Integrationsgesetz 2016 – Auswirkungen auf Beschäftigung von Flüchtlingen

20.10.2016 – Das im August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz hat mehrere Änderungen betreffend die Beschäftigung, Ausbildung sowie den Status von Flüchtlingen gebracht. Es steht unter dem seit den Hartz IV- Reformen bekannten Konzept des „Förderns und Forderns“.

In einem Zeitpunkt, in dem viele Flüchtlinge bereits ihr Asylverfahren durchlaufen haben, liegt der Schwerpunkt des Maßnahmepakets auf Arbeitsmarkts-Reformen, die maßgeblich durch die Bundesagentur für Arbeit begleitet werden sollen. Hierbei liegt der Akzent weniger auf einer kurzfristigen Arbeitsmarktintegration (im Niedriglohnsektor) als vielmehr auf langfristiger Qualifizierung der Betroffenen durch Erleichterung des Zugangs zu Ausbildungen nebst flankierenden Fördermitteln.

Kernpunkte des Integrationsgesetzes

Das Gesetz enthält folgende wesentliche Neuerungen:

Lockerung der Vorrangprüfung und der Leiharbeit

Die bisher mit einigen wenigen Ausnahmen geltende Vorrangprüfung (die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für eine Beschäftigung auf Vorlage der Ausländerbehörden durch die Bundesagentur für Arbeit vorgenommen wird), wonach in der Praxis eine offene Stelle zunächst für Deutsche auszuschreiben ist, wird teilweise für drei Jahre ausgesetzt. In vielen Gebieten, in denen die Arbeitslosigkeit hoch ist, gilt dieses Lockerung jedoch nicht (so z.B. in ganz Mecklenburg-Vorpommern nicht).

Ein besonderer Effekt für den Arbeitsmarkt dürfte von dem Umstand ausgehen, dass das Verbot der Leiharbeit für Flüchtlinge, das zuletzt für die ersten 15 Monate des Aufenthalts von Flüchtlingen in Deutschland galt, weitgehend aufgehoben wird.

Ausweitung der Duldung bei Ausbildungen

Die bisher schon vorgesehene „Ausbildungsduldung“ für an sich ausreisepflichtige Flüchtlinge wird in ihrem Anwendungsbereich wesentlich erweitert. Unter anderem wird die bisherige Altersgrenze von 21 Jahren gestrichen. Damit wird der Forderung gerade von Handwerkskammern nach einer „3+2“- Regelung (d.h. Duldung während einer dreijährigen Ausbildung und einer sich hieran anschließenden zweijährigen Beschäftigung) entsprochen.

Zugang zur Ausbildungsförderung

Ebenfalls (bis Ende 2018 befristet) wird Flüchtlingen der Zugang zu den Ausbildungsförderungen der Bundesagentur für Arbeit geöffnet. Bislang waren Flüchtlinge insbesondere während des Asylverfahrens von Instrumenten der Ausbildungsförderung fast gänzlich ausgeschlossen. Nunmehr stehen Inhabern einer Aufenthaltsgestattung mit „guter Bleibeperspektive“ nach drei Monaten des Aufenthalts u.a. berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen und ausbildungsbegleitende Hilfen zu.

Schaffung von 80-Cent-Jobs

Auf die Bundesagentur für Arbeit wurde ein zunächst auf drei Jahre befristetes  Arbeitsmarktprogramm zur Schaffung von 100.000 so genannten „Arbeitsgelegenheiten“ (analog den seit der Hartz IV- Reform bekannten 1-Euro-Jobs) übertragen. Gedacht ist hierbei z.B. an Arbeiten innerhalb und in der Umgebung der Flüchtlingseinrichtungen oder die Pflege von Grünanlagen.

Neue Sanktionsmöglichkeiten

Das Integrationsgesetz sieht eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten vor, die an die Leistungskürzungen beim Arbeitslosgengeld II angelehnt sind. Besonders zu nennen sind die vorgesehenen Leistungskürzungen für den Fall der Nichtannahme eines 80-Cent-Jobs oder eines Integrationskurses.

Wohnsitzregelung

Zur Vermeidung „integrationshemmender Segregationstendenzen“ wird die Möglichkeit der Länder eingeführt, auch anerkannte Flüchtlinge bestimmten Wohngebieten zuzuweisen bzw. als milderes Mittel bestimmte Wohngebiete als Niederlassungsort auszuschließen. Zusätzlich sind alle anerkannten Flüchtlinge verpflichtet, sich drei Jahre in dem Bundesland aufzuhalten, das für ihr Asylverfahren zuständig war.

