Unentgeltliche Zuwendungen und Vorsteuerabzug – BMF-Schreiben vom 24. Januar 2024

Das BMF passt sich der Rechtsprechung von EuGH und BFH an: In bestimmten Fällen berechtigen auch Eingangsleistungen, die nur mittelbar mit besteuerten Ausgangsumsätzen zusammenhängen, zum Vorsteuerabzug.

Hintergrund

Nach der früheren Rechtsprechung des BFH musste zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen, damit der Vorsteuerabzug zulässig war. In der vom XI. Senat des BFH vorgelegten Fall „Mitteldeutsche Hartsteinindustrie“ entschied der EuGH aber anders (Urteil vom 16. September 2020, C-528/19): Die Klägerin hatte von der Stadt die Genehmigung zum Betrieb eines Kalksteinbruchs erhalten – unter der Maßgabe, dass die Klägerin auf ihre Kosten eine Gemeindestraße so ausbaute, dass sie den entsprechenden Schwerlastverkehr aufnehmen konnte. Die Straße stand auch nach dem Ausbau der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Da die Ausbauarbeiten nicht über das hinausgegangen seien, was erforderlich gewesen sei, um der Klägerin den Betrieb des Kalksteinbruchs zu ermöglichen, und die Ausbaukosten zu den Kostenelementen der besteuerten Ausgangsumsätze gehört haben, stehe der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zu. Dem stehe nicht entgegen, dass auch die Allgemeinheit kostenlos auf der Straße fahren könne, denn die Ausbauarbeiten haben nicht der Allgemeinheit (die auch vorher schon auf der Straße habe fahren können) gedient, sondern der Anpassung an die Bedürfnisse des Kalksteinbruchs.

Es liege auch keine unentgeltliche Wertabgabe der Klägerin vor, da die Ausbauarbeiten den Bedürfnissen des durch den Kalksteinbruch nötigen Schwerlastverkehrs dienten und der Vorteil der Allgemeinheit allenfalls nebensächlich sei. Somit komme es nicht zu einem unversteuerten Endverbrauch der Eingangsleistungen, was aber bei unionsrechtskonformer, reduzierter Auslegung Voraussetzung für eine unentgeltliche Wertabgabe sei.

Der BFH schloss sich dem Urteil des EuGH an und gab seine anderslautende bisherige Rechtsprechung ausdrücklich auf (Urteil vom 6. Dezember 2020, XI R 26/20).

BMF-Schreiben

Das BMF ändert den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend und orientiert sich dabei eng am Sachverhalt der Rechtsprechung. In einem neuen Abschnitt 15.2b Abs. 2 wird hinsichtlich des Vorsteuerabzugs angeordnet, dass grundsätzlich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und einer besteuerten Ausgangsleistung erforderlich ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Eingangsleistung

  • unentgeltlich an einen Dritten weitergeleistet werden soll,
  • dabei zugleich eine eigene unternehmerische Tätigkeit ermöglicht wird,
  • die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich bzw. unerlässlich ist, um diesen Zweck zu erfüllen,
  • die Kosten der Eingangsleistung Bestandteil des Preises der Ausgangsleistungen sind und
  • der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist.

Um jedes Missverständnis auszuschließen, stellt das BMF nochmals ausdrücklich klar, dass nur insoweit ein nur mittelbarer Zusammenhang für den Vorsteuerabzug ausreicht. Weiter gehende Interpretationen des EuGH-Urteils „Mitteldeutsche Hartsteinindustrie“ erstickt das BMF damit im Keim und konkretisiert: Ein solcher Leistungsbezug ist nicht schon deswegen erforderlich bzw. unerlässlich, weil er sich allein aus der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (z. B. einer behördlichen Auflage) begründet. Wenn die Aufwendungen über das Erforderliche/Unerlässliche hinausgehen, kommt ein teilweiser Vorsteuerabzug in Betracht.

Hinsichtlich der Reichweite der unentgeltlichen Wertabgabe ergänzt das BMF den Abschnitt 3.2 UStAE um einen Absatz 4. Demnach ist § 3 Abs. 1b und 9a UStG unionsrechtskonform einschränkend dahin gehend auszulegen, dass eine unentgeltliche Wertabgabe nicht zu besteuern ist, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht. Es folgen eine Konkretisierung in enger Anlehnung an die Rechtsprechung und eine Negativabgrenzung.

Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Einordnung

Unverständlich ist, dass eine behördliche Auflage keine Erforderlichkeit/Unerlässlichkeit für das Unternehmen begründen soll.

Dass der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit allenfalls nebensächlich sein darf, ergibt sich nicht aus dem EuGH-Urteil „Mitteldeutsche Hartsteinindustrie“. Diesen Schluss hatte vielmehr erst der BFH in seinem Folgeurteil gezogen und sich dabei auf die EuGH-Entscheidung „Vos Aannemingen“ (1. Oktober 2020, C-405/19) bezogen. Dort hatte der EuGH allerdings sehr deutlich gemacht, dass Vorteile Dritter nur unter dieser Voraussetzung den Vorsteuerabzug unberührt lassen. Für Unternehmer, die Erschließungsmaßnahmen durchführen, ist diese zusätzliche Voraussetzung problematisch, da Erschließungsmaßnahmen ggf. trotz ihrer Unerlässlichkeit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, wenn der Allgemeinheit ein größerer Vorteil erwächst. Wie ein Vorteil der Allgemeinheit zu qualifizieren ist, dürfte in Zukunft zum Streitthema werden.

Während der EuGH im Fall „Mitteldeutsche Hartsteinindustrie“ entschieden hatte, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen für die Erschließung und den besteuerten Ausgangsumsätzen vorliegt, bezeichnete der BFH in seinem Nachfolgeurteil den Zusammenhang als nur mittelbar. Seine bisherige Rechtsprechung, nach der ein nur mittelbarer Zusammenhang für den Vorsteuerabzug nicht ausreichte, gab er sogar ausdrücklich auf. Dies hatte zu Überlegungen angeregt, ob die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in Zukunft generell etwas lockerer gehandhabt und auch mittelbare Ziele berücksichtigt werden können. Das BMF übernimmt in seinem Schreiben zwar die Einordnung des Zusammenhangs als nur mittelbar, spielt aber bei einer Ausdehnung des Vorsteuerabzugs auf andere Fälle eines nur mittelbaren Zusammenhangs von Aufwendungen mit besteuerten Ausgangsumsätzen nicht mit.

Auch hinsichtlich der unentgeltlichen Wertabgabe ist genau zu prüfen, ob der Vorteil des Zuwendungsempfängers höchstens nebensächlich ist – nur dann besteht kein unversteuerter Endverbrauch, sodass die unentgeltliche Wertabgabe entfällt. Daher hält das BMF auch an seinem Schreiben vom 7. Juni 2012 zu den Erschließungskosten fest, da die dort geschilderten Fälle einen unversteuerten Endverbrauch nach sich ziehen. Das Schreiben kann zukünftig zur Abgrenzung herangezogen werden.

Autorin

Nadia Schulte
Tel.: +49 211 83 99 330