Vorsteuerabzug im Ehegatten-Vorschaltmodell kann zulässig sein – BFH-Urteil V R 29/20

Nicht abziehbare Vorsteuer ist ein Ärgernis, und um hier Abhilfe zu schaffen, werden auch kreative Wege beschritten. Ein auf Umwegen erlangter Vorsteuerabzug läuft aber häufig den Wertungen der MwStSystRL zuwider und ist daher unzulässig; zu diesem Ergebnis kam der EuGH zuletzt in Bezug auf das sogenannte Zwischenschaltmodell (C-98-21). Der BFH hat aber mit Urteil vom 29. September 2022, veröffentlicht am 12. Januar 2023, ein Modell gebilligt, bei dem ein nicht zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer seine Ehefrau vorgeschaltet hat.

Sachverhalt: Arzt lässt Pkw von seiner Ehefrau erwerben

Ein freiberuflich tätiger Arzt hatte zur Ausübung dieser Tätigkeit einen Pkw bestellt. Der zugrunde liegende Kaufvertrag wurde noch vor der Lieferung des Pkw dahin gehend geändert, dass nicht mehr der Arzt, sondern seine Ehefrau Käuferin dieses Pkw war – der Grund dafür war offenbar, dass der Arzt wegen seiner steuerfreien Ausgangsumsätze keinen Vorsteuerabzug gehabt hätte. Die Ehefrau war von ihrem Mann finanziell unabhängig und hat den Pkw mit eigenen Mitteln bezahlt. Sie überließ den Pkw unmittelbar nach der Lieferung im Rahmen eines eigens abgeschlossenen Leasingvertrags zu marktüblichen Leasingraten ihrem Ehemann. Der Ehemann verpflichtete sich, den Pkw in regelmäßigen Abständen zu warten, alle erforderlichen Reparaturarbeiten durchzuführen und das Fahrzeug auf eigene Kosten angemessen zu versichern. Tatsächlich wurden Wartungsarbeiten später von der Ehefrau beauftragt und bezahlt. Sie war im Versicherungsschein als weitere Nutzerin des Pkw eingetragen, verfügte daneben aber über ein weiteres Auto. Die Ehefrau unterwarf die Leasingraten ordnungsgemäß der Umsatzsteuer und machte aus den Anschaffungskosten des Pkw den Vorsteuerabzug geltend.

Finanzamt: fehlende Unternehmereigenschaft, Scheingeschäft, Missbrauch

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug und argumentierte, die Ehefrau sei keine Unternehmerin, weil sie den Pkw nicht am allgemeinen Markt angeboten hat. Leasinggeber seien üblicherweise gewerbliche Unternehmen mit entsprechenden Geschäftslokalen. Ein Leasinggeschäft mit einem einzelnen Pkw sei nur unter Angehörigen mit gleichgerichteten Interessen und ausschließlich zur Erlangung steuerlicher Vorteile denkbar. Die Pkw-Überlassung sei dem privaten Bereich zuzuordnen, denn es handle sich insoweit um einen Beitrag zur ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Darüber hinaus handle es sich bei dem Leasingvertrag um ein steuerlich unbeachtliches Scheingeschäft, weil auch die Ehefrau als Nutzerin in der Versicherungspolice eingetragen war. Diese Gestaltung sei zudem missbräuchlich i. S. d. § 42 AO.

BFH: Recht auf Vorsteuerabzug besteht

Der BFH entschied, die Ehefrau sei sehr wohl Unternehmerin geworden, denn sie habe nachhaltig eine Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt. Da sie den Pkw mit eigenen Mitteln angeschafft habe, habe sie auch ein unternehmerisches Risiko getragen. Dass eine Leistung nicht unbedingt am allgemeinen Markt angeboten werden muss, um steuerbar zu sein, entspreche der Rechtsprechung des BFH. Auch ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb sei nicht erforderlich.

