CO2-Regelwerk mit Tücken

Seit Oktober 2023 ist der CO2-Grenzausgleichmechanismus in Kraft. Die EU will damit Exporte verteuern, die nicht nachhaltig produziert wurden, um Wettbewerbsnachteile der heimischen Industrie auszugleichen. Auf die Unternehmen kommen mit der Regulierung jedoch zusätzliche Berichts- und Sorgfaltspflichten zu. Worauf es nun zu achten gilt, lesen Sie hier.

Von der medialen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hat die Europäische Union (EU) im Oktober vergangenen Jahres eine neue, weitreichende Klimaschutz-Verordnung auf den Weg gebracht: den CO2-Grenzausgleichmechanismus, kurz CBAM genannt (Carbon Border Adjustment Mechanism). Genau genommen betrifft der Mechanismus nicht nur die Emissionen von Kohlendioxid, sondern umfasst auch Distickstoffoxid (N2O) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (KFWs).

Ein neuer Einfuhrzoll soll Europa vor ruinösem Klima-Wettbewerb schützen

Die Direktive ist Teil der „Fit for 55“-Initiative, mit der die EU die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 reduzieren will. Der ambitionierte Plan hat zur Folge, dass vor allem auf energieintensive Branchen erhebliche Transformationskosten zukommen, die sie zum Teil bereits heute spüren. Mit dem Start des Emissionshandels in der EU im Jahr 2026 wird sich diese Dynamik aller Voraussicht nach weiter beschleunigen. Der CBAM zielt daher darauf ab, eine Verlagerung von Produktion – und damit CO2-Emissionen – in weniger regulierte Volkswirtschaften zu verhindern. Der Wirkmechanismus dafür: ein Kohlenstoffpreis auf bestimmte Importe von außerhalb der EU – faktisch also ein zusätzlicher Einfuhrzoll. Auf diese Weise, so die Überlegung dahinter, wird die hiesige Industrie vor billigen, weil nicht nachhaltig produzierten Exporten geschützt und Wettbewerbsnachteile für in der EU ansässige Unternehmen werden ausgeglichen.

Gute Idee – komplexe Umsetzung

Was prinzipiell eine gute Idee ist, bedeutet für die heimische Wirtschaft jedoch erst einmal zusätzliche Bürokratie und Regularien. Alle Unternehmen in der EU, die Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff und einige vor- und nachgelagerte Produkte aus Nicht-EU-Staaten importieren wollen, müssen dafür ab 2026 entsprechende Lizenzen kaufen. Anderenfalls werden finanzielle Strafen fällig.

Bis dahin gilt eine Übergangsphase, die am 1. Oktober 2023 gestartet ist. „In dieser Übergangsphase kommen schrittweise neue Meldepflichten auf die Unternehmen zu“, sagt Friederike von Borries, Customs Managerin bei Mazars. „Dazu gehört, dass sie bereits zum 31. Januar dieses Jahres einen Report erstellen und ihn an die Europäische Kommission schicken müssen.“ Bis spätestens zum 31. Januar 2024 muss die Registrierung auf der von der Europäischen Kommission eingerichteten Plattform, dem CBAM Transitional Registry, erfolgt sein. Zudem müssen Unternehmen im einzureichenden CBAM-Bericht über die betroffenen eingeführten Waren des vierten Quartals 2023 informieren. In dem Report ist aufzulisten, welche Waren aus welchen Ländern eingeführt werden und welche direkten und indirekten CO2-Emissionen bei der Produktion entstanden sind. „Dabei dürfen die Unternehmen fürs Erste mit Standardwerten operieren, die die EU vorgeben wird“, erläutert von Borries. „Auf lange Sicht dürfte es allerdings eher nachteilig sein, diese Werte zu verwenden, wenn der Handelspartner außerhalb der EU seine klimaneutrale Produktion vorantreibt. Dann wäre es besser, wenn betroffene Unternehmen die tatsächlichen CO2-Emissionen ihrer Importwaren Schritt für Schritt erheben und laufend aktualisieren.“ Potenzieller Haken dabei: Ähnlich wie beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind die Firmen auf spezifische Daten des Herstellers der CBAM-Ware angewiesen, um die CO2-Import-Bilanz zu erstellen.

Übergangsphase reicht bis Ende 2025

Bis Ende 2025 jedoch ist der Import zunächst weiter ohne Lizenz möglich. Im Folgejahr wird es für betroffene Unternehmen dann aber ernst. Auf sie kommen weitreichende Verpflichtungen zu (siehe Kasten). Möglich ist allerdings, diese Pflichten auf einen Handelspartner in der EU zu übertragen, über den der Import abgewickelt wird.

To-dos für Unternehmen, die vom CBAM betroffen sind:

  • Status eines zugelassenen CBAM-Anmelders bei der zuständigen lokalen Behörde (in Deutschland noch offen) beantragen
  • direkte und indirekte Emissionen für die Waren berechnen, die von außerhalb der EU importiert werden
  • Emissionsangaben durch akkreditierte Prüfer*innen überprüfen lassen (ab 2026)
  • CBAM-Zertifikate in der entsprechenden Importmenge kaufen (ab 2026)
  • bis 31. Mai eines jeden Kalenderjahres CBAM-Erklärung abgeben, die die mit den Importen von außerhalb der EU verbundenen Emissionen aus dem Vorjahr auflistet. Spätestens zu diesem Stichtag müssen Unternehmen auch die CBAM-Zertifikate abgeben

Welche konkreten Kosten kommen damit auf Unternehmen in der EU zu? Ganz genau lässt sich das nur im Einzelfall bestimmen. Die finanziellen Auswirkungen hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab – unter anderem davon, wie CO2-intensiv der Produktionsprozess des Lieferanten ist, welche emissionsarmen Alternativen verfügbar sind und zu welchem Preis CO2 jeweils am Markt gehandelt wird.

Für betroffene Unternehmen besteht Handlungsbedarf

Angesichts dieser komplexen Gemengelage sieht die Mazars Expertin bei betroffenen Unternehmen unmittelbaren Handlungsbedarf. „Zwei Jahre bis zum Ende der Übergangsphase – das scheint auf den ersten Blick noch großzügig zu sein. Doch die Implementierung der entsprechenden Melde- und Datenprozesse erfordert Zeit und Projektinvestitionen. Letztlich ist jedes importierte Kleinteil in der Vorproduktion vom CBAM betroffen. Da kommen je nach Produktionsprozess Tausende Artikel zusammen, deren Emissionen erhoben werden müssen“, warnt Friederike von Borries. „Auch sollten die Unternehmen die Folgen auf ihre Lieferantennetzwerke und ihre Importtätigkeit abschätzen, um ab 2026 Geldstrafen, Imageschädigung und Unterbrechungen der Lieferketten zu vermeiden. Hierbei ist auch die Mitwirkung des Aufsichtsrats gefordert.“

Auf Basis dieser Bewertung lassen sich alternative Beschaffungsstrategien entwickeln und vorhandene anpassen, um den CO2-Fußabdruck nachhaltig zu reduzieren, hebt sie hervor. „So lassen sich strategische Investitionsentscheidungen treffen, die langfristig Wettbewerbsvorteile generieren und die Produktpalette optimieren. Davon wird nicht zuletzt die Wirtschaft in der EU wahrscheinlich profitieren.“

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