Neues Marktdesign für mehr Auswahl und Qualität auf dem Prüfungsmarkt

Die Leistungen von Wirtschaftsprüfern sind eine wichtige Arbeitsgrundlage für Aufsichtsrät*innen, um ihre Kontrollfunktion effizient zu erfüllen. Doch der Wirecard-Skandal hat das Vertrauen in die Wirtschaftsprüfungs-Branche zerrüttet. Wie die Funktionsdefizite auf dem Prüfungsmarkt gelöst werden können, zeigt eine neue Studie.

Wirtschaftsprüfer gewährleisten, dass Finanzinformationen ordnungsmäßig, verlässlich sowie gesichert sind. Damit nehmen sie eine bedeutende Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Aktionär*innen, Lieferant*innen, Kund*innen und Mitarbeiter*innen verlassen sich bei ihren wirtschaftlichen Entscheidungen auf die Prüfungsergebnisse. Aber auch für Kontrollgremien im Unternehmen wie dem Aufsichtsrat ist das Testat eines Abschlussprüfers eine wichtige Informationsquelle für einen möglichst objektiven Einblick in die Rechnungslegung und damit verbundene Unternehmensbereiche. Die Prüfer*innen sind außerdem direkte Ansprechpartner*innen der Aufsichtsratsmitglieder, um kritische Aspekte zu diskutieren. Als Kontrollorgan, aber auch als strategischer Partner kann der Aufsichtsrat auf diese Weise mit fundiertem Wissen die Geschäftsführung des Unternehmens unterstützen.

Prüfungsgesellschaften tragen aus diesen Gründen eine hohe Verantwortung gegenüber ihren Mandant*innen, erfüllen dabei aber auch eine grundlegende öffentliche Aufgabe. Bilanzskandale wie der Fall Wirecard haben allerdings das Vertrauen in den Wirtschaftsprüfungsmarkt erschüttert und zeigen Mängel in den Marktmechanismen auf.

Marktkonzentration verhindert Wettbewerb

Dass die Politik dringend handeln muss, unterstreicht die jüngste Studie des Beratungsunternehmens Düsseldorf Competition Economics (DCE), durchgeführt im Auftrag von Mazars in Deutschland. Die Studienautor*innen um Prof. Dr. Justus Haucap kommen sogar zu dem Schluss, dass durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die Marktkonzentration noch zunehmen könnte, wenn sich die Prüfung der finanziellen und nichtfinanziellen Berichterstattung „aus einer Hand“ durchsetzt. Diese Entwicklung hätte das Potenzial, kleinere und mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften noch stärker zurückzudrängen. In der Folge würde die Marktkonzentration entsprechend ansteigen und die Wettbewerbsintensität weiter abnehmen.

Schon in der Vorgängerstudie von 2022 hatte das DCE die strukturellen Probleme des Wirtschaftsprüfungsmarkts herausgearbeitet und das Oligopol der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big 4) als Hindernis für echten Wettbewerb beschrieben. Diese Marktkonzentration schränkt vor allem Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannte Public Interest Entities, kurz PIEs) bei der Wahl ihres Abschlussprüfers ein. Die Ursache dafür sind Markteintrittsbarrieren für kleine und mittlere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sowie regulatorische Maßnahmen.

Dagegen könnte Transparenz auf dem Prüfungsmarkt die Vielfalt des Angebots fördern. Denn wenn es um die Wahl des Abschlussprüfers geht, bringen im Vergleich auch kleinere und mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das geeignete Spezialwissen und das internationale Netzwerk mit. Doch aufgrund der hohen Sichtbarkeit und Reputation der Big 4 sowie auch der erheblichen Verantwortung, die Aufsichtsräte bei der Prüferbestellung tragen, fällt die Wahl tendenziell meist zugunsten der vier großen Prüfungsgesellschaften aus. Was Entscheidungsträger*innen wie Aufsichtsrät*innen daher brauchen, um einen Wirtschaftsprüfer beurteilen zu können, ist Transparenz auf dem Markt und eine gute Übersicht der verfügbaren Anbieter und ihrer Leistungen.

Ein Marktdesign für mehr Qualität und Wettbewerb

Einzelmaßnahmen führen allerdings nicht zu mehr Qualität und Wettbewerb auf dem Wirtschaftsprüfermarkt. Das ist eine Erkenntnis aus der aktuellen Studie. Die Autor*innen sprechen sich stattdessen für ein umfassendes neues Marktdesign aus, das die Bedürfnisse der Unternehmen, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und des Staates berücksichtigt.

Zu den Anforderungen der Unternehmen an ihre Abschlussprüfer gehören unter anderem internationale Präsenz, Expertise, Erfahrung, Reputation und Preisgestaltung sowie selbstverständlich die Qualität der Abschlussprüfung, die letztlich speziell der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats mitverantwortet. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wiederum richten ihr Augenmerk auf die Planungssicherheit und Kalkulierbarkeit ihrer Investitionen. Für den Staat schließlich sind im allgemeinen Interesse zuverlässige Finanzinformationen, stabile Finanzmärkte und ein vielfältiger, wettbewerbsorientierter Markt wichtig.

