BMF legt Entwurf eines Schreibens zur bewegten Lieferung im Reihengeschäft vor

Seit dem 1. Januar 2020 gelten, basierend auf einer Änderung der MwStSystRL, im Umsatzsteuergesetz neue Regeln zur Bestimmung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft. Obwohl das neue EU-Recht in weiten Teilen den bereits zuvor geltenden deutschen Regelungen entspricht, haben vor allem Wortlautabweichungen zwischen MwStSystRL und UStG in der Fachwelt zu lebhaften Diskussionen geführt. Das BMF passt den UStAE an und klärt einige offene Fragen.

Bei einem Reihengeschäft, bei dem mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen, hängen Leistungsort und potenzielle Steuerbefreiung in Deutschland seit jeher davon ab, welche Lieferung die sogenannte bewegte Lieferung ist. Maßgeblich hierfür ist die Transportveranlassung.

Art. 36a MwStSystRL regelt außerdem die Zuordnung der bewegten Lieferung bei Transport durch einen Unternehmer in der Mitte eines Reihengeschäfts. Die MwStSystRL (und in der Neufassung auch das UStG) verwendet hierfür den Begriff des Zwischenhändlers. Grundsätzlich ist die Lieferung an den Zwischenhändler die bewegte Lieferung. Teilt allerdings ein Zwischenhändler seinem Lieferer die USt-ID des Staates, in dem die Warenbewegung beginnt, mit, so ist die Lieferung des Zwischenhändlers die bewegte Lieferung. Hierin liegt bereits insoweit eine Abweichung zum bisherigen deutschen Konzept, als der bisherige § 3 Abs. 6 UStG für die Zuordnung der bewegten Lieferung zum Zwischenhändler nicht ausschließlich an die Verwendung der USt-ID angeknüpft hat.

Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben des Art. 36a MwStSystRL fristgemäß in den neuen § 3 Abs. 6a UStG übernommen. Insbesondere drei sprachliche Abweichungen sorgen seither allerdings für Unruhe:

1. Während Art. 36a MwStSystRL verlangt, dass der Zwischenhändler seinem Lieferer die USt-ID mitteilt, benutzt § 3 Abs. 6a UStG den Begriff des Verwendens. Ob „mitteilen“ und „verwenden“ zweierlei sei, wurde seitdem heftig diskutiert. Viele haben sich gefragt,

  • ob der Zwischenhändler die USt-ID vor der Lieferung verwenden/mitteilen muss oder ob eine nachträgliche Verwendung/Mitteilung Rückwirkung entfaltet,
  • ob die USt-ID bei jeder Lieferung verwendet/mitgeteilt werden muss oder ob „Sammelmitteilungen“ zulässig sind,
  • ob eine Art aktives Tun erforderlich ist, sodass das bloße Vorhandensein der USt-ID auf der Bestellung oder anderen Geschäftspapieren möglicherweise nicht ausreicht.

Hinsichtlich des Verwendens der USt-ID stellt das BMF klar, dass diese vor Beginn der Beförderung oder Versendung erfolgen muss (Abschn. 3.14 Abs. 10 S. 1 UStAE-Entwurf). Eine rückwirkende Verwendung ist demnach nicht vorgesehen.

Darüber hinaus überträgt das BMF die Regelung des Abschn. 3a.2 Abs. 10 Sätze 2 bis 6 UStAE auf das Verwenden der USt-ID durch einen Zwischenhändler. Die Regelung betrifft Situationen, in denen der Empfänger einer sonstigen Leistung durch Verwendung einer USt-ID den Leistungsort beeinflussen kann. Die wichtigsten sich aus diesem Verweis ergebenden Regelungen sind:

