Abo-Prämien als Nebenleistung zur Zeitschriftenlieferung

EuGH-Urteil „Deco Proteste – Editores Lda“ vom 5. Oktober 2023 (C-505/22)
Wer ein Zeitschriften-Abo abschließt, bekommt dafür heutzutage häufig eine Prämie, die oftmals sogar recht wertvoll sein kann. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob eine unentgeltliche Wertabgabe vorliegt. Wenn hingegen eine entgeltliche Lieferung vorliegt, muss geklärt werden, ob sie eigenständig ist oder mit der Lieferung der Zeitschriften eine einheitliche Leistung bildet. Dies hat Auswirkungen auf den Steuersatz.

Sachverhalt: Prämien-Abo

In diesem portugiesischen Fall wurden Zeitschriften-Abos zusammen mit einer Sachprämie verkauft, deren Wert jeweils unter 50 € lag. Es handelte sich um Smartphones und Tablets. Das Abo konnte bereits nach einem Monat wieder gekündigt werden, wobei der Kunde die Prämie behalten durfte. Die erste Monatsrate für das Abo war genauso hoch wie die folgenden. In den ausgestellten Rechnungen wurden die Zeitschriften dem ermäßigten Steuersatz unterworfen. Die Rechnungen enthielten jedoch keinen Hinweis auf die Abo-Prämie. Die Steuer- und Zollbehörde unterwarf die Lieferung der Prämien der Mehrwertsteuer, wobei sie als Besteuerungsgrundlage deren Einkaufspreis und als Mehrwertsteuersatz den Normalsatz von 23 % heranzog.

Vorlagefragen

Das vorlegende portugiesische Gericht fragte den EuGH, ob die Prämie

  • eine unentgeltliche Zuwendung oder
  • Teil einer komplexen Leistung oder
  • eine Nebenleistung zur Zeitschriftenlieferung

sei. Es stellte außerdem weitere Detailfragen für den Fall einer unentgeltlichen Zuwendung, die sich auf Besonderheiten des portugiesischen Rechts beziehen.

EuGH-Entscheidung

Der EuGH hat bereits in seiner früheren Rechtsprechung zwei Unterfälle der einheitlichen Leistung herausgearbeitet: die komplexe Leistung und die Nebenleistung zu einer Hauptleistung. Bei einer komplexen Leistung müssen die Bestandteile so ineinandergreifen, dass ein selbstständiges Drittes einsteht. Dies sah der EuGH hier nicht als gegeben an.

Eine Nebenleistung ist nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH dadurch gekennzeichnet, dass sie für den Empfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern lediglich das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Auch im vorliegenden Fall wiederholt der EuGH, dass hierfür die Sicht des Durchschnittsverbrauchers maßgeblich ist. Allerdings entfernt er sich bei seiner konkreten Prüfung dann von dieser Prämisse und stellt für die Frage nach dem eigenen Zweck auf die Sicht des Leistungserbringers (statt auf die des Kunden) ab. Er hebt hervor, dass die Prämie nur den Zweck habe, einen Anreiz zu bieten, ein Abo abzuschließen, und dadurch die Zahl der Abonnenten zu erhöhen und die Gewinne der Klägerin zu steigern. Für die untergeordnete Bedeutung der Prämie spreche außerdem, dass es die Kalkulation erlaube, dem Kunden die Prämie selbst dann zu belassen, wenn er das Abo bereits nach einem Monat wieder kündigt.

Nach Auffassung des EuGH führe dies im Ergebnis dazu, dass auch aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers kein eigener Zweck vorliege. Der EuGH formuliert: „Die Gewährung einer solchen Prämie hat daher [Hervorhebung durch die Verfasser] aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers, der bereit ist, mindestens eine Monatsrate für ein Abonnement zu bezahlen, um die Prämie zu erhalten, keinen eigenständigen Zweck.“ Erst an zweiter Stelle bezieht sich der EuGH auf das Argument, dass die Leistung, die in der Lektüre der Zeitschrift besteht, mithilfe des Tablets bzw. des Smartphones unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann, weil der Kunde mit diesen Geräten auf die digitale Fassung zugreifen kann.

Da die Prämie eine Nebenleistung zur Zeitschriftenlieferung ist, steht für den EuGH fest, dass es sich nicht um eine unentgeltliche Zuwendung handeln kann. Die Frage, ob ein Geschenk von geringem Wert vorlag, sodass eine Besteuerung der unentgeltlichen Zuwendung unterbleiben kann, brauchte der EuGH damit nicht zu beantworten.

