahmen zur Sanierung oder Restrukturierung, schützt dies nicht vor dem Eintritt der Insolvenzreife des Unternehmens. In jedem Fall bleibt die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags für die Geschäftsführung bestehen. Allerdings ruht die Insolvenzantragspflicht dann nach § 42 Abs. 1 StaRUG, wenn und solange die Restrukturierungssache anhängig ist, wozu es allerdings einer Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim zuständigen Gericht nach § 31 StaRUG bedarf. Im Gegenzug ist die*der Geschäftsleiter*in verpflichtet, unverzüglich das Eintreten der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung anzuzeigen. Andernfalls macht er sich strafbar.

Welche Spielräume bietet den betroffenen Unternehmen das StaRUG?

Das StaRUG gibt den Unternehmen kein starres Verfahren an die Hand, sondern stellt einen Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen mit verschiedenen Instrumenten zur Verfügung. Die konkrete organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung liegt hingegen im Ermessen des Unternehmens, so dass eine Restrukturierung letztlich auch gänzlich ohne Inanspruchnahme des zuständigen Restrukturierungsgerichts oder eines vom Gericht bestellten Restrukturierungsberaters auskommen kann. Das Risiko von Fehlern in dem Restrukturierungsplan und im Abstimmungsprozess liegt allerdings dann beim Unternehmen. Insofern sollte im Einzelfall entschieden werden, ob und welche der neu geschaffenen Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente unter Einbeziehung des Gerichts genutzt werden sollten. Hierzu zählen nach § 29 Abs. 2 StaRUG

  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Planabstimmung wesentlich sind;
  • die Durchführung des gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens;
  • die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans und
  • die gerichtliche Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen.

Was bedeutet eine gerichtliche Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen?

Durch Stabilisierungsanordnungen können Blockadehandlungen einzelner Gläubiger*innen verhindert werden.

Besondere Bedeutung für die Fortführung des Unternehmens und die Erfolgsaussichten der Sanierung kann den sog. Stabilisierungsanordnungen nach § 49 StaRUG zukommen. Bei diesen kann zeitlich befristet eine Vollstreckungssperre erwirkt werden. Außerdem können Gläubiger mit Sicherungsrechten gehindert werden, ihre Sicherheiten einzuziehen und zu verwerten (Verwertungssperre).

Wie wird das Gericht in das Verfahren einbezogen?

Möchte das Unternehmen von einer oder mehreren der vorgenannten Verfahrenshilfen Gebrauch machen, muss das Restrukturierungsvorhaben nach § 31 StaRUG insbesondere unter Vorlage des Entwurfs des Restrukturierungsplans oder wenigstens eines Restrukturierungskonzepts beim zuständigen Restrukturierungsgericht angezeigt werden. Soll der Erlass von Stabilisierungsanordnungen beantragt werden, bedarf es nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG zusätzlich u. a. eines Finanzplans für den Zeitraum von 6 Monaten. Allerdings können nach § 51 Abs. 2 StaRUG bereits erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmer*innen, dem Fiskus, den Sozialversicherungsträgern oder Lieferanten oder auch die Verletzung der Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses den Erlass solcher Stabilisierungsanordnungen verhindern.

Wie flexibel kann man als betroffenes Unternehmen innerhalb des Gesetzes handeln?

Das StaRUG bietet ein hohes Maß an Flexibilität, wodurch sich die Restrukturierung auch auf bestimmte Gläubiger(gruppen) beschränken lässt.

