BMF legte am 22. September 2022 den Entwurf eines Schreibens zur befristeten Absenkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen vor

Um die derzeit stark gestiegenen Gaspreise erträglicher zu machen, soll vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % gelten. Weil die Zeit drängt, hat das BMF schon jetzt den Entwurf eines Schreibens dazu veröffentlicht. Die Regelungen entsprechen im Wesentlichen jenen, die bereits zur temporären allgemeinen Steuersatzsenkung im zweiten Halbjahr 2020 getroffen wurden. Wir erläutern die wichtigsten.

Was ist umfasst?

Der ermäßigte Steuersatz gilt auf allen Handelsstufen. Erfasst werden nur Lieferungen über das Erdgasnetz, nicht etwa der Verkauf von Gaskartuschen. Die Art des Gases spielt keine Rolle, die Steuersatzermäßigung gilt nicht nur für Erdgas, sondern auch für Biogas. Das Legen von Hausanschlüssen gilt ebenfalls als Gaslieferung. Auch die Mehr-/Mindermengen-Abrechnungen von Gas auf der Ebene des Ausspeisenetzbetreibers sowohl im Verhältnis zum Transportkunden als auch zum Marktgebietsverantwortlichen sind umfasst. Da Gaslieferungen über das Erdgasnetz gem. § 3g ruhende Lieferungen sind, gibt es in diesem Bereich keine innergemeinschaftlichen Erwerbe, sodass der Steuersatz hier keine Rolle spielt. Die Einfuhr bleibt unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG steuerfrei.

Was ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Zuordnung des Steuersatzes?

Maßgeblich für den anzuwenden Steuersatz ist grundsätzlich der Leistungszeitpunkt. Dies ist bei Gaslieferungen der Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums. Wenn ein Ablesezeitraum zwischen dem 1. Oktober 2022 und dem 31. März 2024 endet, findet der ermäßigte Steuersatz auf sämtliche Gaslieferungen seit dem letzten Ablesezeitraum Anwendung. Endet er davor oder danach, gilt der Regelsteuersatz. Reicht der Ablesezeitraum zum Beispiel vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022, ist der Leistungszeitpunkt der 31. Dezember 2022, sodass die Gaslieferungen des ganzen Jahres 2022 mit 7 % zu besteuern sind.

Leistet der Kunde während des Ablesezeitraums Abschlagszahlungen, entstehen dadurch keine eigenständigen Teilleistungen (vgl. Abschn. 13.1 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE). Die Vereinnahmung jeder dieser Zahlungen begründet aber nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG einen eigenständigen Besteuerungstatbestand als Anzahlung. Die Steuer entsteht zunächst mit dem im Zeitpunkt der Vereinnahmung geltenden Steuersatz und ist dann im Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung (im gewählten Beispiel zum Zeitpunkt des Ablesens, also in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2022) auf 7 % zu korrigieren, § 27 Abs. 1 Satz 2 und 3 UStG.

Abrechnungszeiträume können aus Vereinfachungsgründen für den Steuersatz separat betrachtet werden

Wenn Gaslieferungen innerhalb eines Ablesezeitraums gesondert abgerechnet werden, hat das BMF keine Bedenken, die dadurch entstehenden Abrechnungszeiträume wie Ablesezeiträume zu behandeln.

Reicht der Ablesezeitraum zum Beispiel vom 1. August 2022 bis zum 31. Oktober 2022, gälte regulär auf die gesamte Gaslieferung dieses Ablesezeitraums der ermäßigte Steuersatz. Es wird aber nicht beanstandet, wenn der Gaslieferant die Gaslieferungen vor dem 1. September 2022 mit dem Steuersatz von 19 % abrechnet und versteuert und auf die Lieferungen ab dem 1. September 2022 den ermäßigten Steuersatz von 7 % anwendet, ohne dies korrigieren. Für die Gasversorger stellt dies eine administrative Vereinfachung dar, weil die (in der Regel monatlichen) Abschlagszahlungen für Monate bis September 2022 bereits mit 19 % versteuert wurden und so eine Korrektur unterbleiben kann. Der „intendierten Breitenwirkung der Steuersatzsenkung“, auf die das BMF in Tz. 4 seines Schreibens Bezug nimmt, ist dies natürlich nicht dienlich, da das Potenzial des ermäßigten Steuersatzes so nicht ausgeschöpft wird. Da der Ablesezeitraum sehr häufig das Kalenderjahr umfasst, würden nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Verbraucher*innen nur für das letzte Quartal 2022 vom ermäßigten Steuersatz profitieren, obwohl er für das ganze Jahr angewendet werden könnte, und dadurch massiv benachteiligt.

