Vorsteuerabzug einer Führungsholding: „Zwischenschalt-Modell“ steht möglicherweise auf der Kippe - EuGH-Vorlage C-98/21

Am 23. September 2020 (XI R 22/18) hat der BFH beschlossen, dem EuGH eine Frage zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding vorzulegen (dort anhängig unter C-98/21). Es ging um ein „Zwischenschalt-Modell“, bei dem eine nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigte Gesellschaft beim Leistungseinkauf eine Führungsholding zwischenschaltete, welche dann aus diesen Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug geltend machte. Nun hat der BFH in einem anderen Fall mit Blick auf dieses Vorabentscheidungsersuchen Aussetzung der Vollziehung gewährt (Beschluss vom 30. März 2021, veröffentlicht am 5. August 2021, V B 63/20).

Vorlagefall: Dienstleistung wird nicht entgeltlich erbracht, sondern als Gesellschafterbeitrag eingelegt

Im Vorlagefall war die Klägerin (eine Holding) zusammen mit anderen Gesellschaften Kommanditistin zweier GmbH & Co. KGs. Diese errichteten bestimmte Wohnbauprojekte und veräußerten die einzelnen Wohneinheiten überwiegend umsatzsteuerfrei. Daher stand ihnen aus zu diesem Zweck bezogenen Eingangsleistungen kein Vorsteuerabzug zu.

Alle Kommanditistinnen sollten Gesellschafterbeiträge an die GmbH & Co. KGs erbringen: Einige Kommanditistinnen in Form einer Geldzahlung, die Klägerin hingegen durch unentgeltliche Dienstleistungen an die jeweilige GmbH & Co. KG, die im Wert der Geldzahlung entsprechen sollten. Die Klägerin kaufte diese Dienstleistungen extern ein und machte daraus den Vorsteuerabzug geltend. Da die Klägerin diese Dienstleistungen nicht in Form einer umsatzsteuerbaren Leistung an die GmbH & Co. KGs weitergab, sondern in Gestalt eines nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrags, entstand für die GmbH & Co. KGs durch diese Gestaltung keine nicht abziehbare Vorsteuer. Gleichzeitig erbrachte die Klägerin steuerbare und steuerpflichtige Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen an die Tochtergesellschaften, wodurch die Klägerin ihre Unternehmereigenschaft begründete.

Der BFH hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zustehe. Seine Zweifel gründeten darauf, dass diese Leistungen nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Ausgangsumsätzen der Klägerin standen, sondern mit den weitgehend steuerfreien Umsätzen der GmbH & Co. KGs. Der BFH wollte zudem wissen, ob ein solches Zwischenschalt-Modell durch außersteuerliche Gründe gerechtfertigt sein könne oder ob es rechtsmissbräuchlich sei. Der Vorsteuerabzug sei schließlich systemwidrig und führe zu einem Wettbewerbsvorteil von Holding-Konstruktionen gegenüber einstufigen Unternehmen, die steuerfreie Leistungen erbringen.

Aussetzungsfall: Entgeltliche Leistungen an Tochtergesellschaft, Vorsteuern betreffen aber einen Schadensersatzanspruch der Holding

Die deutsche Tochtergesellschaft einer deutschen Führungsholding hatte in Spanien Solaranlagen gebaut. Im Zeitpunkt der Planung und Errichtung der Solaranlagen sah das spanische Recht hierfür bestimmte Einspeisevergütungen vor. Diese Förderung wurde später jedoch gesetzlich eingeschränkt, was bei der Tochtergesellschaft zu einem Umsatzrückgang und bei der Führungsholding zu einer Wertminderung dieser Beteiligung führte.

Die Holding strengte einen Schadensersatzprozess gegen den spanischen Staat wegen der Wertminderung ihrer Beteiligung an und machte den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen geltend. Diese Kosten belastete die Holding nicht an die Tochtergesellschaft weiter. Finanzamt und Finanzgericht versagten den Vorsteueranspruch.

