Bundesgesundheitsminister kündigt 14 Gesetzentwürfe bis Juli 2024 an

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will bis Juli 2024 14 Gesetzentwürfe vorlegen. Sechs davon sollen noch im zweiten Halbjahr 2023 auf den Weg gebracht werden, acht im ersten Halbjahr 2024, kündigte er am 5. Juli 2023 im Gesundheitsausschuss an. Zunächst geht es ihm zufolge im zweiten Halbjahr 2023 um die geplante Krankenhausreform, außerdem sind ein Gesetz zur hochschulischen Pflegeausbildung, ein Cannabisgesetz, ein Digitalgesetz, ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz sowie das Versorgungsgesetz I zur Stärkung der Kommunen in der Gesundheitsversorgung geplant.

In der ersten Jahreshälfte 2024 stehen dann das Notfallversorgungsgesetz, das Versorgungsstärkungsgesetz II, das Gesundheitssicherstellungsgesetz, ein Gesetz zur Lebendorganspende, ein Berufereformgesetz, ein Medizinregistergesetz sowie die Errichtung der Digitalagentur und des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit auf dem Programm. Im Folgenden werden die 14 Gesetzesinitiativen – soweit sie bereits vorliegen – und ihr aktueller Stand im Gesetzgebungsverfahren überblicksartig dargestellt.

1. Krankenhausreform

Über die Inhalte der geplanten Krankenhausreform und die Reaktionen der beteiligten Akteure haben wir in den Newslettern Healthcare 1/2023 und 2/2023 berichtet. Am 10. Juli 2023 haben sich Bund und Länder auf die Eckpunkte der geplanten Reform geeinigt (Bayern stimmte gegen das Eckpunktepapier und Schleswig-Holstein enthielt sich), die zum 1. Januar 2024 in Kraft treten und in der parlamentarischen Sommerpause ausgearbeitet werden soll.

Ein zentrales Element der Reform ist die Einführung einer Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen und die teilweise Abkehr vom Fallpauschalensystem. Demnach sollen Kliniken künftig Vorhaltepauschalen in Höhe von zunächst 60 Prozent der bisherigen Fallpauschalen erhalten. Das sich aus der Absenkung der Fallpauschalen ergebende Finanzvolumen wird jeweils nach Bundesländern ausgewiesen und nach Leistungsgruppen bemessen. Die Leistungsgruppen sollen künftig die bisherige Fachabteilungsstruktur ersetzen und eine Zuordnung zu Behandlungsfällen ermöglichen. Engere Leistungsbeschreibungen und damit verbundene Qualitätskriterien sollen sicherstellen, dass Patient*innen nur dort behandelt werden, wo die technischen, personellen und qualitativen Voraussetzungen erfüllt sind. Die bundeseinheitlich definierten Leistungsgruppen sind Voraussetzung für die Zuordnung der Krankenhäuser zu den jeweiligen Versorgungsstufen. Zwar soll sich das Vorhaltebudget eines Krankenhauses in einer budgetneutralen Übergangsphase zunächst an der Fallzahl orientieren. Sobald jedoch die Leistungsgruppen zugeordnet sind, soll das Vorhaltebudget unabhängig von der Zahl der erbrachten Fälle ermittelt werden. Neben den Vorhaltepauschalen soll es weiterhin Sicherstellungszuschläge für bedarfsnotwendige Krankenhäuser geben. Diese werden ergänzt durch leistungsmengenabhängige Zusatzentgelte für Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung, Stroke Units, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin. Die ursprünglich vorgesehene Einteilung der Krankenhäuser nach Versorgungsstufen (Level) ist nicht mehr Gegenstand der Krankenhausreform. Das Bundesministerium für Gesundheit beabsichtigt jedoch, die Einteilung der Krankenhäuser nach Level für die geplante Veröffentlichung von Qualitätsinformationen über die stationäre Versorgung im Rahmen eines „Transparenzgesetzes“ außerhalb des Krankenhausreformgesetzes zu verwenden. Hierzu hat es am 11. August 2023 eine „Formulierungshilfe der Bundesregierung für einen Entwurf des Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)“ vorgelegt.

Neu eingeführt werden sollen zudem sektorenübergreifende Versorger („Level-Ii-Krankenhäuser“), die sowohl medizinische als auch pflegerische Leistungen wohnortnah anbieten und weitgehend leistungsunabhängig über Tagessätze vergütet werden sollen.

2. Gesetz zur hochschulischen Pflegeausbildung (Pflegestudiumstärkungsgesetz)

Mit dem Gesetz zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zur Erleichterung der Anerkennung ausländischer Pflegequalifikationen und zur Änderung weiterer Vorschriften (kurz: Pflegestudiumstärkungsgesetz) soll die Ausbildungsvergütung für Pflegestudierende geregelt und die Anerkennung ausländischer Pflegequalifikationen erleichtert werden. Das Gesetz soll die hochschulische Pflegeausbildung stärken, indem das Pflegestudium als duales Studium ausgestaltet und die Finanzierung des praktischen Ausbildungsteils in das bestehende Finanzierungssystem der beruflichen Pflegeausbildung integriert wird. Studierende sollen während des gesamten Studiums eine angemessene Ausbildungsvergütung erhalten, einschließlich Übergangsregelungen für bereits begonnene Ausbildungen.

