Regulierung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ)

Regulierung von investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ): Entschließungsantrag der Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zur „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“

In der aktuellen Diskussion um „MVZ-Investoren“ haben die Länder Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein am 12. Mai 2023 einen Entschließungsantrag zur „Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes“ in den Bundesrat eingebracht. Dabei handelt es sich um eine (rechtlich nicht bindende) parlamentarische Handlungsform, mit der der Bundesrat seine Position zu einem bestimmten Thema darlegt und die Bundesregierung auffordert, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Der Entschließungsantrag enthält neun Maßnahmen, von denen im Folgenden die für Investoren besonders relevanten (und zum Teil verfassungsrechtlich bedenklichen) Maßnahmen 3, 4, 5 und 8 kritisch beleuchtet werden.

Regelung 3: Räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern

„Räumliche Beschränkung der Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für (zahn)ärztliche MVZ. In räumlicher Hinsicht sollte eine Beschränkung auf die jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereiche, die ganz oder teilweise in einem Radius von bis 50 km zum Sitz des Krankenhauses entfernt liegen, normiert werden. Für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche sind jeweils Ausnahmen vorzusehen.“

Gegen diese Regelung bestehen zahlreiche (verfassungsrechtliche) Bedenken, da die Beschränkung nur für einen MVZ-Träger mit einem Krankenhaus als Gesellschafter gelten soll und damit gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen dürfte. Zudem würde die Regelung in ihrer aktuellen Fassung aufgrund des Bestandsschutzes (andernfalls: Verstoß gegen Art. 14 GG) nur für zukünftige MVZ-Gründungen gelten. Die Folge wäre eine Mehrklassengesellschaft, da Altgründer gegenüber neuen Anbietern erhebliche Vorteile hätten. Es bestünde die Gefahr der Bildung (oder Ausweitung) lokaler Oligopol- oder Monopolstrukturen, die mit der verschärften Regulierung der iMVZ gerade verhindert werden sollen. Dass (allein) eine räumliche Nähe zwischen Krankenhaus und MVZ eine „bessere Verzahnung“ von stationärer und ambulanter Behandlung ermöglichen soll – hierbei bezugnehmend auf die Begründung des Entschließungsantrags –, ist angesichts der vorgenannten getrennten Versorgungsbereiche nicht nachvollziehbar. Zudem dürfte der Einfluss auf die medizinische Versorgung im MVZ des Trägers, der dem Krankenhaus räumlich oder fachlich näher steht, größer sein. Fraglich ist auch, wie diese Regelung angesichts der geplanten Reform der Krankenhausfinanzierung mit den neuen Krankenhausstufen umgesetzt werden soll. Darüber hinaus würden Krankenhauskonzerne mit mehreren Krankenhäusern an verschiedenen Standorten gegenüber Einzelkrankenhäusern begünstigt (Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG). Dass die Vorteile einer standortunabhängigen Gründung von MVZ in der Vermeidung der gezielten Zuweisung von Patienten des MVZ in die stationäre Behandlung des Trägerkrankenhauses sowie in der Professionalisierung der Managementstrukturen (straffere Abläufe, kürzere Wartezeiten und einheitliche Qualitätsstandards) liegen und ein ausreichender kartellrechtlicher Schutz besteht (bzw. dieser entsprechend angepasst werden könnte), wurde von den Ländern bisher offenbar nicht bedacht. 

Regelung 4: Prozentuale Beschränkung bezüglich des Versorgungsanteils für MVZ

„Begrenzung des Versorgungsanteils für neue, von einem Träger gegründete, ärztliche MVZ im jeweiligen arztgruppenbezogenen Planungsbereich bei Hausärzten auf max. 25 %, bei der allgemeinen und speziellen fachärztlichen Versorgung auf max. 50 % pro Facharztgruppe. Für unterversorgte und drohend unterversorgte Planungsbereiche sind Ausnahmen vorzusehen. Das gleiche gilt, wenn der zuständige Zulassungsausschuss einen besonderen Versorgungsbedarf feststellt. Bezogen auf den jeweiligen Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung ist der Versorgungsanteil für von einem Träger gegründete ärztliche MVZ bei der hausärztlichen Versorgung auf 5 % und bei der allgemeinen und speziellen fachärztlichen Versorgung auf 10 % zu begrenzen.“

Bereits der Wortlaut der geplanten Regelung ist auch unter Hinzunahme der Begründung des Entschließungsantrags missverständlich, da jedes MVZ „ärztlich“ ist und von einem Träger gegründet wird. Zudem wäre in bestimmten Planungsbereichen (z. B. in Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen- Anhalt, Sachsen und Thüringen), in denen ohnehin nur wenige Fachärzte je Fachgruppe vorgesehen sind, die Gründung von MVZ (auch für Ärzte) ggf. ausgeschlossen, was zu Monopolen bzw. Oligopolen führen könnte, die – wie bereits dargestellt – durch die geplante stärkere Regulierung der iMVZ gerade verhindert werden sollen. 