Einer der größten Vorteile des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens ist neben dem umfassenden Gestaltungsermessen aber sicherlich, dass bei Vorliegen sachgerechter Gründe das Unternehmen selbst darüber befinden kann, welche Gläubiger in den Restrukturierungsplan einbezogen und von wem damit Sanierungsbeiträge abverlangt werden. Dabei kann etwa die Beschränkung des Restrukturierungsplans auf Finanzverbindlichkeiten ein zulässiges Mittel sein, genauso wie die Ausnahme der Forderungen von Kleingläubigern (§ 8 Nr. 2 StaRUG). Außerdem ist es möglich, im Rahmen von Konzernstrukturen auch verbundene Unternehmen von den von ausgereichten Sicherheiten zu befreien, wenn dem Gläubiger eine angemessene Entschädigung geleistet wird (§ 2 Abs. 4 StaRUG). Forderungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen und Zusagen auf betriebliche Altersversorgungen sind hingegen nach § 4 Nr. 1 StaRUG generell von der Einbeziehung in den Restrukturierungsplan ausgenommen und auch Insolvenzgeld kann in dieser Phase nicht beansprucht werden. Das Gestaltungsermessen des Unternehmens geht zudem soweit, dass Forderungen von Gläubigern nach § 7 Abs. 4 StaRUG auch in eine Beteiligung an der Gesellschaft umgewandelt werden können.

Hat der Restrukturierungsplan Parallelen zum Insolvenzplan?

Wie beim Insolvenzplan ist auch beim Restrukturierungsplan vorgesehen, dass die vom Unternehmen ausgewählten Gläubiger und Anteilsinhaber nach § 9 StaRUG in bestimmte Gruppen eingeteilt werden. Wenngleich innerhalb dieser Gruppen über den Plan abgestimmt und dort für die Zustimmung eine Dreiviertelmehrheit zustande kommen muss (§ 25 StaRUG), besteht nach § 26 StaRUG aber die Möglichkeit der gruppenübergreifenden Überstimmung von Gläubigern und Anteilsinhabern, so dass der Restrukturierungsplan auch gegen den Widerstand von Gläubigerminderheiten zustande gebracht werden kann. Oberstes Gebot ist allerdings, dass der Restrukturierungsplan nicht dazu führen darf, dass die Mitglieder einer Gruppe hierdurch schlechter gestellt werden als ohne Plan.

Hat das Gesetz Auswirkungen auf die persönliche Haftung der Geschäftsführung?

Trotz der weitreichenden Sanierungsmöglichkeiten, die das StaRUG mit seinem präventiven Restrukturierungsrahmen den Unternehmen jetzt bietet, ist nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber vor allem als Folge aus den Erfahrungen, die mit den insolvenzrechtlichen Eigenverwaltungsverfahren gesammelt wurden, die Unternehmen und deren Geschäftsleiter deutlich mehr in die Verantwortung nimmt als vorher. Korrespondierend zu den erhöhten Anforderungen, die an die Nutzung sowohl des Restrukturierungs- als auch des Eigenverwaltungsverfahrens gestellt werden, wird auch die Haftung der Geschäftsleiter erweitert. Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass bereits in der drohenden Zahlungsunfähigkeit eine Gefährdung der Gläubiger zu sehen ist und daher einen erhöhten, von den Gläubigerinteressen geprägten, Sorgfaltsmaßstab begründet. Entsprechend hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Krisenfrüherkennung und Überwachung ausdrücklich in § 1 StaRUG normiert.

Den neu geschaffenen Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen steht die zunehmende Verantwortung der Geschäftsleiter*innen für das frühzeitige Erkennen und Abwenden von Krisen gegenüber.

Damit wird deutlich, dass die vorinsolvenzliche Restrukturierung nur dann von Erfolg beschieden sein kann, wenn sie sorgfältig vorbereitet ist und wenn die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die der Gesetzgeber mit dem StaRUG geschaffen hat, mit Blick auf die individuellen Interessen des Unternehmens und der gegebenen Gläubigerstruktur bewertet und gezielt zusammengestellt werden.

Hierzu stehen wir Ihnen mit unseren Expert*innen aus den unterschiedlichen Bereichen gerne zur Verfügung. Wir sind der Überzeugung, dass nur eine aus allen Blickwinkeln betrachtete Restrukturierung am Ende für Sie Erfolg haben wird.

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