Darüber hinaus sollen die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachkräfte vereinfacht werden, indem bundeseinheitliche Regelungen zur Anerkennung und Gleichwertigkeitsprüfung geschaffen werden. Mit dem Gesetz sollen zudem rechtliche Rahmenbedingungen für die Pflegeausbildung im Hinblick auf den Erwerb digitaler Kompetenzen als Ausbildungsziel festgeschrieben und digitale Lernformate ermöglicht werden.

Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf am 24. Mai beschlossen, der 1. Durchgang im Bundesrat erfolgte am 7. Juli 2023. Bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung hat der Bundesrat im sogenannten ersten Durchgang das Recht, innerhalb von sechs Wochen – in besonderen Fällen innerhalb von neun Wochen – zu dem Regierungsentwurf Stellung nehmen. Im Anschluss nimmt die Bundesregierung dazu in einer Gegenäußerung Stellung. Mit der Stellungnahme und der Gegenäußerung wird der Gesetzentwurf beim Bundestag eingebracht.

3. Cannabisgesetz

Der Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland wurde im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet. Ursprünglich war eine weitgehende Legalisierung vorgesehen, die jedoch aufgrund möglicher Verstöße gegen europäisches Recht angepasst wurde. Zuletzt wurde der Gesetzentwurf in zwei Teile aufgespalten, nämlich in ein „Säule-1- Gesetz“ und ein europarechtlich möglicherweise unvereinbares „Säule-2-Gesetz“. Zum geplanten „Säule-1-Gesetz“ liegt seit dem 16. August 2023 der Kabinettsentwurf vor. Der Entwurf zum Säule-2-Gesetz wurde für die Zeit nach der Sommerpause in Aussicht gestellt und soll der Europäischen Kommission vorgelegt werden. Der „Säule-2- Entwurf“ soll regionale Modellprojekte mit kommerziellen Lieferketten vorsehen und die Produktion, den Vertrieb und die Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene in Fachgeschäften in einem lizenzierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglichen.

Der vorliegende Gesetzentwurf zum geplanten „Säule-1-Gesetz“ sieht zahlreiche Regelungen vor, u. a. soll der Besitz von bis zu 25 g Cannabis und der private Anbau von bis zu drei Pflanzen für Erwachsene künftig straffrei bleiben. Darüber hinaus sollen nichtkommerzielle „Cannabis-Clubs“ (sog. Anbauvereinigungen) die Droge legal anbauen und in begrenzten Mengen an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Die Mitglieder müssen volljährig sein; wer älter als 21 Jahre ist, soll maximal 50 g Cannabis pro Monat erhalten. Die Abgabe an Mitglieder unter 21 Jahren ist begrenzt auf eine Menge von 30 g pro Monat. Der ursprünglich geplante bundesweite freie Verkauf von Cannabis wird aufgrund rechtlicher Bedenken der EU auf Modellregionen beschränkt. Schließlich sollen Verurteilungen, die ausschließlich wegen Handlungen im Zusammenhang mit Cannabis eingetragen sind, für die das Gesetz künftig keine Strafe mehr vorsieht (Besitz bis 25 g/Eigenanbau bis max. drei weibliche blühende Pflanzen), auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden können. Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden laufende Ermittlungs- und Strafverfahren zu diesen Handlungen durch die bereits in der Strafprozessordnung (StPO) vorgesehenen Möglichkeiten beendet.

4. Digital-Gesetz

Der am 13. Juli 2023 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Digital-Gesetz (DigiG) soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben und den Behandlungsalltag von Ärzt*innen sowie Patient*innen durch digitale Lösungen erleichtern. Zentrale Bausteine des Gesetzes sind die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten, die den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten fördern und die Versorgung gezielt unterstützen soll, sowie das elektronische Rezept (E-Rezept). Die ePA soll ab Anfang 2025 für alle gesetzlich Versicherten eingeführt werden und das E-Rezept ab Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung sein. Es besteht jedoch die Möglichkeit, der Nutzung der ePA zu widersprechen. Um unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten zu vermeiden, wird die ePA in enger Verzahnung mit dem E-Rezept eine vollständige, weitgehend automatisierte digitale Medikationsdokumentation für jeden Versicherten enthalten. Darüber hinaus sollen mit dem DigiG digitale Gesundheitsanwendungen stärker in die Versorgung integriert und deren Nutzung transparent gemacht sowie die (assistierte) Telemedizin gefördert werden (u. a. Aufhebung der „30%-Grenze“). Weitere Einzelheiten hierzu stellen Ihnen Julia Kleinschmidt und Sebastian Retter im nachfolgenden Beitrag vor. Derzeit befindet sich der Referentenentwurf in der Verbändeanhörung.

