Reform des Deutschen Corporate Governance Kodex gelungen

Die zuständige Regierungskommission hat Mitte vergangenen Jahres eine neue Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) in Kraft gesetzt. Charlotte Kulenkampff, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars, analysiert, welche Reformregeln sich als bislang tauglich erwiesen haben.

Seit Mitte 2022 gilt die Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK). Damit hat die zuständige Regierungskommission die Grundsätze und Empfehlungen für Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen aktualisiert und erweitert. Bei der Reform wurde besonderes Gewicht gelegt auf die nachhaltige Unternehmensführung. Vorstände sind nunmehr angehalten, die mit Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Chancen und Risiken für ihren Konzern sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch zu identifizieren und zu bewerten. Darüber hinaus gibt der Kodex vor, in der Unternehmensstrategie und -planung auch ökologische und soziale Ziele zu berücksichtigen.

Nachhaltigkeit nimmt eine immer größere Rolle ein

„Grundsätzlich bewerte ich die Reform als gelungen“, ordnet Charlotte Kulenkampff die Neufassung auf Basis ihrer bisherigen Erfahrungen ein. Die Anpassung des DCGK war aus ihrer Sicht notwendig geworden mit Blick auf die Vorschriften zahlreicher anderer Gesetze, die zuvor in Kraft getreten sind. Dazu zählen zum Beispiel das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) und das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG). „Gelungen und vorausschauend ist die stärkere Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten im DCGK“, sagt sie. „Das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Mit Blick auf weitere Gesetzesvorhaben, insbesondere auf EU-Ebene, zeigt sich, dass dieses Thema in den kommenden Jahren eine noch deutlich größere Rolle einnehmen wird.“

Aufsichtsräte müssen Outside-in und Inside-out im Blick haben

Der DCGK stellt dazu heraus, dass Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen des Unternehmensinteresses nicht nur wie bisher die Beeinflussung von Sozial- und Umweltfaktoren auf den Unternehmenserfolg (Outside-in-Perspektive) überwachen müssen, sondern auch die Auswirkungen der Unternehmenstätigkeiten auf Mensch und Umwelt (Inside-out-Perspektive) zu berücksichtigen haben. Durch die Leitlinien im Kodex ist der Vorstand nun unter anderem dazu angehalten, über das interne Kontrollsystem (IKS) und das Risikomanagementsystem (RMS), soweit nicht bereits gesetzlich geboten, auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abzudecken. „Dabei stellt der DCGK nunmehr klar, dass das IKS und RMS auch ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance-Management-System umfassen muss“, erläutert die Fachanwältin.

Positiv sieht sie auch die nachhaltigkeitsbezogenen Regelungen für den Aufsichtsrat. „Die Überwachungs- und Beratungstätigkeit des Aufsichtsrats wurde um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert. Konsequenterweise soll nunmehr eine unternehmensrelevante Nachhaltigkeitsexpertise im Aufsichtsrat sicherstellen, dass das Gremium seinen dementsprechenden Überwachungsaufgaben gerecht werden kann“, hebt Kulenkampff hervor. Dies spiegelt sich auch in den Anforderungen an die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses beziehungsweise in dem für den Prüfungsausschuss geforderten Sachverstand für die Nachhaltigkeitsberichterstattung wider.

Notwendige Kompetenzen können auf mehrere Personen verteilt sein

Mit einer neuen Qualifikationsmatrix werden die Unternehmen außerdem verpflichtet, in der Erklärung zur Unternehmensführung den Stand der Umsetzung des vom Aufsichtsrat verabschiedeten Kompetenzprofils zu berichten und in einer übersichtlichen Art und Weise darzustellen. „Ergänzend dazu hat die Regierungskommission klargestellt, dass sich diese Expertise nicht in einer Person zu bündeln braucht, sondern relevante Teilaspekte auch von verschiedenen Aufsichtsratsmitgliedern beigetragen werden können. Es wird somit Klarheit geschaffen, dass es bei der Expertise in Nachhaltigkeitsfragen auf den Gesamtaufsichtsrat und nicht auf das einzelne Mitglied ankommt“, führt Kulenkampff aus.

Unklar ist allerdings, welche Anforderungen an den Nachweis der Nachhaltigkeitsexpertise von Aufsichtsratsmitgliedern gestellt werden oder wie ein Mitglied des Prüfungsausschusses seinen oder ihren Sachverstand in Fragen der Nachhaltigkeitsberichterstattung und/oder deren Prüfung nachweisen kann. Die Frage ist im Grunde also: Über welche Nachhaltigkeitskompetenzen müssen entsprechende Expert*innen konkret verfügen? „Wichtig wäre im Fall der Einrichtung eines Prüfungs- und eines Nachhaltigkeitsausschusses, dass die jeweiligen Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit klar voneinander abgegrenzt werden“, ergänzt die Fachanwältin.

Zeitgemäß indes findet sie die Neuerungen in Bezug auf das Format der Aufsichtsratssitzungen, die nun an die veränderten technischen Voraussetzungen angepasst wurden. Die bislang im Kodex enthaltene Anregung, dass eine Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse über Telefon- oder Videokonferenzen nicht die Regel sein sollte, wurde in der Neufassung gestrichen. „Den Aufsichtsräten wird somit mehr Flexibilität in der Entscheidung eingeräumt, ob sie ihre Sitzungen in Präsenz, als Telefonkonferenzen in virtueller oder in hybrider Form abhalten wollen“, ordnet Kulenkampff die Neuregelung ein. „Dies ist insofern sinnvoll, als dass gerade während der COVID-19-Pandemie Sitzungen insbesondere in virtueller oder gemischter Form stattgefunden und somit an Bedeutung gewonnen haben.“ Im Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung soll zukünftig angegeben werden, wie viele der Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen in Präsenz oder als Video- oder Telefonkonferenzen durchgeführt wurden.

Luft nach oben bei der Geschlechter-Gerechtigkeit

Doch was ist bei der Reform weniger gelungen? Expertin Kulenkampff hat dazu eine klare Meinung: „Verbesserungsbedürftig sind die Vorgaben im DCGK zur Besetzung des Vorstands.“ Dem Kodex zufolge gewährleistet der Aufsichtsrat die gesetzlich geregelte Mindestbeteiligung der Geschlechter oder legt im Rahmen gesetzlicher Vorgaben Zielgrößen für den Anteil von Frauen im Vorstand fest. Dem Aktiengesetz in der Fassung des FüPoG II zufolge müssen allen börsennotierten Aktiengesellschaften, die zugleich paritätisch mitbestimmt sind und deren Vorstand aus mindestens vier Personen besteht, mindestens eine Frau und mindestens ein Mann angehören. „Für alle anderen börsennotierten Aktiengesellschaften, also mitbestimmungsfreie, drittelmitbestimmte oder solche mit weniger als vier Vorstandsmitgliedern, bleibt es bei der bisherigen Pflicht zur Festlegung von Zielen für die Beteiligung von Frauen“, erläutert Kulenkampff. „Kritisch sehe ich dabei, dass der Anwendungsbereich des Beteiligungsgebots beziehungsweise der Festlegung einer Zielgröße durch den abstrakten Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften nur sehr allgemein dargestellt wird und ohne genaue Kenntnis der Rechtslage nur schwer verständlich ist. Weiterhin hätte eine Empfehlung oder Anregung zur Vermeidung der Zielgröße ‚null‘ für die Vertretung von Frauen im Vorstand aufgenommen werden können.“

 

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