Fernverkäufe und Dienstleistungen im B2C-Geschäft - Gesetzesänderung zum 1. Juli 2021

Wenn Ihr Unternehmen im B2C-Bereich (Business to Consumer) grenzüberschreitend tätig ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ab dem 1. Juli 2021 umsatzsteuerliche Meldepflichten in anderen EU-Mitgliedstaaten durch die Umsetzung der eCommerce-RL (Fernverkauf) entstehen. Sind Sie betroffen?

Die Antwort auf diese Frage finden Sie schnell: Ist Ihr Unternehmen im Rahmen der bislang geltenden Versandhandelsregelungen bereits in anderen EU-Mitgliedstaaten registriert und/oder nutzt für grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen im B2C-Bereich das Mini-One-Stop-Shop („MOSS“) Verfahren, kommen Änderungen auf Sie zu. Ab dem 1. Juli 2021 gelten neue Meldepflichten in anderen EU-Mitgliedstaaten, die dann fast unausweichlich sind.

Aktuelle Regelungen bei Versandhandelsfällen

Bis zum 30. Juni 2021 ist der Lieferort für Versandhandelsfälle (neu Fernverkäufe) in § 3c UStG geregelt. Hier gelten die jeweiligen länderspezifischen Lieferschwellen. Erst sobald diese Lieferschwellen im jeweiligen Mitgliedstaat (Ende der Beförderung) überschritten werden, findet eine Besteuerung mit Umsatzsteuer im Bestimmungsstaat statt.

Die Steuersätze des jeweiligen Landes sind daher anzuwenden und eine Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke ist vorzunehmen. Bis zum Überschreiten der Lieferschwelle verbleibt es bei einer Besteuerung mit Umsatzsteuer im Abgangsstaat der Ware (es besteht die Möglichkeit des Verzichts auf die Lieferschwelle).

Was sich jetzt ändert

Der bisherige MOSS wird insgesamt zu einem One‑Stop‑Shop („OSS“) auf bestimmte weitere im Gemeinschaftsgebiet steuerbare Dienstleistungen an Nichtunternehmer (B2C) oder insgesamt im B2C-Geschäft bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen ausgeweitet. Das betrifft auch Fernverkäufe aus Drittländern und bestimmte inländische Lieferungen von Gegenständen an Nichtunternehmer, die durch elektronische Schnittstellen unterstützt werden, also eine Vielzahl an Geschäftsaktivitäten im sog. „elektronischen Handel“.

Die Änderungen im Detail

Innergemeinschaftliche Fernverkäufe

Ab dem 1. Juli 2021 werden sog. Fernverkäufe (vormals Versandhandel) im B2C-Bereich, das heißt Warenlieferungen an Nichtunternehmer (Privatpersonen) und bestimmte gleichgestellte Unternehmer innerhalb der EU, grundsätzlich am Ort der Beendigung der Beförderung besteuert.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Lieferant innerhalb der gesamten EU durch entsprechende Fernverkäufe und bestimmte sonstige Leistungen im vorangegangenen oder im laufenden Kalenderjahr einen Umsatz von jährlich mehr als 10.000 Euro (netto) erzielt hat oder auf die Anwendung dieser Schwelle verzichtet. Die bislang bekannten länderspezifischen Lieferschwellen im Rahmen des Versandhandels fallen weg. Die Geringfügigkeitsschwelle gilt nicht, wenn der Unternehmer in mehr als einem Mitgliedstaat seinen Sitz, Geschäftsleitung, Betriebsstätte oder Wohnsitz hat.

An dieser Stelle der Hinweis: Die neue Geringfügigkeitsschwelle in Höhe von 10.000 Euro gilt nicht pro EU-Mitgliedstaat (wie bislang bei der Versandhandelsregelung), sondern für alle EU-Mitgliedstaaten kumulativ.  

Sonstige Leistungen

Einbezogen in die Geringfügigkeitsschwelle werden nicht nur die Fernverkäufe im Sinne des neuen § 3c Abs. 1 UStG n. F., sondern auch bestimmte sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 5 S. 2 UStG (Telekommunikation-, Rundfunk-, Fernseh- und auf elektronischem Weg erbrachte Leistungen).

Nutzung des OSS

Die Registrierungspflichten für umsatzsteuerliche Zwecke am Ort der Beendigung der Beförderung (in den meisten Fällen deckungsgleich mit dem Ansässigkeitsstaat des Kunden) oder der sonstigen Leistung können vermieden werden, wenn das neue OSS‑Verfahren durch den leistenden Unternehmer gewählt wird.

Besonderes Besteuerungsverfahren für von nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen

Ebenfalls ist neu, dass das OSS-Verfahren nunmehr auf alle von Unternehmen aus Drittstaaten erbrachten sonstigen B2C-Leistungen angewendet werden kann, wenn der Leistungsort im Gemeinschaftsgebiet liegt, § 18i  UStG n. F.