5. Gesundheitsdatennutzungsgesetz

Am 15. Juni 2023 wurde ein Referentenentwurf zum geplanten Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz) vorgelegt, der u. a. die Nutzung von Versichertendaten (Kranken- und Pflegekassen sollen künftig individuelle Versichertendaten z. B. zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und der Krebsfrüherkennung nutzen können) und die Einrichtung einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorsieht. Charlotte Husemann hat sich in einem weiteren Beitrag in diesem Newsletter eingehend mit dem Referentenentwurf befasst.

6. Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz

Mit dem geplanten Versorgungsgesetz I zur Stärkung der Kommunen in der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz) soll die gesundheitliche Versorgung in den Kommunen insbesondere für sozial benachteiligte Menschen verbessert werden. Hierzu hat das Bundesgesundheitsministerium am 15. Juni 2023 einen entsprechenden Referentenentwurf vorgelegt. Kernpunkte des geplanten Gesetzes sind die Einführung sog. Gesundheitskioske (sollen niedrigschwellige Beratung unter Leitung einer Pflegefachkraft anbieten; Finanzierung zu 74,5 Prozent durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), 5,5 Prozent durch die private Krankenversicherung und 20 Prozent durch die Kommune), die Einrichtung von Primärversorgungszentren (spezielles hausärztliches Angebot zur gezielten Versorgung insbesondere älterer, gebrechlicher Patient*innen; Finanzierung je zur Hälfte durch die GKV und die jeweilige Kommune) und die Etablierung von Gesundheitsregionen (Regionen sollen als Alternative zur Regelversorgung dienen und eine sektorenübergreifende Vernetzung der Versorgungsakteure ermöglichen; Finanzierung wie bei Primärversorgungszentren vorgesehen). Wann die Fachanhörung zum Referentenentwurf im Bundesgesundheitsministerium stattfinden soll, ist nicht bekannt.

7. Notfallversorgungsgesetz

Ziel dieses Reformkonzeptes ist es, medizinische Notfälle künftig schneller und effektiver zu versorgen. Dazu sollen bundesweit ca. 420 Integrierte Notfallzentren (bestehend aus einer Notaufnahme, einer KV-Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentraler Entscheidungsstelle) und Integrierte Leitstellen (ILS) eingerichtet werden. Beabsichtigt ist, dass Hilfesuchende nach einer telefonischen oder telemedizinischen Ersteinschätzung durch die ILS an die für sie am besten geeignete Notfallstruktur weitergeleitet werden. Damit soll erreicht werden, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser möglichst nur von den Hilfesuchenden in Anspruch genommen werden, die diese komplexen Strukturen tatsächlich benötigen. Darüber hinaus sollen integrierte kinder- und jugendmedizinische Notfallzentren an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie an Krankenhäusern mit pädiatrischer Abteilung eingerichtet werden.

8. Versorgungsstärkungsgesetz II

Über die Inhalte des Versorgungsstärkungsgesetzes II ist derzeit noch wenig bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die derzeit diskutierten Änderungen für die iMVZ (besprochen im Newsletter Healthcare 2/2023) gegebenenfalls in diesem Gesetz enthalten sein werden.

9. Gesundheitssicherstellungsgesetz sowie „Gesetzesinitiativen 10 bis 12“

Mit einem Gesundheitssicherstellungsgesetz soll vor allem eine effiziente und dezentrale Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährleistet werden. Medienberichten zufolge soll im Rahmen eines Gesetzes zur Lebendorganspende die Möglichkeit der Lebendnierenspende ausgeweitet werden. Mit dem Medizinregistergesetz soll der Aufbau einer dezentralen Forschungsdateninfrastruktur vorangetrieben werden, die u. a. bei der Überprüfung von Behandlungsverfahren und der Erforschung neuer Therapien unterstützen soll. Zudem soll mithilfe von Medizinregistern künftig möglich sein, Daten von Patient*innen, Organspender*innen, Ereignissen (z. B. Epidemien) oder Medizinprodukten standardisiert zu speichern und auszuwerten.

10. Errichtung der digitalen Gesundheitsagentur und des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit

Im Rahmen der Gesetzesinitiative zur Errichtung der digitalen Gesundheitsagentur – wird aus der gematik (Nationale Agentur für Digitale Medizin) hervorgehen – soll diese als verantwortliche Stelle digitale Anwendungen im deutschen Gesundheits- und Pflegewesen, insbesondere mit Bezug zur Telematikinfrastruktur, aufbauen. Schließlich sollen beim Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit die Aktivitäten im Bereich Public Health, die Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und die Gesundheitskommunikation des Bundes zusammengeführt werden.

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Autor

Dr. Moritz Ulrich
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 3-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.