Die Haftung des Klinikgeschäftsführers

Corona, Fachkräftemangel, Inflation: Auch bei vielen deutschen Krankenhäusern erhöht die wirtschaftlich angespannte Lage die Anforderungen an ihre Geschäftsführer*innen.

Im Zusammenhang mit der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten großen Krankenhausreform forderte der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß auf dem Krankenhausgipfel im März 2023 ein Vorschaltgesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser, die aufgrund der „dramatischen Unterfinanzierung“ notwendig sei. Die Lage spitze sich Monat für Monat zu. „Wegen des fehlenden Inflationsausgleichs sind bis Ende 2022 bereits 6,7 Mrd. € an Defiziten aufgelaufen, und aktuell kommen im Jahr 2023 jeden Monat 740 Mio. € dazu. Wenn nichts passiert, stehen wir Ende 2023 bei minus 15,6 Mrd. €. Die Krankenhäuser liegen im Schockraum der Notaufnahme, und viele Kliniken werden die politische Therapie des Abwartens nicht überleben“, so Gaß.

Die Anforderungen an Geschäftsführer*innen sind ohnehin hoch, in dem aktuellen Umfeld dürften die Haftungsrisiken jedoch weiter steigen. Dabei ist der*die Geschäftsführer*in nicht nur für den wirtschaftlichen Erfolg der Einrichtung verantwortlich, der in Krisenzeiten gesteigerte Sorgfaltspflichten in Bezug auf das Vermögen der Gesellschaft, die Informationspflicht gegenüber den Gesellschafter*innen oder auch eine fortlaufende wirtschaftliche Selbstprüfung erfordert. Er*Sie hat auch Schaden von der Einrichtung abzuwenden und insbesondere im Gesundheitsbereich eine optimale medizinische Versorgung der Patient*innen sicherzustellen. Auch hier können Fehler im Einzelfall weitreichende Konsequenzen haben, wie eine aktuelle Entscheidung des OLG Nürnberg zeigt. Ganz allgemein können sich weitere Geschäftsführerpflichten und somit Haftungsrisiken auch aus dem Gesellschaftsvertrag, dem Dienstvertrag des*der Geschäftsführers*Geschäftsführerin oder eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung ergeben.

Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als einer der häufigsten Rechtsformen für Krankenhausträger haftet der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft zivilrechtlich nach § 43 GmbHG. Gemäß Absatz 1 hat er in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentliches Geschäftsmannes anzuwenden und haftet gemäß Absatz 2 bei Verletzung dieser Obliegenheit für den entstandenen Schaden. Aber auch strafrechtliche Konsequenzen kommen beispielsweise bei der Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Betracht.

Neben Klinikgeschäftsführern gilt dies selbstverständlich für Geschäftsführer jeglicher Einrichtungen im Gesundheitssektor wie Pflegeheime, Reha- Kliniken u. a. sowie für Geschäftsführer im Allgemeinen. Gerade im medizinischen Bereich ist hier zu beachten, dass auch ein aufgrund interner Verteilung ausschließlich mit medizinischen Angelegenheiten betrauter Geschäftsführer stets über die finanzielle Situation im Bilde zu sein hat und sich nicht damit entschulden kann, dass der Bereich Finanzen einem anderen Geschäftsführer untersteht.

Neben der erwähnten Entscheidung des OLG Nürnberg zur Verletzung von Compliance-Pflichten soll der Blick daher insbesondere die Insolvenzantragspflicht und ein mögliches Spannungsfeld zwischen Geschäftsführer und Träger in den Blick genommen werden.

Verletzung der Antragspflicht bei Insolvenz

Gemäß § 15a InsO ist der Geschäftsführer ab Eintritt der Insolvenzreife, d. h. bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies stellt eine persönliche Pflicht dar, deren Verletzung nach § 15a Abs. 4 InsO unter Strafe gestellt ist.

Da es sich um eine Pflicht des Geschäftsführers und nicht des Trägers handelt, kann dies in der Praxis zu einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen Geschäftsführung und Träger/Gesellschaftern kommen. Während die Gesellschafter möglicherweise in der nächsten Gremiensitzung einen entsprechenden Beschluss zur Liquiditätsüberbrückung fassen wollen, darf sich der Geschäftsführer hierauf nicht einfach verlassen, sondern muss bei Vorliegen der Insolvenzreife aktiv werden, um sich vor den strafrechtlichen Konsequenzen der Insolvenzverschleppung zu schützen. Gleiches gilt beispielsweise für den Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft, der sich nicht einfach darauf verlassen darf, dass die Muttergesellschaft eine Zahlungsunfähigkeit abwenden wird. Nur für den Fall der rechtzeitigen Übernahme von Schulden bzw. Bereitstellung entsprechender Mittel kann das Problem für den Geschäftsführer gelöst werden. Geschieht dies nicht, hat er, womöglich zum Unmut seines Trägers und auch entgegen anderslautender Weisung, formal einen Insolvenzantrag zu stellen.