Anders sieht es aus, wenn der Ablesezeitraum beispielsweise vom 1. Februar 2024 bis zum 30. April 2024 reicht: Regulär wäre dieser Ablesezeitraum insgesamt mit 19 % zu besteuern. Wird ein Abrechnungszeitraum gebildet, der vor dem 1. April 2022 endet, können die Gaslieferungen vor diesem Stichtag mit 7 % besteuert werden und nur die Lieferungen danach unterliegen dem Steuersatz von 19 %. Dies führt zu einer für die Verbraucher*innen günstigen Erweiterung der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes.

Da in beiden Fällen nur der Abrechnungs-, aber nicht der Ablesezeitraum verkürzt wird, ist nicht feststellbar, welche Gasmengen vor bzw. nach dem Steuersatzwechsel geliefert wurden. Daher wird es nicht beanstandet, wenn die Menge nach dem Verhältnis der Anzahl der Tage aufgeteilt wird. Bei Ablesezeiträumen von mehr als drei Monaten muss in der Regel eine Gewichtung vorgenommen werden, die die Verbrauchsunterschiede im Jahresverlauf berücksichtigt.

Es ist nicht verpflichtend, diese Vereinfachung anzuwenden, grundsätzlich können Vereinfachungsregelungen jedoch nur einheitlich angewendet werden, was vor allem im Hinblick auf die zum 1. April 2024 eintretende Steuersatzerhöhung von Bedeutung ist.

Rechnungen über Abschlagszahlungen müssen erst mit der Endabrechnung korrigiert werden

Es wird nicht beanstandet, wenn Rechnungen über Abschlagszahlungen, die zwischen dem 1. Oktober 2022 und dem 31. März 2024 fällig werden, nicht berichtigt werden, sofern 19 % Umsatzsteuer abgeführt und erst mit der Endabrechnung berichtigt werden. Zum Vorsteuerabzug berechtigte Kunden dürfen aus Abschlagsrechnungen, die aus Vereinfachungsgründen mit 19% Umsatzsteuer abgerechnet wurden, die volle Vorsteuer geltend machen, wenn dies in der Endabrechnung wieder korrigiert wird.

Berücksichtigt man, dass Zweck der Steuersatzsenkung vor allem die Entlastung der Bürger*innen ist – Unternehmen in der Gaslieferkette wenden das Reverse-Charge-Verfahren an bzw. sind meist zum Vorsteuerabzug berechtigt –, stellt sich die Frage, ob diese Vereinfachungsregelung nicht fehl am Platz ist, denn sie stellt für die Verbraucher*innen einen massiven Liquiditätsnachteil dar. Zusammen mit der oben beschriebenen Vereinfachung ergibt sich für das Beispiel eines Ablesezeitraums vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 Folgendes: Die Gasversorger sind hiernach berechtigt, alle Abschlagszahlungen vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2022 zunächst einmal mit dem Steuersatz von 19 % abzurechnen, sind aber verpflichtet, für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2022 im Rahmen einer Schlussrechnung den Kund*innen die Steuersatzdifferenz von 12 % wieder zu erstatten. Die Umsatzsteuerbelastung der Monate Januar bis September 2022 mit 19 % bleibt bestehen. Würde der Gasversorger hingegen entsprechend den allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätzen abrechnen, müsste er die Abschlagszahlungen ab Oktober 2022 bereits dem Steuersatz von 7 % unterwerfen und den Steuersatz für die Monate Januar bis September 2022 im Rahmen der Schlussrechnung auf 7 % reduzieren und erstatten. Ob die Vereinfachungsregelung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, darf bezweifelt werden.

Gastag

In der Gasbranche beginnt und endet ein „Gastag“ um 6 Uhr morgens. Es wird nicht beanstandet, wenn der Unternehmer Abrechnungen zum 1. Oktober 2022, 6 Uhr und zum 1. April 2024, 6 Uhr so behandelt, als wären sie bis 24 Uhr des Vortages erfolgt. Ein Unternehmer kann diese Regelung nur einheitlich anwenden.

Überhöhter USt-Ausweis in Rechnungen an Unternehmer

Hat der Gaslieferant auch unter Beachtung der oben genannten Grundsätze zu Unrecht 19 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt und auch abgeführt, muss dies aus Vereinfachungsgründen nicht berichtigt werden. Der unternehmerische Kunde kann 19 % Vorsteuer abziehen. Diese Kulanzregelung gilt allerdings nur für Leistungen im Oktober 2022.

Für Unternehmer, die grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, spielt diese Vereinfachung keine Rolle. Andere, z. B. Banken und Versicherungen, werden dadurch aber benachteiligt, weil sie die überhöhte Umsatzsteuer bezahlen müssen, ohne sie als Vorsteuer abziehen zu können.