Da der Leasingvertrag tatsächlich durchgeführt wurde, liege auch kein Scheingeschäft vor. Dass die Ehefrau die Wartungsarbeiten selbst bezahlt habe und insoweit vom Leasingvertrag abgewichen sei, könne daran nichts ändern, da jedenfalls die Rechtsfolgen eines Leasingvertrags von den Parteien gewollt waren.

Aus der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft haben die Eheleute die Pkw-Überlassung herausgehoben, indem sie sie durch Abschluss des Leasingvertrags auf eine besondere schuldrechtliche Grundlage gestellt haben.

Auch aus § 15 Abs. 1a UStG i. V. m. § 12 Nr. 1 EStG ergebe sich kein Vorsteuerabzugsverbot. Diese Vorschriften regeln, dass Vorsteuern aus Aufwendungen für den eigenen Haushalt oder den Unterhalt von Familienangehörigen nicht abgezogen werden dürfen. Da die Ehefrau den Pkw aber für die unternehmerische Tätigkeit des Leasings und nicht als „Familien-Pkw“ gekauft habe, seien diese Vorschriften nicht einschlägig.

Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pkw sei zudem weder missbräuchlich noch systemwidrig, denn die Ehefrau unterscheide sich von einem gewerblichen Leasingunternehmer lediglich dadurch, dass sie nur gegenüber einem einzigen, ihr nahestehenden Leistungsempfänger tätig werde. Dass am Anfang eines Leasingunternehmens ein Vorsteuerüberhang durch den Erwerb des Leasingguts entstehe, sei normal.

In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BFH die besondere Bedeutung der Frage betont, ob der vorgeschaltete Ehegatte den überlassenen Gegenstand aus eigenen Mitteln erworben hatte. Nur dann treffe er aufgrund finanzieller Unabhängigkeit seine wirtschaftlichen Entscheidungen frei und trage auch ein Unternehmerrisiko. Der Vorsteuerabzug sei dann dadurch begründet, dass durch die Vorschaltung des Ehegatten eine zusätzliche Stufe unternehmerischer Betätigung mit allen Vor- und Nachteilen begründet werde. Da dies hier der Fall gewesen sei, liege kein Rechtsmissbrauch vor, und es sei auch unerheblich, ob Zweck des Leasingvertrags eine Renditeerwartung oder ein Steuervorteil seien.

Aber: unentgeltliche Wertabgabe der Ehefrau

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hat auch die Ehefrau den Pkw genutzt. Das Finanzgericht war davon ausgegangen, dass dies als eigene Nutzung durch den Ehemann anzusehen sei, wenn er seiner Ehefrau erlaube, den von ihm geleasten Pkw zu nutzen. Entscheidend für diese Sichtweise war, dass im Leasingvertrag eine Vollvermietung vereinbart war und die Ehefrau sich vertraglich keine Eigennutzung vorbehalten hatte. Dem widersprach der BFH: Dass eine Vollvermietung vereinbart war, sei steuerlich unbeachtlich, wenn der Vertrag nicht tatsächlich entsprechend gelebt worden sei. Daher sei bei der Ehefrau eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu besteuern.

Praktische Einordnung

Zur Erlangung des Vorsteuerabzugs legen Steuerpflichtige zuweilen beachtliche Kreativität an den Tag, und manche Gestaltungen haben tatsächlich ein „Geschmäckle“. Die entscheidende Frage ist, ob die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, wofür der EuGH verschiedene Kriterien und Anhaltspunkte herausgearbeitet hat. Ob dies bejaht werden kann, ist stark einzelfallabhängig und oft alles andere als klar. Auch die Missbrauchsrechtsprechung ist einzelfallgeprägt und hängt wesentlich davon ab, ob das Geschäft auch tatsächlich so durchgeführt wird, wie es nach außen den Anschein hat. Aus dem hier besprochenen Urteil sollte daher kein Freibrief für Tricks abgeleitet werden. Außerdem ist zu bedenken, dass selbst bei einem akzeptablen Ehegatten-Vorschaltmodell wie hier die durch den Vorsteuerabzug gewonnene Steuer an anderer Stelle wieder bezahlt werden muss, hier in Form der steuerbaren Leasingleistung.

Stand: 3. Februar 2023