VGH Kassel – Kein Anspruch auf Einbau eines Aufzugs in einem Erhaltungsgebiet

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel (VGH) hat entschieden (Beschluss vom 25. Oktober 2022 – 3 A 247/21.Z), dass ein Bauherr keinen Anspruch auf Einbau eines Aufzugs in einem Gebiet hat, das einer Milieuschutzsatzung unterliegt, wenn der Aufzug nicht den Mindestmaßen der Hessischen Bauordnung (HBO) entspricht.

Sachverhalt

Der Kläger war Eigentümer eines Grundstücks, welches im Geltungsbereich einer Satzung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung lag. Aus diesem Grund waren bauliche Veränderungen genehmigungspflichtig. Auf dem Grundstück stand ein Mehrfamilienhaus, dessen Dachboden zu Wohnzwecken ausgebaut werden sollte. Der Kläger plante zur Erreichbarkeit des Dachbodens einen Außenaufzug zu errichten, welcher die Maße von 0,6 m x 0,7 m haben sollte. Der Kläger beantragte bei zuständigen Behörden die Genehmigung für den Einbau des Aufzugs. Die Behörde versagte die Genehmigung mit der Begründung, dass der Aufzug nicht die nach § 42 Abs. 6 HBO erforderlichen Mindestmaße habe. Daraufhin erhob der Kläger zunächst Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, welches die Klage jedoch abgewiesen hatte. Anschließend stellte der Kläger beim zuständigen VGH Kassel einen Antrag auf Zulassung der Berufung.

Entscheidung

Der VGH Kassel hat den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Seiner Ansicht nach bestand kein Anspruch auf Genehmigung des Aufzugs, da die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht erfüllt sind. Nach dieser Norm ist die Genehmigung dann zu erteilen, wenn die Änderung der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient. Nach dem Gericht sei bei den bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen auf die gegenwärtigen bauordnungsrechtlichen Bestimmungen abzustellen und nicht auf diejenigen, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes gegolten hatten. Dementsprechend seien bei der Errichtung des Aufzugs auch die aktuellen Mindestanforderungen nach § 42 Abs. 6 HBO einzuhalten. Folglich musste der Aufzug eine Grundfläche von mindestens 1,1 m x 2,1 m haben. Der Aufzug, den der Kläger einbauen wollte, war dementsprechend zu klein.

Praxishinweis

Der Fall zeigt auf, dass für einen Anspruch auf eine Genehmigung in jedem Fall die Mindeststandards der jeweils geltenden Bauordnung erfüllt sein müssen. Somit können keine Vorhaben genehmigt werden, die zwar den Zustand der baulichen Anlage verbessern, aber unterhalb von geltenden Mindeststandards liegen. Dies mag auch im entschiedenen Fall auf den ersten Blick zwar einleuchtend erscheinen, steht aber in gewissem Widerspruch zum Sinn und Zweck von Erhaltungssatzungen. Dieser besteht vor allem auch darin, Mietsteigerungen zu vermeiden. Jedenfalls auf einer abstrakten Ebene werden Mietsteigerungen jedoch eher bei kleineren als bei größeren Aufzügen hervorgerufen. Die Entscheidung bezieht sich im Speziellen auf die HBO, eine ähnliche Regelung zur Mindestgröße von Aufzügen findet sich jedoch auch in den Bauordnungen anderer Bundesländer, wie z. B. in der Berliner Bauordnung (§ 39 Abs. 5 S. 1 BauO Bln).

Der VGH Kassel hat sich umgekehrt nicht dahingehend geäußert, dass ein Anspruch auf Genehmigung besteht, sofern die Mindestmaße eingehalten sind. Hierzu gibt es auch noch keine eindeutige Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dies im Jahr 2004 ausdrücklich offengelassen (Beschluss vom 17. Dezember 2004 – 4 B 85/04), ebenso wie hier erstinstanzlich das VG Frankfurt am Main unter Verweis auf ein Urteil des OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 31. Mai 2012 – 10 B 9.11). Das OVG Berlin Brandenburg entschied allerdings dort, dass bei einem Aufzug, der den Mindeststandards entspricht, jedenfalls eine Indizwirkung für einen Anspruch gegeben ist. Festzuhalten ist zudem, dass nach dem Wortlaut des § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 BauGB auch in erster Linie die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung dienen muss und die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dabei nur berücksichtigt werden müssen. Unterstellt, dass der Einbau eines Aufzugs einem solchen zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung dient, dürfte ein Bauherr in der Regel einen Anspruch auf die Genehmigung eines Einbaus eines Aufzugs haben, wenn dieser den Mindestmaßen der Bauordnung entspricht.

Autor

Camillo Gaul
Tel: +49 30 208 88 1405

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