Einordnung

Die Einordnung der Prämie als Nebenleistung führt dazu, dass sie steuerlich das Schicksal der Hauptleistung teilt, also auch vom ermäßigten Steuersatz der Zeitschriftenlieferung profitiert. Das Entgelt muss demnach nicht aufgeteilt werden, was die Abwicklung erleichtert.

Überraschend an der vorliegenden Entscheidung ist, dass der EuGH für die Frage nach dem eigenen Zweck der Prämie auf Belange und Interessen des Leistungserbringers abstellt. Dies steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung zum Thema Nebenleistung. Ob allein das Argument, dass sich Tablet und Smartphone zum Lesen der digitalen Fassung der Zeitschrift eignen, die Entscheidung tragen würde, erscheint zumindest fraglich. Man kann mit dem Tablet/dem Smartphone so viel mehr tun, als nur die digitale Zeitschrift zu lesen, dass man den eigenen Zweck wohl auch hätte bejahen können.

Diese EuGH-Entscheidung steht auch im Widerspruch zur jüngeren Rechtsprechung in Deutschland:

Am 19. Januar 2022 hat das FG Hamburg (6-K-16/20) entschieden, dass Abo-Prämien keine Nebenleistungen zu Zeitschriftenlieferungen seien. Bei den Prämien handelte es sich in diesem Fall um Bücher, DVDs, Accessoires für den Bereich Haushalt und Bad, Accessoires für den Bereich Lifestyle und Beauty sowie Utensilien im Bereich Multimedia und Technik. Das Gericht argumentierte sinngemäß unter anderem, dass ein Abo auch ohne die Prämie optimal in Anspruch genommen werden kann und dass die Zeitschrift und die Prämie jeweils eigenständigen Zwecken dienen. Das FG legte somit dieselben Kriterien an wie der EuGH, kam aber zu einem anderen Ergebnis. Damit erteilte das FG Hamburg auch der Rundverfügung der OFD Frankfurt am Main vom 7. August 2007 eine Absage, die von einer Nebenleistung ausging. Ebenso verwarf das FG Hamburg Abschn. 3.3 Abs. 20 UStAE, demnach bei Abo-Prämien regelmäßig entgeltliche Lieferungen bzw. einheitliche entgeltliche Leistungen vorliegen sollten. Für das FG Hamburg erschien aber bereits fraglich, ob das BMF damit überhaupt eine Aussage zur Einheitlichkeit der Leistung treffen wollte, weil der genannte Abschnitt im Kontext der Entgeltlichkeit stehe.

Da das FG Hamburg die Prämie nicht als Teil einer einheitlichen Leistung sah, musste es sich sodann mit der Frage befassen, ob eine unentgeltliche Zuwendung in Form eines Geschenks i. S. d. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG vorliegt. Dies verneinte das Gericht, weil der Abonnent auf die Prämie einen vertraglichen Anspruch hat. Im Ergebnis geht das FG Hamburg daher im Hinblick auf die Prämie von einer eigenständigen, entgeltlichen Lieferung aus. Diese unterfällt dem Regelsteuersatz, das Entgelt für das Zeitschriften-Abo muss entsprechend aufgeteilt werden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Ob eine einheitliche Leistung vorliegt, entscheidet eigentlich nicht der EuGH, sondern das nationale Gericht. So formuliert auch der EuGH im vorliegenden Fall, dass zwar die Umstände des Ausgangsverfahrens für eine Nebenleistung zu sprechen scheinen, dass dies festzustellen aber Sache des vorlegenden Gerichts sei. Auch das FG Hamburg sieht die Kompetenzverteilung so und verweist dabei auf die früheren EuGH-Entscheidungen „Bog“ und „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie“. Demnach sind die deutschen Finanzgerichte nach wie vor frei, die Frage der Einheitlichkeit der Leistung selbst zu beurteilen. Es stellt sich zudem die Frage, ob das FG Hamburg den Fall anders entschieden hätte, wenn es sich bei der Prämie, wie im EuGH-Fall, um Tablets und Smartphones gehandelt hätte, die immerhin zum Lesen von Zeitschriften dienen können. Für betroffene Unternehmen besteht derzeit angesichts der widersprüchlichen Urteile erhebliche Unsicherheit. Soweit noch möglich empfiehlt sich die Einholung einer verbindlichen Auskunft.

Stand: 23.10.2023

Autorin

Nadia Schulte
Tel.: +49 211 83 99 330