Aktuelle Entscheidungen zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)

a)   VGA durch überhöhte Geschäftsführervergütungen an Personen, die den Kommanditisten der Mutter-KG nahestehen

Mit Urteil v. 22.10.2015 (Aktenzeichen IV R 7/13, HFR 2016, 131) hat der BFH entschieden, dass die Annahme einer vGA nicht dadurch ausgeschlossen werden kann, dass die Festlegung überhöhter Geschäftsführervergütungen bei der Tochter-GmbH einer KG der Zustimmung eines gesellschaftsvertraglich errichteten und jederzeit auflösbaren Beirats bedarf.

Im konkreten Streitfall hatte – vereinfacht dargestellt – eine GmbH & Co. KG geklagt, der in den Streitjahren 1999 bis 2002 vGA ihrer Tochter-GmbH einkommenserhöhend als Betriebseinnahmen zugerechnet worden waren. Die Annahme von vGA basiert darauf, dass

  • einerseits diese GmbH & Co. KG Alleingesellschafterin der Tochter-GmbH war, die ihren drei Geschäftsführern A, G und K unangemessen hohe Gehälter gezahlt hatte und
  • andererseits die Kinder dieser Geschäftsführer A, G und K Kommanditisten bei der GmbH & Co. KG waren (die Komplementär-GmbH war nicht am Kapital beteiligt); jedem „Familienstamm“ stand dabei 1/3 der Kommanditanteile zu.

Der Gesellschaftsvertrag der Tochter-GmbH enthielt die Besonderheit, dass ein die Geschäftsführung beratender Beirat zu bilden war,

  • der einerseits befugt war, der Geschäftsführung konkrete und generelle Weisungen zu erteilen, und
  • der andererseits auch ausschließlich für die Verhandlung, den Abschluss, die Änderung und Auflösung der Dienstverträge der Geschäftsführer, soweit diese zu den Gründungsgesellschaftern gehören (die GmbH wurde ursprünglich auch von A, G und K gegründet), zuständig sein sollte.

Der Beirat bestand aus drei nicht zu den Mitgliedern der Familien gehörenden Personen, die von der Gesellschafterversammlung gewählt wurden. Das Weisungsrecht des Beirats verdrängte das gesetzliche Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung jedoch nicht, so dass die Gesellschafterversammlung Weisungen des Beirats jederzeit widerrufen konnte. Dazu hat der BFH in Bestätigung der Vorinstanz entschieden,

  • dass die unangemessenen Teile der von der Tochter-GmbH an A, G und K gezahlten Geschäftsführervergütungen als vGA der Tochter-GmbH Betriebseinnahmen der GmbH & Co. KG darstellen, die deren Einkünfte aus Gewerbebetrieb erhöhen,
  • weil eine vGA auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein kann, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person (hier: die Väter der Kommanditisten) aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Hierbei sei unerheblich, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat.
  • Diese Voraussetzungen einer vGA könnten auch Leistungen erfüllen, die eine Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter ihres eigenen Gesellschafters (mittelbarer Gesellschafter) erbringt.
  • Der Annahme einer vGA stehe auch die statuarische Errichtung eines Beirats bei der Tochter-GmbH nicht entgegen, da der Beirat kein hinreichendes Gegengewicht zu den die Tochter-GmbH gemeinsam beherrschenden Familienstämmen A, G und K darstellte, weil die Gruppe der Kommanditisten (über die Gesellschafterversammlung) jederzeit in der Lage war, etwaige Beschlüsse des Beirats über die Vergütungshöhe abzuändern oder aufzuheben. Auch sei der Beirat einer GmbH nicht mit einem Aufsichtsrat einer AG gleichzustellen. Anders als beim Aufsichtsrat einer AG beruhe die Bildung, Änderung oder Abschaffung eines Beirats lediglich auf der Entscheidung der GmbH-Gesellschafter.

Hinweis:

Mit dieser Entscheidung hat der BFH klargestellt, dass die „Zwischenschaltung“ eines bei GmbHs ohnehin jederzeit auflösbaren Beirats nicht geeignet ist, die gesellschaftliche Veranlassung einer Vermögensverlagerung „auszuhebeln“ – und daher der Annahme einer vGA auch nicht entgegenstehen kann.

b)  VGA: Verkauf von Forderungen an nahestehende Person ist kein Gestaltungsmissbrauch

Mit Urteil v. 24.4.2015 (Aktenzeichen 3 K 19/11, EFG 2015, 1150) hat das FG Schleswig-Holstein entschieden, dass der entgeltliche Erwerb einer Gesellschafterforderung – wie auch der Forderung eines Dritten – gegen eine GmbH durch die Ehefrau eines hälftigen Anteilserwerbers im Rahmen eines sog. Mantelkaufs nicht missbräuchlich i.S.d. § 42 AO ist. In dem späteren Forderungsausgleich durch die GmbH liegt nach Auffassung des FG auch keine vGA auf Seiten des an der GmbH beteiligten Ehemanns.

Im Streitfall hatte der Ehemann (Stpfl.) im Jahr 2002 50 % der Anteile an einer GmbH erworben, die über hohe steuerliche Verlustvorträge verfügte und ihren Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hatte. Zeitgleich erwarb die Ehefrau des Stpfl. vom bisherigen Alleingesellschafter Gesellschafterforderungen i.H.v. rd. 350 T€ zum Kaufpreis von rd. 16 T€ sowie weitere Forderungen gegen die GmbH i.H.v. rd. 550 T€ zum Preis von rd. 24 T€ von einem nicht an der GmbH beteiligten Dritten. Die entsprechend in der Bilanz der GmbH ausgewiesenen Verbindlichkeiten von insgesamt rd. 900 T€ blieben dabei zum Nominalbetrag passiviert. Ab dem Jahr 2003 erzielte die GmbH wieder erhebliche Gewinne, da der Stpfl. sein gewinnträchtiges Einzelunternehmen an die GmbH veräußert hatte, so dass auch die Darlehen (in den Jahren 2003 bis 2005) getilgt werden konnten.