Besonderes Besteuerungsverfahren für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenstände

Zusätzlich wird der Import-One-Stop-Shop („IOSS“) gesetzlich in § 18k UStG n. F. für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro geregelt.

Schnittstellensonderregelungen

Des Weiteren werden Sonderregelungen für Verkäufe nach dem 30. Juni 2021, die durch eine elektronische Schnittstelle (beispielsweise Amazon, Ebay etc.) unterstützt werden, eingeführt.

Bis wann sollten betroffene Unternehmen spätestens reagieren?

Hinsichtlich der Anwendung der neuen Meldepflichten ab dem 1. Juli 2021 gibt es keine Übergangsfristen. Wenn die Geringfügigkeitsschwelle von insgesamt 10.000 Euro überschritten wird, entstehen umsatzsteuerliche Registrierungspflichten in allen betroffenen EU-Mitgliedstaaten. Ab dem 1. April 2021 können Sie sich beim Bundeszentralamt für Steuern für das neue (I)OSS-Verfahren anmelden, um dies zu vermeiden.

Grundsätzlich muss die Anzeige vor Beginn des Besteuerungszeitraums erfolgen, ab dessen Beginn der Unternehmer von dem besonderen Besteuerungsverfahren Gebrauch machen möchte (hier: vor dem 3. Quartal 2021, also bis spätestens zum 30. Juni 2021).

Was passiert, wenn die betroffenen Unternehmen nicht reagieren?

Wenn sich die betroffenen Unternehmen nicht für die Sonderregelung des (I)OSS registrieren, bestehen diverse umsatzsteuerliche Registrierungspflichten. Diese begründen sich durch die Erfüllung der o. g. Voraussetzungen und der grenzüberschreitenden Umsätze im B2C-Bereich, im jeweiligen EU-Staat, bereits mit dem „ersten Euro“.

Wenn in allen betroffenen Ländern bereits umsatzsteuerliche Registrierungen vorliegen, ist das unproblematisch.

Gehören Sie jedoch zu den Unternehmen, welche bspw. im B2C-Warenverkehr die bislang gültigen Lieferschwellen pro Staat überwachen und gegebenenfalls so steuern, dass Registrierungen bislang nicht notwendig waren und/oder Registrierungen nur in den umsatzstärksten Staaten durch die Überschreitung der bislang gültigen Lieferschwellen erforderlich wurden, kann sich für die Zeit ab dem 1. Juli 2021 auf Grund der dann gültigen Geringfügigkeitsschwelle in Höhe von 10.000 Euro eine entsprechende Registrierungspflicht ergeben. Diese vermeiden Sie nur durch eine rechtzeitige Registrierung für das (I)OSS-Verfahren.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für die Berechnung der Anwendbarkeit der neuen Fernverkaufsregelung und die neue Geringfügigkeitsschwelle für alle EU-Länder in Höhe von insgesamt 10.000 Euro auch die Umsätze des Jahres 2020 sowie des ersten Halbjahres 2021 einzubeziehen sind. Die Regelung zu den Fernverkäufen ist nur dann nicht anwendbar, wenn die Geringfügigkeitsgrenze von EUR 10.000 weder im vorangegangenen Kalenderjahr noch im aktuellen Kalenderjahr überschritten ist. Wenn Sie bereits jetzt in einem Land die derzeitige Lieferschwelle überschritten haben und auch in weiteren Ländern die oben beschriebenen Lieferungen oder Leistungen erbringen, werden weitere Registrierungen auf Sie zukommen.

Dies ist mit einem enormen administrativen Aufwand verbunden, der durch die Registrierung für die Sonderregelung (I)OSS umgangen werden kann. Auch bisherige umsatzsteuerliche Registrierungen könnten dann wegfallen.

Wie sollten betroffene Unternehmen jetzt handeln?

Unternehmen, die von den oben genannten Punkten betroffen sind, sollten sich mit den weitreichenden Folgen (insbesondere Registrierungspflichten) frühzeitig auseinandersetzen.

Es gilt abzuwägen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, im Ausland umsatzsteuerlich als nunmehr „Fernverkaufshändler“ (vormals: Versandhändler) erfasst zu bleiben bzw. werden oder zeitnah einen Zugang zum (I)OSS-Verfahren zu beantragen. Des Weiteren sind notwendige Anpassungen im Buchhaltungs-/ERP-System für die „neuen“ Geschäftsvorfälle zu prüfen. Hinzukommend sind die jeweils nationalen Steuersätze zu verifizieren und die damit einhergehenden landesspezifischen Rechnungsvoraussetzungen zu prüfen.

Hinweis

Wer bereits für das MOSS-Verfahren registriert ist, braucht sich nicht nochmal für das (I)OSS-Verfahren anzumelden.

(Stand: 10. Mai 2021)