Kleine Nachrichten erhalten die Freundschaft

Das mediale Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren rasant gewandelt. Dies sollten Unternehmen bei ihrer Stakeholder-Kommunikation berücksichtigen. Geschäftsführung und Aufsichtsrat sind gefordert, über digitale Kanäle auch außerhalb der regelmäßigen Berichtstermine den Informationserwartungen einzelner Bezugsgruppen nachzukommen. Was dabei strategisch beachtet werden sollte.

Vordergründig ist es eine Binsenweisheit: Am Finanzmarkt und gegenüber Banken ist eine nachhaltig gute Kommunikation ein essenzieller Erfolgsfaktor. Damit gewinnen und sichern sich Unternehmen das Vertrauen von Anleger*innen – und erhalten den Zugang zu ihrer üblicherweise wichtigsten Finanzierungsquelle. Viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen das. Doch gerade in Zeiten, die von hoher Unsicherheit geprägt werden, sind Geschäftsführung und Aufsichtsrat gefordert, auch die Informationsbedürfnisse andere wichtiger Bezugsgruppen im Auge zu behalten und zu bedienen. Bezugsgruppen wie etwa Nachbarschaftsinitiativen, Umweltaktivist*innen oder Mitarbeiter*innen können ihre Interessen über moderne digitale Kommunikationsplattformen sehr viel effizienter und zügiger organisieren, als das noch vor wenigen Jahren möglich war.

Nichtkommunikation erzeugt Raum für Unsicherheit und Missverständnisse

Es kommt für Unternehmen darauf an, mit klaren, strukturierten und regelmäßigen Kommunikationsinitiativen und -strategien die kommunikativen Erwartungen einzelner Stakeholder zu adressieren. Gerade in Change- und Krisenphasen können sich anderenfalls Informationsvakua sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die Anteilseigner*innen erheblich nachteilig auswirken. Doch die Frage bleibt: Wie sieht eine moderne, bezugsgruppengerechte Unternehmenskommunikation aus? Die über einen Adressverteiler und auf der Homepage veröffentlichte Pressemitteilung „alter Prägung“ ist dafür fehl am Platze. „Eine professionelle Unternehmenskommunikation, insbesondere Investor Relations, überzeugt vor allem durch ein hohes Maß an Transparenz bei entscheidungsrelevanten Informationen“, sagt Henning Zülch. Er ist Professor für Accounting and Auditing an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

Konstruktiver Druck in Sachen Kommunikation fehlt bei vielen Mittelständlern

Doch gerade Mittelständler und ihre Organvertreter*innen sind hier oftmals schlecht aufgestellt. Anders als börsennotierten Konzernen fehlt vielen von ihnen der Druck durch die informationsgetriebene Financial Community, die hohe Ansprüche an die Qualität und den Rhythmus entscheidungsrelevanter Unternehmensinformationen stellt – und das nicht erst seit der Coronakrise. „Vor dem Hintergrund der sich ständig ändernden Situation am Kapitalmarkt, aber auch bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der gleichzeitig voranschreitenden Digitalisierung gewinnt eine effektive Finanzkommunikation in Richtung Banken und Investoren zweifellos immer mehr an Bedeutung“, stellt Zülch fest. Die Kommunikation im Rahmen der Investor Relations (IR) repräsentiert seiner Einschätzung zufolge gewissermaßen das „Backend“ des Unternehmens zum Kapitalmarkt mit der Aufgabe, alle Marktteilnehmer*innen mit entscheidungsrelevanten Informationen zu versorgen. Entscheidend dabei ist, sämtliche Kommunikationskanäle strategisch digital auszurichten.

Das bedeutet: Aufsichtsrat und Management müssen über ihre Teams zum Beispiel nicht nur die IR-Website mit Inhalten füllen, sondern auch die Aktivitäten auf Social Media-Plattformen im Blick haben und hier Präsenz zeigen. Andererseits sollten sie auch Aktivitäten von Stakeholdern des Unternehmens dort im Blick haben, um gegebenenfalls frühzeitig für einen Shitstorm gerüstet zu sein.

Für Kommunikationsexperte Zülch müssen Unternehmen dabei das Rad nicht unbedingt neu erfinden. Von Trendsettern und Vorreitern, die in kommunikativer Hinsicht Maßstäbe setzen, lassen sich ihm zufolge drei wichtige Lektionen lernen. Er verweist dabei auf die Erfahrungen im Wettbewerb „Investors' Darling“, den die HHL Leipzig Graduate School of Management seit 2014 jährlich zusammen mit dem „Manager Magazin“ organisiert. Dabei ist die Qualität der IR-Arbeit neben der Reporting-Qualität und den Reaktionen am Kapitalmarkt zwar ein wesentlicher Analyseteil. An diesem Maßstab und erfolgreichen Strategien und Konzepten auf diesem Kommunikationsfeld können sich aber auch die allgemeine Unternehmenskommunikation und Werbung sowie Public Relations gut orientieren.

Weitere Professionalisierung der IR-Arbeit erkennbar

„Zahlreiche Unternehmen am deutschen Kapitalmarkt haben sich im Bereich IR in den vergangenen Jahren verbessert und weiter professionalisiert“, beobachtet Zülch. Dabei punkten Unternehmen, die am Markt die kommunikative Benchmark setzten, mit einer sehr guten Website, einem optimierten Online-Geschäftsbericht mit modernen Features sowie umfassenden Präsentationen, die sich frei herunterladen lassen. „Es gilt der Grundsatz: Professionalität schafft Vertrauen“, sagt der HHL-Professor.

Digitale Kommunikation folgt neuen Spielregeln

Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren nicht nur im Bereich der IR-Arbeit, sondern auf allen Feldern der Unternehmenskommunikation wesentlicher Treiber und Trendfaktor sein. Diese Entwicklung stelle vor allem Geschäftsführer*innen und Aufsichtsrät*innen, die im Umgang mit neuen Medienplattformen bislang nur wenig Erfahrung haben, vor Herausforderungen. „Nahezu alle Unternehmen, die wir analysiert haben, konnten sich im Zeitablauf im Bereich Digital Communication entscheidend verbessern“, stellt Zülch fest. „Der Schlüssel zum Erfolg war hier insbesondere die Minimierung der Suchkosten für Kapitalmarktakteure, gleichermaßen natürlich auch anderer Stakeholder, durch die gezielte Bereitstellung entscheidungsrelevanter Finanzinformationen in digitaler Form.“

Neue digitale Tools erfordern vermehrte Investitionsbereitschaft

Für Unternehmen, die im Bereich Digital Communication stagnieren, sieht der Experte in Zukunft deutliche Schwierigkeiten. „Unternehmen, die sich nachhaltig Kapitalquellen sichern und am Markt präsent sein wollen, müssen vorrangig in der Finanzkommunikation, aber auch in anderen Disziplinen mit Qualität glaubwürdig überzeugen. Entscheidend dafür ist, auch in der Unternehmenskommunikation mit der Zeit zu gehen und in neue digitale Tools zu investieren.“ Gerade in Zeiten, die wie jetzt von Multi-Krisen geprägt sind, ist dies für ihn eine notwendige Bedingung, damit ein Unternehmen von Investoren und anderen Stakeholdern als verlässlicher Partner wahrgenommen wird.

 

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