Die FinVerw wertete die über die Anschaffungskosten der Ehefrau hinausgehenden Tilgungsleistungen als vGA. Denn die gewählte Gestaltung diene einzig dem Zweck, den bei der GmbH bestehenden Verlustvortrag (im Wege des Mantelkaufs) ungeschmälert zu erhalten und gleichzeitig die gegen die GmbH gerichteten – ursprünglich wertlosen – Forderungen durch eine dem Anteilserwerber nahestehende Person in ihrem Privatvermögen (also außerhalb der steuerlich erheblichen Einkünfteerzielung) zum Nominalbetrag zu realisieren.

Das FG hat gegen die Auffassung des FA die Annahme einer vGA zurückgewiesen, da die streitbefangenen Zahlungen der GmbH an die Ehefrau nicht als Gewinnausschüttungen, sondern als Darlehnsrückzahlungen anzusehen seien. Die an die Ehefrau abgetretenen Darlehnsforderungen hätten nicht nur zivilrechtlich bestanden, sondern seien auch steuerrechtlich anzuerkennen; ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten sei nicht gegeben. Das wirtschaftliche Ziel der getroffenen Vereinbarungen lag darin, zum einen aus Sicht der Ehefrau als nahe Angehörige des neuen Mitgesellschafters die GmbH von der drohenden Inanspruchnahme der ursprünglichen Forderungsinhaber zu entlasten. Zum anderen aus der Sicht der Veräußerer der Forderungen die auf Grund der bisherigen wirtschaftlichen Situation der GmbH als wertlos einzustufenden Darlehnsrückforderungen zumindest zu einem (geringen) Teil zu realisieren. Die Ehefrau konnte auf Grund der „erwarteten“ Einbringung des gewinnbringenden Einzelunternehmens des Ehemanns in die GmbH realistische Hoffnung auf eine über dem Kaufpreis von 40 000 € liegende Darlehnsrückzahlung seitens der GmbH haben. Diese Möglichkeit zu nutzen ist nach Auffassung des FG „wirtschaftlich vernünftig“. Dass die Ehefrau die über den Kaufpreis hinausgehenden Zahlungen der GmbH auf die abgetretenen Forderungen steuerfrei erhielt, führe nicht zu einem Gestaltungsmissbrauch.

Hinweis:

Das FG Schleswig-Holstein hat explizit die Revision zugelassen, so dass mit Blick auf künftige Gestaltungen die Entscheidung des BFH abzuwarten ist (Aktenzeichen des BFH: VIII R 21/15).

c)   Auffassung der Finanzverwaltung zu vGA im Zusammenhang mit Risikogeschäften

Der BFH hatte bereits mit seinen Urteilen v. 31.3.2004 (Aktenzeichen I R 83/03, BFH/NV 2004, 1482) und v. 8.8.2001 (Aktenzeichen I R 106/99, BStBl II 2003, 487) entschieden, dass die Tätigung von Risikogeschäften (Wertpapiergeschäften) durch eine GmbH regelmäßig nicht die Annahme rechtfertige, die Geschäfte würden im privaten Interesse des (beherrschenden) Gesellschafters ausgeübt. Die Gesellschaft sei grundsätzlich darin frei, solche Geschäfte und die damit verbundenen Chancen, zugleich aber auch Verlustgefahren wahrzunehmen. Anders als von der FinVerw in den BMF-Schreiben v. 19.12.1996 (BStBl I 1997, 112) und v. 20.5.2003 (BStBl I 2003, 333) vertreten, gelte dies auch dann, wenn der Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen aus den Risikogeschäften einerseits und dem eigentlichen Unternehmensgegenstand der GmbH andererseits ein allenfalls entfernter ist.

Mit seinem aktuellen Schreiben (BMF-Schreiben v. 14.12.2015, Aktenzeichen IV C 2 – S 2742/07/10004, BStBl I 2015, 1091) ist die FinVerw nun dieser Auffassung des BFH gefolgt und hat verfügt, dass das BMF-Schreiben v. 20.5.2003 aufgehoben wird und die diesbezüglichen Regelungen im BMF-Schreiben v. 19.12.1996 nicht länger anzuwenden sind, soweit die Ausführungen den Grundsätzen der genannten BFH-Urteile entgegenstehen.

Hinweis:

Der BFH hatte in den beiden genannten Urteilen aus 2001 und 2004 ausdrücklich darauf abgestellt, dass Kapitalgesellschaften keine sog. außerbetriebliche Sphäre haben und daher z.B. auch Verluste aus Devisentermingeschäften bei einem Werkzeugmaschinenhändler Betriebsausgaben darstellen. Danach komme es auch nicht darauf an, ob die Durchführung der Geschäfte nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft völlig unüblich oder mit hohen Risiken verbunden ist. Eine vGA ist nach Auffassung des BFH nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, z.B. dann, wenn sich die Gesellschaft verpflichtet, zum einen Spekulationsverluste zu tragen, zum anderen Spekulationsgewinne aber an den Gesellschafter abzuführen.