Tilgungsvermutung bei Unkenntnis des Finanzamts über Scheidung

Dem Bundesfinanzhof lag folgender Fall zur Entscheidung vor: Die Ehe des Stpfl. wurde am 30.1.2008 geschieden. Mit noch an die Eheleute adressierten Bescheiden vom 9.7.2008 bzw. 19.9.2008 setzte das Finanzamt für das III. und IV. Quartal 2008 Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 5 165 € fest, die der Stpfl. im Jahr 2008 von seinem Geschäfts- und Privatkonto zahlte.

Erst mit der vom Stpfl. am 21.5.2010 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 erfuhr das Finanzamt von der Scheidung. Daraufhin erteilte es dem Stpfl. eine neue Steuernummer und erließ den an den Stpfl. gerichteten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 14.9.2010 (Einzelveranlagung). Das Finanzamt rechnete die vom Stpfl. für den Veranlagungszeitraum 2008 insgesamt geleisteten Vorauszahlungen nur zur Hälfte auf die hierin festgesetzten Steuern an. Der Einspruch des Stpfl. gegen die Anrechnungsverfügung blieb ohne Erfolg.

Der Bundesfinanzhof bestätigte mit Beschluss vom 13.5.2015 (Aktenzeichen VII R 38/14) diese Vorgehensweise des Finanzamts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei nach den gesetzlichen Vorgaben derjenige anrechnungsberechtigt, auf dessen Rechnung, nicht aber derjenige, auf dessen Kosten gezahlt worden ist. Es komme also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt wurde, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar ist, getilgt werden sollte. Ist bei der Zahlung eines Gesamtschuldners kein abweichender Tilgungswille erkennbar, sei in der Regel anzunehmen, dass der Gesamtschuldner nur seine eigene Steuerschuld tilgen wollte. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei der Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner. Solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, sei hier auf Grund der zwischen Ehepartnern bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft im Allgemeinen davon auszugehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Hiervon habe das Finanzamt im vorliegenden Fall mangels anderer Kenntnis im Zeitpunkt der Zahlung ausgehen müssen.

Handlungsempfehlung:

Dies verdeutlicht, dass bereits bei einer zerrütteten Ehe dem Finanzamt angezeigt werden sollte, auf wessen Schuld eine Zahlung erfolgen soll. Insoweit ist auch wichtig, dass der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 13.5.2015 (Aktenzeichen VII R 41/14) entschieden hat, dass eine rückwirkende Änderung einer Tilgungsbestimmung nicht möglich ist. Im Zweifel sollte in solchen Situationen bei jeder Zahlung eine ausdrückliche schriftliche Tilgungsbestimmung erfolgen.

Der BFH weist zudem nochmals darauf hin, dass nach dem Urteil des BFH vom 22.3.2011 (Aktenzeichen VII R 42/10) eine Erstattung von Vorauszahlungen bei fehlender Tilgungsbestimmung nur hinsichtlich desjenigen Betrags in Betracht kommt, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer übersteigt. Nur die nach Verrechnung mit beiden Steuerfestsetzungen verbleibenden Vorauszahlungen könnten hälftig auf die beiden Stpfl. aufgeteilt und erstattet werden. Es finde keine Einzelbetrachtung der Ehegatten statt.