Serie: Aufsichtsräte als Treiber der Transformation (Teil 1)

Geschäftsmodelle verändern sich schnell. Daten werden in Echtzeit geliefert und analysiert. Der Aufsichtsrat braucht künftig wesentlich mehr Know-how in Sachen Digitalisierung, um seine Aufgabe zu erfüllen.

Die Digitalisierung wirkt sich auf vielen Ebenen auf Unternehmen aus. Mithilfe moderner Technologie lassen sich Prozesse vereinfachen und die Abteilungen eines Unternehmens besser vernetzen. Viele Firmen richten ihre Strategie neu aus. „Im Zuge der Digitalisierung kommt es zu einem Wechsel von produkt- zu serviceorientierten Geschäftsmodellen“, sagt Christian Sengewald, Partner bei Mazars in der Service Line Consulting mit Schwerpunkt Transformation im Finanzbereich. Ein Beispiel dafür ist die Automobilindustrie: Dort gewinnen Abomodelle an Bedeutung, bei denen Kund*innen das Auto nicht mehr kaufen, dafür aber das Recht haben, verschiedene Autos nutzen zu können. Sie können auch weitere digitale Dienste und Funktionen hinzubuchen. Der Anteil des Umsatzes von Dienstleistungen wird bei vielen Unternehmen zunehmen.

Viele Prozesse in Unternehmen lassen sich im Zuge der Digitalisierung effizienter gestalten und anschließend automatisieren. Im Blickpunkt des Wandels steht vor allem die Finanzabteilung. Hier laufen wichtige Unternehmensdaten zusammen. „Lag der Schwerpunkt der Arbeit des Finanzchefs oder der Finanzchefin in der Bearbeitung transaktionaler Tätigkeiten und dem Reporting mit Blick auf die Vergangenheit, besteht nun die Möglichkeit, stärker in die Zukunft zu blicken. Der oder die CFO liefert als Business Partner wichtige Analysen für die Steuerung des Unternehmens“, betont Sengewald. Bislang verbrachten die Mitarbeiter*innen der Finanzabteilung sehr viel Zeit mit manuellen Tätigkeiten, dem Zusammensuchen und Abstimmen der notwendigen Daten. In Zukunft werden Arbeiten für den Geschäftsabschluss stärker vorverlagert und automatisiert.

Finanzabteilungen stehen vor einer Phase der Automatisierung

Mit der Automatisierung werden Kapazitäten frei, die die Mitarbeiter*innen der Finanzabteilung nun für Aktivitäten mit echtem Mehrwert nutzen können. „Auch wegen der demografischen Entwicklung und der Knappheit von Fachkräften sollten Finanzabteilungen Prozesse so weit wie möglich automatisieren. Und sich spätestens jetzt intensiv damit auseinandersetzen, welche Technologien verfügbar sind und wie sie sie einsetzen können. Ein Beispiel dafür ist ChatGPT“, empfiehlt Sengewald. Die freiwerdenden Kapazitäten kann der oder die CFO nutzen, um zusammen mit den Fachbereichen Innovationen voranzutreiben und eine echte Steuerungswirkung zu realisieren.

Insbesondere transaktionale Tätigkeiten sind schon lange im Fokus der Automatisierung. Mit den neuen und verbesserten Technologien und zunehmender Regulatorik, zum Beispiel im Hinblick auf die steigenden Anforderungen zum Rechnungsaustausch, können und müssen Unternehmen diese Aufgaben perspektivisch nahezu vollständig automatisieren.

Mithilfe von Data Analytics lassen sich schon jetzt große Datenmengen verarbeiten. Die Technologie macht es möglich, mehr Daten als bisher zu erfassen, zu analysieren und auszuwerten. So lassen sich Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und es lässt sich entsprechend gegensteuern. Auf diese Weise können Unternehmen z. B. zum Beispiel früher auf Probleme in der Lieferkette oder auf ein verändertes Bestellverhalten ihrer Kund*innen reagieren.

Dank Predictive Analytics lassen sich zum Teil auch automatisiert gute Vorhersagen für die Zukunft treffen. Damit liefert die Finanzabteilung wichtige Informationen, die die Basis für unternehmerische Entscheidungen bilden. Gerade in den aktuell unsicheren Zeiten sowie einem sich schnell ändernden Umfeld können diese Analysen existenziell wichtig sein.

Dank digitaler Lösungen lassen sich Abteilungen auch immer stärker miteinander vernetzen. Durch Workflowlösungen lässt sich die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit weiter verbessern. Was auch dafür sorgen kann, das Silodenken zwischen den Abteilungen aufzulösen und den Blick auf den Gesamtprozess zu schärfen.

Neue Arbeitsweise für den Aufsichtsrat

Doch was bedeuten all diese Entwicklungen konkret für den Aufsichtsrat? „Er muss seine Arbeitsweise ändern. Sich zweimal im Jahr zu treffen, wird in Zukunft nicht mehr den veränderten Anforderungen gerecht werden“, sagt Sengewald. Das Kontrollgremium braucht nach seinen Worten Zugang zu den Echtzeitdaten, um das Geschäft kontinuierlicher verfolgen zu können. „Nur so kann das Gremium seine Kontrollfunktion ausüben.“ Ändern wird sich laut Sengewald auch die Art der Kommunikation. Digitales Reporting wird stark an Bedeutung gewinnen – auch bei der Arbeit des Aufsichtsrats.
In Zukunft werden Unternehmen schneller auf veränderte Marktbedingungen reagieren und Produkte sowie Dienstleistungen anpassen. Entsprechend schnell muss auch das Kontrollgremium in Zukunft agieren und reagieren. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden sich häufiger austauschen und auch den intensiveren Kontakt mit Vorstand und Geschäftsführung suchen müssen.

Der Aufsichtsrat kann nur dann Sparringspartner für den Vorstand sein, wenn er mit ihm auf Augenhöhe spricht. „Das kann nur gelingen, wenn der Aufsichtsrat Know-how im Umgang mit Digitalisierung und Daten hat“, erklärt Sengewald. Zum Beispiel, indem er gezielt Spezialist*innen mit besonderen Digitalkenntnissen beruft oder sich selbst permanent fortbildet. Digitales Know-how macht es möglich, Unternehmen zu überwachen. Immer wichtiger wird es in Zukunft auch, dass der Aufsichtsrat positive Impulse für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells gibt.

 

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