Symbolisches Entgelt reicht für wirtschaftliche Tätigkeit nicht aus – BFH-Beschluss XI R 35/19

Unentgeltliche Leistungen sind umsatzsteuerlich ein Problem: Wenn kein Fall der steuerbaren unentgeltlichen Wertabgabe vorliegt, führt die Unentgeltlichkeit dazu, dass für zu diesem Zweck bezogene Eingangsleistungen kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht. Dies wird in der Praxis häufig dadurch vermieden, dass zumindest ein kleines, ggf. nur symbolisches Entgelt vereinbart wird – wenn die Voraussetzungen der Mindestbemessungsgrundlage nicht erfüllt sind. Die EuGH-Entscheidung in der Rs. „Gemeente Borsele“ hat diese Möglichkeit stark eingeschränkt. Damit befasst sich nun auch der XI. Senat des BFH.

Sachverhalt: Gemeinde verpachtet defizitäres Schwimmbad

Eine Gemeinde betrieb ein Schwimmbad, das dauerhaft Verluste einbrachte. Um diese Verluste zu begrenzen, verpachtete sie das Schwimmbad an einen Verein und vereinbarte einen Pachtzins von 1 € pro Jahr. Im selben Vertrag war geregelt, dass die Gemeinde dem Verein einen jährlichen Zuschuss von 75.000 € zahlen sollte. Als die Gemeinde erwog, das Schwimmbad sanieren zu lassen, sorgte sie sich um den Vorsteuerabzug aus den dafür notwendigen Eingangsleistungen und kontaktierte deswegen das Finanzamt. Dieses kam, genau wie das Finanzgericht im späteren Klageverfahren, zu dem Schluss, es sei kein Vorsteuerabzug möglich. Das Entgelt sei so gering, dass es nicht als Gegenleistung für die Verpachtung des Schwimmbads angesehen werden könne, sodass insoweit eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde vorliege. Dass die Gemeinde und der Verein zwischenzeitlich die Verträge dahingehend änderten, dass der neue Pachtzins 10.000 € betrug und der Zuschuss in einen separaten Vertrag ausgelagert und auf 90.000 € erhöht wurde, änderte daran nichts.

Entscheidung XI. Senat: keine wirtschaftliche Tätigkeit, kein Vorsteuerabzug

Der Senat berief sich auf die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Gemeente Borsele“. Dort ging es um eine Gemeinde, die Schülertransporte mit dem Bus durchführte und dafür von den Eltern der Schüler*innen keine oder nur sehr geringe Zahlungen verlangte, sodass nur eine etwa 3%ige Kostendeckung erreicht wurde. Der EuGH stellte hier eine „Asymmetrie“ zwischen den Kosten und den erhaltenen Beträgen fest, welche daher eher eine Art Gebühr, aber kein Leistungsentgelt seien.

Diese Grundsätze übertrug der Senat auf den vorliegenden Fall. Der Zusammenhang zwischen der Nutzungsüberlassung und der Entgeltverpflichtung sei hier gelöst und 1 € kein tatsächlicher Gegenwert für die Verpachtung. Auch die neue vertragliche Gestaltung ändere an diesem Ergebnis nichts, denn da zeitgleich mit der Pachterhöhung auch der Zuschuss erhöht wurde, sei offensichtlich, dass sich wirtschaftlich an dem Zustand zwischen den Vertragsparteien nichts ändern sollte. Da der Pachtvertrag und die Zuschussvereinbarung aufeinander bezogen seien, dürfen sie nicht isoliert betrachtet werden.

Auswirkung: nicht kostendeckende Entgelte sorgfältig prüfen

Die Zeiten, in denen man sich den Vorsteuerabzug mit symbolischen Entgelten auf jeden Fall sichern konnte, sind vorbei. Klar dürfte aber auch sein, dass nicht jedes nichtkostendeckende Entgelt auch zu einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit führen kann, denn schließlich kann der Unternehmer gute Gründe dafür haben, seine Leistungen günstig anzubieten. Das MwSt-Recht „bestraft“ dies nur in den engen Grenzen der Mindestbemessungsgrundlage. Offenbar gibt es aber eine gewisse Untergrenze. Wo diese anzusetzen ist, bleibt auch nach diesem BFH-Beschluss unklar und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Solche Gestaltungen sollten sehr sorgfältig geprüft werden; soweit noch möglich, empfiehlt sich die Einholung einer verbindlichen Auskunft.

15. November 2022