Ungeklärt ist auch, wie zu verfahren ist, wenn sich die Versorgungssituation nach Gründung des MVZ ändert. Statt einer prozentualen Begrenzung von iMVZ wäre es sinnvoller, für (drohende) unterversorgte Planungsbereiche die Gründung einer Zweigstelle eines größeren MVZ mit einem weiteren Vertragsarztsitz vorzusehen. Unklar ist auch die willkürliche Begrenzung der Höchstversorgungsanteile für den jeweiligen gesamten Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung. Entgegen der Auffassung der genannten Länder ist nicht belegt, dass die Begrenzung des Versorgungsanteils von MVZ die Anbietervielfalt stärkt bzw. „unerwünschte Monopolstellungen verhindert“, sodass dieser Eingriff in die Berufsfreiheit der zugelassenen Krankenhäuser – worauf diese Regelung nach der Begründung des Entschließungsantrags wohl abzielt – verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt wäre (selbiges gilt im Übrigen für § 95 Abs. 1b SGB V). Ein kartellrechtlicher Schutz besteht ohnehin bereits und könnte ggf. erweitert werden.

Regelung 5: Streichung von Arztstellenerwerb für MVZ (§ 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V)

„Streichung der Möglichkeit des Arztstellenerwerbs für MVZ im Wege des Zulassungsverzichts gem. § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V.“ 

Diese Regelung hätte im Falle ihrer Umsetzung zur Folge, dass die dann erforderliche Ausschreibung bei fehlenden (personellen) Kapazitäten der Kassenärztlichen Vereinigungen und Zulassungsausschüsse zu einer (noch) längeren Verfahrensdauer und schlechteren Planbarkeit auch für die Praxisabgeber führen würde. Sollte – wovon derzeit auszugehen ist – der Verzicht zugunsten einer Anstellung bei einem Vertragsarzt nicht gestrichen werden (§ 103 Abs. 4b Satz 1 SGB V), läge wiederum ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Darüber hinaus wären im Falle eines Nachbesetzungsverfahrens alle MVZ mit einem Krankenhaus als Gesellschafter nachrangig zu berücksichtigen (§ 103 Abs. 4 Satz 6 SGB V) und damit massiv benachteiligt, was letztlich wohl auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen würde. Im Ergebnis handelt es sich um die bisher radikalste Regelung, die – sollte sie umgesetzt werden – in der Praxis die Neugründung von iMVZ praktisch unmöglich machen würde. Soweit die genannten Länder die Auffassung vertreten, § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V benachteilige niederlassungswillige Ärzte, die als Freiberufler an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen wollen, und der Zulassungsverzicht werde „vermutlich oftmals gezielt gewählt“, um ein reguläres Bewerbungsverfahren zu umgehen, entbehrt dies mangels objektiver Belege jeder sachlichen Grundlage. Statt der beabsichtigten Streichung des § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V wäre es wesentlich sinnvoller, das Erfordernis der dreijährigen Tätigkeit (bzw. sinnvollerweise deren Verkürzung) im Rahmen des Verzichts zugunsten einer Anstellung gesetzlich festzuschreiben.

Regelung 8: Vorgabe zum Tätigkeitsumfang der ärztlichen Leitung

„Stärkung der ärztlichen Leitung von MVZ durch Etablierung von Schutzvorschriften sowie Stärkung der Schutzfunktion der ärztlichen Leitung gegen sachfremde Einflussnahme durch Einführung entsprechender Kontrollmechanismen:

[…]

c) Vorgabe des Tätigkeitsumfangs für die ärztliche Leitung in Höhe eines vollen Versorgungsauftrags bei mindestens fünf vollzeitäquivalenten Stellen im jeweiligen MVZ.“

Auch diese Regelung ist nicht nachvollziehbar, da der ärztliche Leiter bereits ausreichend vor Einflussnahme geschützt ist. Bei einem vollen Versorgungsauftrag müsste er mindestens 31 Stunden für die vertragsärztliche Tätigkeit (Sprechstunden für gesetzlich versicherte Patienten) aufwenden, sodass ihm dann ggf. weniger Zeit für Kontrolle und Überwachung zur Verfügung stünde als bei einem geringeren Versorgungsauftrag. Ausreichend und angemessen für die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit dürfte daher ein hälftiger Versorgungsauftrag sein.

Fazit und Ausblick

Auch wenn die weitere Entwicklung derzeit nicht sicher absehbar ist, dürfte die Umsetzung der vorgenannten Regelungen bzw. Vorschläge in ein MVZ-Regulierungsgesetz insbesondere aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken nur schwer durchsetzbar sein. Zu diesem Ergebnis kommt auch das rechtswissenschaftliche Gutachten („Verfassungs- und europarechtliche Grenzen verschärfter und neuer Verbote und Beschränkungen betreffend die Träger- und Inhaberstrukturen von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)“) von Prof. Dr. Martin Burgi vom 15. Mai 2023, der zudem die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verletzt sieht, sollten die vorbezeichneten Regelungen umgesetzt werden.

Darüber hinaus sprechen auch ganz praktische Erwägungen (personelle Ausstattung der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Zulassungsausschüsse) und die Bedeutung der ambulanten ärztlichen Versorgung gegen eine stärkere Regulierung von iMVZ-Strukturen. Die Länder (insbesondere Bayern) wären gut beraten, in der politischen Diskussion jenseits von Polemik und einer emotional geführten Debatte endlich die Faktenlage anzuerkennen und die Gründung von iMVZ unter Beteiligung angestellter Ärzte zu erleichtern. Dies wäre ein echter Beitrag und Schritt in die richtige Richtung für eine flächendeckende und qualitativ hochwertige ambulante medizinische Versorgung in Deutschland.

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Autor

Alexander Greiff
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