Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Für die zu erwartenden Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist sowohl in der Handelsbilanz als auch in der steuerlichen Gewinnermittlung zwingend eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, weil dafür eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht besteht. Die OFD Niedersachsen hat mit Verfügung vom 5.10.2015 (Aktenzeichen S 2137 – 106 – St 221/St 222) zu Einzelheiten der Berechnung Stellung genommen. Hervorzuheben sind folgende Aspekte:
Bei der Bildung dieser Rückstellung ist zu berücksichtigen, welche Unterlagen tatsächlich aufbewahrungspflichtig sind und wie lange die Aufbewahrungspflicht für einzelne Unterlagen noch besteht. Werden Unterlagen freiwillig länger aufbewahrt, fehlt es an der rechtlichen Verpflichtung. Eine Rückstellung kommt insoweit nicht in Betracht.

Hinweis:

Zu beachten ist, dass die steuerlichen Aufbewahrungsfristen nicht enden, bevor die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist, so dass sich in der Praxis vielfach durch steuerliche Außenprüfungen oder Rechtsbehelfe die gesetzlichen Fristen verlängern können. Aus diesem Grunde muss die Aufbewahrungspflicht individuell bestimmt werden.

Die Rückstellung ist in der steuerlichen Gewinnermittlung mit dem Betrag zu passivieren, der nach den Preisverhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtags für die Erfüllung der Verpflichtung voraussichtlich notwendig ist. Bei der Berechnung sind folgende Kosten einzubeziehen:

  • Einmaliger Aufwand für das Einscannen oder die Einlagerung der am Bilanzstichtag noch nicht archivierten Unterlagen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr, für das Brennen von DVD/CD und für die Datensicherung (Sach- und Personalkosten). Die Kosten für die fortlaufende Archivierung im laufenden Veranlagungszeitraum bis zum Bilanzstichtag sind nicht einzubeziehen.
  • Raumkosten (anteilige Miete bzw. Gebäude-AfA, Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Instandhaltung, Heizung, Strom) für Räumlichkeiten, die der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen dienen. Soweit im Zusammenhang mit der digitalen Speicherung noch ein Raumbedarf besteht (z.B. für einen anteiligen PC-Arbeitsplatz, bei größeren Betrieben für einen [anteiligen] Server oder für Lagerungszwecke), sind die Raumkosten zu berücksichtigen. Bei kleineren und mittleren Betrieben dürfte nur noch ein geringer Platzbedarf bestehen, der entsprechend auch nur anteilig zu berücksichtigen ist.
  • Vorhandene Einrichtungsgegenstände (AfA für Regale und Schränke), es sei denn, diese sind bereits abgeschrieben.
  • Anteilige Finanzierungskosten für den Server, den PC oder die Archivräume.
  • Zinsanteil aus Leasingraten (z.B. für die o.g. technischen Geräte oder für Archivräume), wenn der Leasingnehmer nicht wirtschaftlicher Eigentümer des Leasinggegenstands ist.

Nicht rückstellungsfähig sind

  • die Kosten für die zukünftige Anschaffung von zusätzlichen Regalen und Ordnern,
  • die Kosten für die Entsorgung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist und
  • die Kosten für die Einlagerung künftig entstehender Unterlagen.

Die Rückstellung kann nach zwei Methoden berechnet werden:

  • Erste Möglichkeit: Die jährlichen Kosten werden für die Unterlagen eines jeden aufzubewahrenden Jahrs gesondert ermittelt. Dieser Betrag ist dann jeweils mit der Anzahl der Jahre bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu multiplizieren.
  • Zweite Möglichkeit: Die jährlich anfallenden rückstellungsfähigen Kosten können mit dem Faktor 5,5 multipliziert werden (arithmetisches Mittel der Jahre eins bis zehn). In der Praxis wird die Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen üblicherweise nach dieser Berechnungsmethode ermittelt. Eine Unterscheidung zwischen den zehn und sechs Jahre lang aufzubewahrenden Unterlagen kann in der Regel insoweit aus Vereinfachungsgründen unterbleiben. Die Aufwendungen für das Einscannen, die Einlagerung und Datensicherung fallen nur einmal an; sie sind deshalb nicht zu vervielfältigen.

Beispiel I: Aufbewahrung in digitaler Form

Das Einzelunternehmen X bewahrt seine Geschäftsunterlagen in digitaler Form am Arbeitsplatz des Büromitarbeiters auf. Zusätzlich wird eine Datensicherungs-DVD in einem Büroschrank verwahrt:

AfA und Unterhaltskosten für PC-Arbeitsplatz (anteilige Raumkosten für 2 qm zuzüglich anteilige AfA PC-Arbeitsplatz jährlich)

 600,00 €

(anteilige) AfA für den Büroschrank (jährlich)

100,00 €

Kosten für die Datensicherung (einmalig)

5,00 €

Die Rückstellung kann wie folgt berechnet werden:

anteilige Sachkosten für den PC-Arbeitsplatz

600,00 €

AfA für den Büroschrank

100,00 €

jährlich anfallende rückstellungsfähige Kosten

700,00 €

multipliziert mit Faktor 5,5 =

3 850,00 €

Kosten für die Datensicherung (einmalig)

5,00 €

Rückstellungsbetrag

3 855,00 €

Beispiel II: Aufbewahrung in Papierform

Das Einzelunternehmen X bewahrt seine Geschäftsunterlagen in Papierform in einem Nebenraum seines Betriebsgebäudes mit einer Größe von 10 qm auf. Nach dem Bilanzstichtag ist mit folgenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von (vorhandenen) Geschäftsunterlagen zu rechnen:

anteilige AfA und Unterhaltskosten für den Nebenraum (10 qm, jährlich)

800,00 €

AfA für Einrichtungsgegenstände (jährlich)

300,00 €

Kosten der Soft- und Hardware für die Lesbarmachung der Daten

200,00 €

Kosten für die Datensicherung (einmalig)

100,00 €

Die Rückstellung kann wie folgt berechnet werden:

anteilige AfA und Unterhaltskosten für den Nebenraum

800,00 €

AfA für Einrichtungsgegenstände

300,00 €

Kosten für die Hard- und Software zur Lesbarmachung der Daten 

  200,00 €

jährlich anfallende rückstellungsfähige Kosten

1 300,00 €

multipliziert mit Faktor 5,5 =

7 150,00 €

Kosten der Datensicherung

100,00 €

Rückstellungsbetrag

7 250,00 €