Wie auch weitere Risiken wird auch der Strafrechtsschutz teilweise von sogenannten D&O-Versicherungen abgedeckt. Der Umfang einer solchen Versicherung ist jedoch im Einzelfall konkret zu prüfen.

Verletzung der Compliance-Pflichten

Das OLG Nürnberg hat mit Urteil vom 30. März 2022 – 12 U 1520/19 – der Klage auf Schadensersatz der Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Schädigung der Gesellschaft durch einen untreuen Mitarbeiter in Höhe von 800.000 € überwiegend stattgegeben.

Hintergrund der Entscheidung war, dass ein Mitarbeiter Tankkarten manipuliert und Forderungen geltend gemacht hatte, die nicht existierten, oder die Betankung von Fahrzeugen weit über dem bestehenden Kreditlimit geduldet und dadurch einen Schaden verursacht hatte. Im Unternehmen war der Sachverhalt erst nach Kundenbeschwerden aufgefallen.

Leitsätze der Entscheidung:

  1. Der Geschäftsführer einer GmbH, deren wesentliche Aufgabe in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, haftet (auch) dieser KG gegenüber gem. § 43 II GmbHG.
  2. Zum Umfang der Pflichten eines Geschäftsführers im Rahmen der internen Unternehmensorganisation (hier: Schaffung von Compliance-Strukturen zur gehörigen Überwachung von Mitarbeiter* innen).
  3. Unterlässt der Geschäftsführer eine Unternehmensorganisation, die die Wahrung des Vier-Augen- Prinzips für schadensträchtige Tätigkeiten erfordert, so kann er für hierdurch entstehende Schäden haften.

Das Gericht leitet diese Pflicht aus der Legalitätspflicht ab. Daraus folge die Verpflichtung des Geschäftsführers ein Compliance-Management-System einzurichten.

Das System soll organisatorischen Vorkehrungen, die die Begehung von Rechtsverstößen durch die Gesellschaft oder deren Mitarbeiter*innen verhindern, beinhalten.

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, den Geschäftsgang so zu überwachen oder überwachen zu lassen, dass eine ordnungsgemäße Erledigung der Geschäfte unter normalen Umständen gewährleistet ist/er mit einer ordnungsgemäßen Erledigung rechnen kann. Sollten Anzeichen für ein Fehlverhalten vorliegen, muss er unverzüglich eingreifen. Er haftet zwar nicht für fremdes Verschulden, doch verletzt er seine Pflicht, wenn er durch unzureichende Organisation, Anleitung bzw. Kontrolle seinen Mitarbeitern der Gesellschaft ermöglicht oder erleichtert, Straftaten oder andere Fehlhandlungen zu begehen. Daher muss der Geschäftsführer jeglichen Verdachtsmomenten unverzüglich nachgehen und entsprechende organisatorische Vorkehrungen treffen, um Pflichtverletzungen zu verhindern.

Der Geschäftsführer hat keine stichprobenartigen Kontrollen oder Schulungen der Mitarbeiter*innen durchgeführt und nicht die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten der Mitarbeiter*innen überwacht bzw. durchgesetzt, weshalb ein Verstoß des Geschäftsführers gegen seine Compliance-Pflichten vorlag.

Zur Überwachungspflicht gehöre außerdem eine hinreichende Kontrolle, die nicht erst dann einsetzen darf, wenn Missstände entdeckt worden sind. Hierzu bedarf es grundsätzlich stichprobenartiger, überraschender und regelmäßiger Prüfungen.

Wenn in der Vergangenheit bereits Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, ist eine gesteigerte Überwachungspflicht mit intensiveren Aufsichtsmaßnahmen notwendig.

Fazit

Aufgrund des aktuell wirtschaftlich angespannten Umfelds sind die Anforderungen und damit auch das Haftungspotenzial für Geschäftsführer*innen, gerade auch von Kliniken, weiter gestiegen. Zur Vermeidung einer persönlichen Haftung gilt es daher, die gesteigerten Sorgfaltspflichten einzuhalten. Daneben sollten Entscheidungen und Maßnahmen zur eigenen Absicherung stets sauber dokumentiert werden.

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Autor

Alexander Greiff
Tel: +49 30 208 88 1305

Dies ist ein Beitrag aus unserem Healthcare-Newsletter 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.