Ausnahmen sind jedoch für die Fälle vorgesehen, dass der Betroffene einer Beschäftigung, einer Ausbildung oder einem Studium in einem anderen Ort nachgeht.

Erschwerte Niederlassungserlaubnis

Die Bedingungen zur Erlangung einer Niederlassungserlaubnis nach drei bis fünf Jahren bestehender Aufenthaltserlaubnis werden erschwert, indem gerade die Erlangung der Erlaubnis schon nach drei Jahren an besondere Integrationsleistungen geknüpft wird. Erst mit der Niederlassungserlaubnis erhält der Betroffene ein dauerhaftes Bleiberecht.

Auswirkungen auf Beschäftigung von Flüchtlingen 

Schon bisher waren Arbeitgeber, die Flüchtlinge einstellen oder ausbilden wollten, gut beraten, ihre Compliance-Anforderungen an die Vorgaben des Asylrechts auszurichten: zur Vermeidung von Geldbußen bis hin zu Strafen waren Arbeitgeber bisher schon gehalten zu prüfen, ob die Anstellung eines Flüchtlings von der Ausländerbehörde in Zusammenspiel mit der Bundesagentur für Arbeit genehmigungspflichtig ist, ob diese Genehmigung eingeholt worden ist und ob sich die Anstellung im Rahmen dieser Genehmigung hielt. Ansonsten drohten Bußgelder und ggf. Strafen u.a. nach dem SGB III, AufenthG und SchwarzArbG. 

Sanktionsbewehrte Überwachungsaufgaben

Durch das Integrationsgesetz kommen potenziell weitere Überwachungsaufgaben auf den Arbeitgeber gerade im Hinblick auf das Auslaufen eines Aufenthaltsrechts zu, z.B. bei der Ausbildungsduldung. Die Ausbildungsduldung führt nach ihrem Ablauf (z.B. nach fünf [=drei plus zwei] Jahren) nämlich nicht ohne weiteres zu einer Aufenthaltserlaubnis des Betroffenen. Zur Absicherung kommt für den Arbeitgeber eine an die Dauer des Aufenthaltsstatus gekoppelte Befristung des Arbeitsvertrags in Betracht, wobei hier strenge formale Vorgaben zu beachten sind (insbesondere ist eine Prognose der Weiterbeschäftigungsmöglichkeit vorzunehmen). Ungeachtet dessen ist der aufenthaltsrechtliche Status des Flüchtlings kontinuierlich zu überwachen. So wird dem Arbeitgeber z.B. auch im Falle des Abbruchs der Ausbildung im Rahmen der Ausbildungsduldung eine mit Geldbuße bewehrte Meldepflicht an die Behörden auferlegt. 

Mit Blick auf die Wohnsitzauflagen sind die Arbeitsverträge so auszugestalten, dass die Ausnahmetatbestände von diesen erfüllt werden (d.h. sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden mit zumindest teilweiser Lebensunterhaltssicherung).

Leiharbeit

Das Integrationsgesetz befördert die Einstellung von Flüchtlingen als Leiharbeitnehmer. Auch Entleiher unterliegen nach dem AÜG bußgeld- und strafbewehrten Überprüfungspflichten hinsichtlich der Überprüfung des Aufenthaltsstatus und der Beschäftigungsmodalitäten der Leiharbeitnehmer. 

Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses

Vor dem Hintergrund der generellen Ausrichtung der Reformen auf Integration über die Beschäftigung ist seitens der Arbeitgeber / Entleiher zu berücksichtigen, dass Flüchtlinge als Arbeitnehmer weiterhin einen besonderen Status genießen. Wie sich dies im Individual- und Kollektivarbeitsrecht genau auswirkt, ist noch nicht abschließend geklärt. Aber es können sich z.B. Pflichten des Arbeitgebers aus dem AGG ergeben (z.B. ggf. die Pflicht, andere Arbeitnehmer hinsichtlich des Umgangs mit den Flüchtlingen zu schulen); bei der Arbeitszeiteinteilung sollte auf begleitende Integrationskurse und Sprachkurse der Betroffenen Rücksicht genommen werden.