  • Der Begriff „Verwendung“ einer USt-ID setzt ein positives Tun des Leistungsempfängers, in der Regel bereits bei Vertragsabschluss, voraus. Die mündliche Verwendung ist möglich, wenn der leistende Unternehmer diese aufzeichnet.
  • Es reicht aus, wenn bei der erstmaligen Erfassung der Stammdaten eines Leistungsempfängers zusammen mit der für diesen Zweck erfragten USt-ID zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers aufgenommen wird, dass diese USt-ID bei allen künftigen – unternehmerischen – Einzelaufträgen verwendet werden soll. Eine im Briefkopf eingedruckte USt-ID oder eine in einer Gutschrift des Leistungsempfängers formularmäßig eingedruckte USt-ID reicht allein nicht aus.
  • Schwierig ist die vom BMF angeordnete Übertragung von Abschn. 3a.2 Abs. 10 S. 6 auf den Fall der Verwendung der USt-ID. Offenbar soll es ausreichen, wenn der Zwischenhändler seinen Umsatz korrekt in die Zusammenfassende Meldung aufgenommen hat und die Rechnung die USt-ID enthält. Da nach dem BMF-Schreiben (Abschn. 3.14 Abs. 10 UStAE-Entwurf) allerdings die Verwendung bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung erfolgen muss, bleibt die Reichweite dieser Vereinfachung unklar.

2. § 3 Abs. 6 S. 5 UStG fordert, dass der Zwischenhändler nachweist, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, wenn er die Warenbewegung seiner Lieferung zuordnen will. Eine Nachweispflicht ist in Art. 36a MwStSystRL allerdings nicht vorgesehen. Hier wurde diskutiert, ob eine Nachweispflicht im UStG daher unzulässig sein könnte.

Das BMF löst dies in seinem Entwurf auf: Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen gilt der Nachweis durch die Verwendung der USt-ID als erbracht. Das Nachweiserfordernis soll nur für innerdeutsche Lieferungen gelten, die Art. 36a MwStSystRL nicht regelt. Allerdings ist hier die Bestimmung der bewegten Lieferung ohnehin bedeutungslos, da der Leistungsort in jedem Fall in Deutschland liegt und Steuerbefreiungen für innergemeinschaftliche Lieferungen /Ausfuhren nicht in Betracht kommen.

3. Hinsichtlich der Transportveranlassung durch den Zwischenhändler formuliert § 3 Abs. 6a S. 4 UStG, dass der Zwischenhändler den Gegenstand befördert oder versendet. Nach bisherigem deutschen Verständnis hieß das, dass der mittlere Unternehmer den Transport entweder mit eigenen Mitteln durchführt oder dass er selbst einen Dritten damit beauftragt; dabei musste der Zwischenhändler der zivilrechtliche Auftraggeber sein. Art. 36a Abs. 3 MwStSystRL formuliert dies etwas anders: Ein Zwischenhändler im Sinne dieser Vorschrift muss die Liefergegenstände „selbst oder auf seine Rechnung“ versenden oder befördern. Dies warf die Frage auf, ob auch ein anderer als der Zwischenhändler der zivilrechtliche Auftraggeber sein dürfe, wenn nur der Zwischenhändler die Kosten des Transports trägt.

In Abschn. 4.14 Abs. 7 UStAE n.F. greift das BMF dieses Thema auf und stellt klar, dass es zwar grundsätzlich auf die (zivilrechtliche) Auftragserteilung ankomme, dass aber eine abweichende Zuordnung möglich sei, wenn nachgewiesen wird, dass die Beförderung bzw. die Versendung auf Rechnung eines anderen Unternehmers in der Reihe erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstands während des Transports getragen hat.

Wer die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt, ist rechtlich oft gar nicht so leicht zu beurteilen, vor allem, wenn auch ausländisches Recht eine Rolle spielt oder Incoterms widersprüchlich verwendet wurden. Sicherer ist es, solche Konstellationen zu vermeiden.

Dass der Zwischenhändler die USt-ID vor Beginn der Warenbewegung verwenden muss, ist, durch die streng juristische Brille betrachtet, nachvollziehbar: Schließlich entsteht die Steuer in dem Moment, in dem die Lieferung ausgeführt wird, und eine steuerpflichtige lokale Lieferung kann sich nicht nachträglich in eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhr verwandeln. Aus praktischer Sicht wäre es aber deutlich einfacher, wenn die USt-ID bis zur Abgabe der USt-Voranmeldung des Leistenden verwendet werden könnte.

(Stand: 06.07.2022)