Verwaltung von geschlossenen KAGB-Fonds umsatzsteuerfrei möglich

Verwaltung von geschlossenen KAGB-Fonds umsatzsteuerfrei möglich – EuGH weitet Umsatzsteuerbefreiung für Fondsverwaltung aus

Urteil vom 9.12.2015 in der Rechtssache C-595/13, „Fiscale Eenheid X“ Problem

Problem

Die Verwaltung von Fonds kann umsatzsteuerfrei sein. Zur Fondsverwaltung zählen neben dem Portfolio- und dem Risikomanagement auch bestimmte administrative Tätigkeiten (z. B. Bewertung, Rechnungswesen, Meldewesen).

Gegenwärtig interpretiert Deutschland die entsprechende Vorgabe der Mehrwertsteuersystem- richtlinie (Art. 135 Abs. 1 lit. g MwStSystRL) sehr eng und stellt für die Steuerbefreiung gemäß

§ 4 Nr. 8 lit. h UStG u. a. auf „Investmentfonds im Sinne des deutschen Investmentsteuergesetzes“ ab. Damit liegt eine umsatzsteuerfreie Verwaltung nur für offene Fonds vor, die bei der Anlage ihres Ver- mögens bestimmte Anlagekriterien erfüllen (z. B. max. 20 % Unternehmensbeteiligungen, grds. nur kurzfristige Kreditaufnahme). Die Verwaltung von geschlossenen Fonds/Investmentvermögen hat der deutsche Gesetzgeber von der Umsatzsteuerbefreiung gänzlich ausgenommen.

Ein neues Urteil des EuGH zeigt, dass die Voraussetzungen, unter denen das deutsche Recht bisher die Umsatzsteuerbefreiung gewährt, zu eng sind.

Sachverhalt

Fiscale Eenheid X N. V. c. s. ist ein Immobilienfonds für institutionelle Investoren in der Rechtsform einer AG niederländischen Rechts. Den Investoren ist es möglich, während der Laufzeit des Fonds Anteile zu zeichnen. Der Fonds bildet eine steuerliche Einheit mit mehreren weiteren Gesellschaften (u. a. eine Managementgesellschaft). Umsatzsteuerlich werden sie als ein Unternehmer behandelt. Die Managementgesellschaft erbrachte gegenüber drei weiteren Gesellschaften, die nicht zu der genannten steuerlichen Einheit gehören und die durch mehrere Pensionsfonds gegründet wurden und sich mit dem Handel und der Bewirtschaftung von Immobilien beschäftigen, Dienstleistungen. Dazu gehörte u. a. die Tätigkeit als Geschäftsführerin der Gesellschaften, die Verwaltung des Ver- mögens der Gesellschaften, insbesondere ihrer Immobilien, Rechnungslegung, Datenverarbeitung und interne Buchprüfung.

Der Fonds war der Ansicht, dass sämtliche Tätigkeiten der Managementgesellschaft unter die Steuerbefreiung für die Verwaltung von Kapitalanlagegesellschaften fallen. Die niederländische Finanzverwaltung vertrat dagegen die Auffassung, nur der An- und Verkauf der Immobilien sowie die Akquisition neuer Anteilseigner sei umsatzsteuerbefreit.

EuGH: Urteil vom 9.12.2015 (C-595/13 Fiscale Eenheid X)

Im aktuellen Urteil vom 9.12.2015 präzisiert der EuGH die Voraussetzungen, die ein Investment- vermögen erfüllen muss, damit die Umsatzsteuerbefreiung Anwendung findet. Demnach kommt es entscheidend darauf an, dass der Fonds einer staatlichen Aufsicht unterliegt. Eine solche staatliche Aufsicht kann sich sowohl aus der OGAW-Richtlinie als auch aus der AIFM-Richtlinie ergeben. Außerdem muss der Fonds risikogemischt investieren. Unerheblich ist dagegen, in welche Vermö- gensgegenstände der Fonds investiert (Wertpapiere, Immobilien etc.).

Die restriktive Ausgestaltung der Umsatzsteuerbefreiung im deutschen Recht steht nach diesem Ur- teil im Widerspruch zum EU-Recht. Der EuGH hat in seinem Urteil die Kriterien beschrieben, anhand derer zu beurteilen ist, ob ein Investmentvermögen vorliegt, das umsatzsteuerfrei verwaltet werden kann. Das Vorliegen eines Rückgaberechts wird nicht als Kriterium genannt. Es ist daher davon auszugehen, dass auch ein geschlossener Fonds, der risikogemischt investiert und der aufgrund der AIFM-Richtlinie einer staatlichen Aufsicht unterliegt, umsatzsteuerfrei verwaltet werden kann. Nach dem EuGH-Urteil dürfte ferner die Verwaltung von offenen Fonds auch dann umsatzsteuerfrei sein, wenn die Anlagekriterien des deutschen Gesetzgebers nicht erfüllt werden.

Der EuGH hat sich in seinem Urteil nicht nur dazu geäußert, welche Kriterien ein Fonds im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung erfüllen muss. Er hat in dem Urteil außerdem entschieden, dass die Erbringung des Facility Managements für die Fondsimmobilien als „tatsächliche Bewirtschaftung  der Immobilien eines Sondervermögens“ nicht zur Fondsverwaltung zählt und somit auch nicht umsatzsteuerfrei erbracht werden kann. Facility Management sei keine Leistung, die gerade für Fonds typisch sei. Die Leistungen werden genauso erbracht, wenn Anleger direkt Immobilien halten.

Praxishinweise

Nach dem Urteil des EuGH können mehr Fonds als bisher umsatzsteuerfrei verwaltet werden, ins- besondere geschlossene KAGB-Fonds, wenn sie risikogemischt investieren.

Kapitalverwaltungsgesellschaften und Dienstleister sollten daher umgehend prüfen, welche Aus- wirkungen sich aus dem Urteil für sie ergeben und möglichen Handlungsbedarf aufdecken:

  • Ist die erbrachte Dienstleistung nach den Kriterien des EuGH umsatzsteuerfrei?
  • Kann von Vertragspartnern für die Vergangenheit die Umsatzsteuer zurückgefordert werden?
  • Müssen Leistungsbündel aufgeteilt werden?
  • Sind bestehende Verträge anzupassen?
  • Entfällt der Anspruch auf Vorsteuerabzug?

Wie schnell der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben aus dem aktuellen Urteil umsetzen wird, bleibt abzuwarten.

Kapitalverwaltungsgesellschaften und Dienstleister sollten sich unmittelbar auf die MwStSystRL beziehen und Veranlagungen offen halten.

Dokument

Umsatzsteuerbefreiung für Fondsverwaltung