Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung beim Grundstücksverkauf - BFH-Beschluss XI R 22/19

Mit Beschluss vom 2. Juli 2021 (XI R 22/19), veröffentlicht am 28. Oktober 2021, hat der BFH entschieden: Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung (anders gesagt: Der Widerruf der Option) beim Grundstücksverkauf muss nicht notariell beurkundet werden. Er ist möglich, solange die Steuerfestsetzung noch mit dem Einspruch angefochten werden kann oder noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

Verzicht auf Steuerbefreiung sollte rückgängig gemacht werden

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin ein Grundstück gekauft, wobei die Veräußerin auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a) UStG verzichtete. Der Verzicht wurde unter Beachtung von § 9 Abs. 3 S. 2 UStG im notariellen Kaufvertrag erklärt. Für den somit steuerpflichtigen Grundstücksverkauf ging die Steuerschuld nach § 13b UStG auf die Klägerin über, die diesen Umsatz auch entsprechend erklärte und den Vorsteuerabzug geltend machte. So kam es zu keiner Zahllast für die Klägerin.

Später verkaufte die Klägerin einen Teil des Grundstücks steuerfrei, was dazu geführt hätte, dass sie ihren Vorsteuerabzug aus dem Erwerb nach § 15a UStG hätte berichtigen müssen. Die Klägerin und die Veräußerin machten daher den Verzicht auf die Steuerbefreiung in einem weiteren, ebenfalls notariell beurkundeten Vertrag rückgängig. Die Umsatzsteuererklärung der Klägerin stand gem. § 168 S. 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich, der zum Zeitpunkt des Widerrufs des Verzichts auf die Steuerbefreiung noch nicht aufgehoben war.

Finanzamt beruft sich auf UStAE: Widerruf war zu spät

Das zuständige Finanzamt hielt den Widerruf für unwirksam – er hätte in dem notariellen Kaufvertrag erklärt werden müssen, der der Grundstückslieferung zugrunde lag. So sieht es Abschn. 9.2 Abs. 9 S. 3 UStAE vor, demnach der Verzicht und der Widerruf insoweit gleich zu behandeln sein sollen. 

BFH: Widerruf möglich, solange Bescheid anfechtbar ist oder unter Vorbehalt der Nachprüfung steht

Dieser Sichtweise erteilte der BFH eine Absage: Verzicht und Widerruf seien nicht mehr gleich zu behandeln, seit S. 2 in § 9 Abs. 3 UStG eingefügt wurde, demnach der Verzicht nur im notariellen Kaufvertrag erklärt werden kann. Zwar habe sich der BFH in seiner früheren Rechtsprechung für eine solche Gleichbehandlung ausgesprochen. Damals konnte aber der Verzicht bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklärt werden, sodass es logisch war, den Widerruf innerhalb desselben Zeitraums zu ermöglichen. Wenn der Verzicht aber seit der Rechtsänderung im notariellen Kaufvertrag erklärt werden muss, ergebe es keinen Sinn zu fordern, dass der Widerruf im selben Kaufvertrag erklärt werden muss. Damit wäre nämlich ein Widerruf faktisch ausgeschlossen.

Für eine Gleichbehandlung von Verzicht und Widerruf bestehe auch kein Bedürfnis: Dass der Verzicht schon im notariellen Kaufvertrag zu erklären ist, solle den Käufer davor schützen, von einer Steuerschuld überrascht zu werden. Der Widerruf jedoch entlaste den Käufer von der Steuerschuld, sodass er insoweit nicht schutzbedürftig sei.

Praktische Auswirkungen

Der BFH spricht hier das erlösende Wort, denn die bisherige Verwaltungsauffassung ist in der Tat sinnlos. Es ist zu erwarten, dass das BMF den Anwendungserlass entsprechend ändern wird. Steuerpflichtige, denen das Finanzamt die Wirksamkeit des Widerrufs abgesprochen hat, können sich auf die BFH-Entscheidung berufen. Eine Finesse sollte dabei im Auge behalten werden: Wegen der Umkehr der Steuerschuldnerschaft bei einem steuerpflichtigen Grundstücksverkauf kommt es wegen der Frage, ob der Steuerbescheid (oder die diesem gleichstehende Umsatzsteuererklärung) noch anfechtbar ist oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, auf den Leistungsempfänger an.

(Stand: 09.11.2021)