Die strukturelle Ungleichheit im aktuellen Marktgeschehen wird deutlich, wenn man die unterschiedlichen Interessenlagen der drei Hauptakteure betrachtet: Kleine und mittlere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften halten sich aufgrund mangelnder Planbarkeit dabei zurück, die erforderlichen Kapazitäten aufzubauen, die Unternehmen bei der Auswahl ihrer Abschlussprüfer voraussetzen. Das verstärkt die Positionen der Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und damit den „Lack of Choice“ für Unternehmen und ihre Kontrollorgane bei der Wahl von Abschlussprüfern. Hier zeigt sich besonders deutlich das strukturelle Problem des Wirtschaftsprüfungsmarktes, so, wie er aktuell gestaltet ist.

Vier-Augen-Prinzip steht im Mittelpunkt

Eine Reform des Wirtschaftsprüfungsmarktes sollte Regeln und Anreize umfassen, die ermöglichen, Funktionsdefizite nach und nach abzubauen. Dafür schlagen die Studienautor*innen mit dem Choice & Quality Framework ein Marktdesign vor, das um die Prinzipien des Joint Audits herum aufgebaut ist.

Bei einem Joint Audit verpflichtet der Gesetzgeber die Unternehmen, die Abschlussprüfung in die Hände von zwei Prüfungsgesellschaften zu geben. Der Vorteil des Verfahrens: mehr Objektivität im Prüfungsprozess, Fehlerminimierung und eine höhere Prüfungsqualität durch das Vier-Augen-Prinzip und die damit verbundenen Cross Reviews, durch die sich die Prüfungsgesellschaften ein Urteil über die Prüfungsergebnisse und -feststellungen des jeweils anderen Prüfungspartners bilden und diese würdigen können. Von einer höheren Verlässlichkeit der Ergebnisse sowie der Expertise von zwei Prüfern profitiert auch der Aufsichtsrat.

Verpflichtende Joint Audits könnten letztlich auch dazu beitragen, die strukturellen Marktdefizite zu reduzieren: Erst wenn kleinere und mittlere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Möglichkeit bekommen, die Abschlussprüfungen von PIEs durchzuführen, lohnen sich für sie auch die nicht unerheblichen Investitionen in IT-Strukturen, Prüfungs-Tools, Personal, Qualitätsmanagement-Systeme und die internationale Präsenz. Denn Joint Audits würden ihnen ermöglichen, die erforderliche Reputation und Erfahrung aufzubauen, die sie auch für künftige Mandanten attraktiv machen. So ließe sich der Knoten lösen, der die Weiterentwicklung des Marktes bisher blockiert.

Haftungsfragen noch offen

Im Zusammenhang mit dem Choice & Quality Framework und Joint Audit als Kernelement gilt es auch, die Haftungsfrage zu klären, insbesondere im Kontext der sich aus dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) ergebenden Haftungsverschärfungen. Diese haben zuerst erhöhte Versicherungsprämien bewirkt und im Anschluss an die gestiegenen Kosten und Risiken dazu geführt, dass sich kleine und mittelgroße Prüfungsgesellschaften komplett aus dem PIE-Segment zurückzogen. Gefragt sind daher neue Haftungsregeln, die sicherstellen, dass erschwingliche Versicherungen verfügbar sind. Da bei Joint Audits beide Abschlussprüfer haften, wäre es sinnvoll, sich bei der Haftungssumme am Mandat oder Honorar zu orientieren.

Öffnungsklausel ohne Alternative

Das Choice & Quality Framework zielt darauf ab, die Marktanteile kleinerer und mittelständischer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu erhöhen und so die Qualität und Anbietervielfalt zu steigern. Die Umsetzung der CSRD könnte das Gegenteil bewirken, wenn sich die „Prüfung aus einer Hand“ durchsetzt. Aufsichtsräten und Geschäftsführungen mag es zunächst sinnvoll erscheinen, wenn die Prüfung des Konzern- bzw. Jahresabschlusses und der Nachhaltigkeitsberichte durch denselben Abschlussprüfer erfolgt. Doch den möglichen Synergieeffekten steht die fehlende Auswahl auf dem Prüfungsmarkt gegenüber, wenn nämlich die Marktkonzentration der Big 4 abermals steigt – zum Nachteil aller Stakeholder. Eine Lösung könnte sein, bei der Umsetzung der CSRD in nationales Recht die „Öffnungsklausel“ anzuwenden und so die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch andere Wirtschaftsprüfer zu ermöglichen. Diese würde weiterhin von kompetenten Abschlussprüfer*innen durchgeführt – aber eben von kleineren und mittelgroßen Prüfungsgesellschaften.

Der Ball liegt nun bei der Politik

Die Studie zeigt, dass eine höhere Anbietervielfalt auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt erforderlich ist, um Systemrisiken zu reduzieren. Doch die Einführung von Joint Audits allein genügt nicht. Zusätzlich werden weitere Maßnahmen nötig sein, um die Marktstruktur insgesamt zu verändern. Denn potenzielle Wettbewerber sind aus wettbewerbsökonomischer Sicht wichtig, damit das Preis-Leistungs-Verhältnis im Markt nicht kippt. Ohne die kleinen und mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die das Angebot auf dem Prüfungsmarkt vervielfältigen, besteht die Gefahr, dass die Preise für die Prüfungsleistungen steigen, während die Prüfungsqualität gleichzeitig sinkt – den potenziellen Schaden müssten dann die Auftraggeber*innen wie auch die Wirtschaft im Allgemeinen schultern, sollten sich Fälle wie Wirecard wiederholen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die Regulierungen entsprechend anpasst, damit Abschlussprüfer ihrer gesellschaftlichen Rolle noch besser gerecht werden und die Aufsichtsräte somit bei ihren Aufgaben und Pflichten umfassend unterstützen können.

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