Nach Auffassung des BFH bestehen jedoch aufgrund der rechtlichen Unklarheit in Bezug auf den Umfang des Vorsteuerabzugs bei geschäftsleitenden Holdinggesellschaften mit eigener

Umsatztätigkeit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung des Vorsteuerabzugs. Unter Hinweis auf das Verfahren C 98/21 gewährte der BFH die Aussetzung der Vollziehung. In der summarischen Prüfung des Aussetzungsverfahrens sah es der BFH nicht als zweifelhaft an, dass die Führungsholding Unternehmerin und damit grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt sei: Durch die entgeltliche Unterstützung bei der Umstrukturierung der Finanzierung habe sie in Form von steuerbaren Leistungen in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft eingegriffen und dadurch die Unternehmereigenschaft begründet. Sie sei damit grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Der BFH fragte sich aber, ob der Vorsteuerabzug auch hinsichtlich der Beratungsleistungen zulässig sei, die die Holding für die Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs bezogen hat. Nach Maßgabe des sog. ausschließlichen Entstehungsgrundes könnte der Vorsteuerabzug insoweit eingeschränkt sein. Der BFH sah hier Parallelen zum Vorlagefall: Zwar sei der Entstehungsgrund im Vorlagefall nicht die Geltendmachung von Schadensersatz gewesen, sondern eine Einlage in die Tochtergesellschaft. Beiden Fällen war aber gemeinsam, dass die bezogenen Eingangsleistungen ihren Entstehungsgrund nicht in steuerbaren Ausgangsleistungen der Holding hatten. 

Auswirkungen: Vorsteuerabzug von Holdings wird möglicherweise in Zukunft strenger beurteilt

Bei vielen nicht oder nicht voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen kommt früher oder später die Frage auf, ob sich die Vorsteuersituation dadurch verbessern lässt, dass die Eingangsleistungen von einer zum Vorsteuerabzug berechtigten Konzerngesellschaft bezogen werden. Dies betrifft vor allem die Finanzdienstleistungs- und Immobilienbranche. Wenn die nicht vorsteuerabzugsberechtigte Gesellschaft die Kosten für diese Eingangsleistungen tragen soll, steht am Ende aller Überlegungen aber doch wieder eine Rechnung mit Umsatzsteuer an diese Gesellschaft. Die Weiterbelastung mit Umsatzsteuer durch einen nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrag zu ersetzen, erscheint vielen als interessanter Ausweg. Natürlich bleibt im Vorlageverfahren die Entscheidung des EuGH abzuwarten, aber die Argumente des BFH sind aus unserer Sicht nicht von der Hand zu weisen: Erbringt ein Unternehmen steuerfreie Ausgangsumsätze, entspricht es der Systematik der Umsatzsteuer, dass der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Zwischenschalt-Modelle umgehen diese Systematik. Dass der EuGH diesen Strukturen einen Riegel vorschiebt, ist nicht unwahrscheinlich. Betroffene Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass das Zwischenschalt-Modell ein Auslaufmodell sein könnte.

Der BFH scheint zu erwarten, dass die EuGH-Entscheidung im Vorlagefall auch Antworten für den Aussetzungsfall liefern wird. Es fragt sich allerdings, ob die beiden Fälle dafür nicht zu unterschiedlich sind: Im Vorlagefall ging es um Eingangsleistungen, die nicht der Holding dienten, sondern den steuerfreien Ausgangsleistungen der Tochtergesellschaft, und die (wohl) nur wegen des Vorsteuerabzugs von der Holding eingekauft wurden. Der EuGH wird entscheiden, ob dies eine unzulässige Umgehung ist. Im Aussetzungsfall hingegen lag die eingekaufte Dienstleistung im Interesse der Holding – betraf nach Ansicht des BFH zwar nicht deren steuerbare Ausgangsleistungen, jedoch wurden die Eingangsleistungen im Zusammenhang mit einer im Unternehmensvermögen gehaltenen Tochtergesellschaft bezogen und ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wie im Vorlagefall scheint hier ausgeschlossen zu sein. Dass die Holding Leistungen eingekauft hat, die eigentlich steuerbare Ausgangsleistungen der Tochter betrafen, war hier kein Thema. Die Frage ist, ob der BFH nach Abschluss des Vorlageverfahrens mit Blick auf das Aussetzungsverfahren nicht so klug sein wird wie zuvor. Dieser Aussetzungsbeschluss bekräftigt jedenfalls, dass Holdings, die grundsätzlich durch steuerbare Leistungen an ihre Tochtergesellschaften Unternehmerinnen sind, nicht automatisch alle Vorsteuern abziehen können, die mit den Beteiligungen „irgendwie“ zusammenhängen.

(Stand: 12.08.2021)