Neue Rahmenbedingungen für die energieintensive Industrie

Senkung der EEG-Umlage, CO2-Kosten und neue Beihilfeleitlinien – Worauf müssen sich die Unternehmen einstellen?

Das Ziel, Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 umzusetzen, ist fest verankert. Die nächste Bundesregierung wird womöglich das gesamte Energiesystem und seinen Rechtsrahmen drastisch umbauen. Vorboten dieses strukturellen Umbaus lässt der nunmehr geschlossene Koalitionsvertrag erkennen.

Wir fassen zusammen, auf welche Gegebenheiten energieintensive Unternehmen in näherer Zukunft treffen könnten und welche Vorkehrungen sie gegebenenfalls schon jetzt treffen können.

Entwicklung der EEG-Umlage

Am 15. Oktober 2021 wurde die neue EEG-Umlage für das Kalenderjahr 2022 bekanntgegeben. Diese wird mit 3,723 ct/kWh gegenüber dem Vorjahr 2021 um über 40% sinken. Als wesentliche Treiber für diese Entwicklung sind hohe Erlöse der Übertragungsnetzbetreiber aus der Vermarktung des EEG-Stroms, gestiegene Strombörsenpreise, ein Bundeszuschuss aus Einnahmen aus dem nationalen Emissionshandel sowie auslaufende Förderungen älterer EEG-Anlagen zu nennen.

Die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis soll nach den Absichtserklärungen der Ampel-Koalitionäre zum 1. Januar 2023 vollständig beendet werden.  

Schicksal der Besonderen Ausgleichsregelung im EEG (BesAR)

Mit dem Ende der EEG-Umlage als Stromkostenbestandteil ab dem Begrenzungsjahr 2023 scheint auf den ersten Blick auch das Ende der BesAR besiegelt. Zu berücksichtigen ist hier aber, dass stromkostenintensive Unternehmen auch im Rahmen der KWK-Umlage sowie der Offshore-Netzumlage nur dann begrenzt werden, wenn sie über einen EEG-Begrenzungsbescheid des BAFA verfügen. Anders als die EEG-Umlage werden aber die KWK-Umlage und die Offshore-Netzumlage erstmal nicht aus dem Strompreissystem verschwinden.

Es ist derzeit völlig offen, ob und wie die Unternehmen künftig eine Begrenzung der KWK-Umlage und der Offshore-Netzumlage erhalten. Die neue Bundesregierung will nach eigener Aussage im Koalitionsvertrag jedenfalls alle Ausnahmebestimmungen betreffend Umlage und Steuern im Energiebereich überprüfen und anpassen. Wir halten es für nicht ausgeschlossen, dass die Unternehmen zumindest übergangsweise weiterhin Anträge nach dem EEG stellen, um eine Begrenzung zumindest der KWK-Umlage und der Offshore-Netzumlage zu erhalten.

Sollte die Antragstellung auch im Jahr 2023 tatsächlich noch möglich sein, so haben die Unternehmen die Effekte der Senkung der EEG-Umlage im Blick zu behalten. Denn diese schlägt sich zeitverzögert auch auf die jährlich vom BAFA veröffentlichten durchschnittlichen Strompreise nieder. Niedrigere Durchschnittsstrompreise führen grundsätzlich zu einem Absinken der Stromkostenintensität.

Bei isolierter Betrachtung des Effekts der sinkenden EEG-Umlage, die in den durchschnittlichen Strompreis einfließt, kann nach unserer vereinfachten Berechnung als Arbeitshypothese im Mittel von ca. 20 % niedrigeren Werten gegenüber 2021 ausgegangen werden. Dieser Effekt könnte jedoch durch gegenläufige Effekte, z. B. den Anstieg der Strombörsenpreise, wiederum aufgefangen werden, so dass sich der Durchschnittsstrompreis nicht zwangsläufig verringern wird.

Auf die nächste Antragstellung zum 30. Juni 2022 würden sich derartige Effekte noch nicht auswirken, da noch auf die tatsächlichen Stromkosten des Jahres 2021 Bezug genommen wird. Auch wenn die Anforderungen an die Stromkostenintensität in den nächsten Antragsrunden schrittweise herabgesetzt werden (2022: 13%; 2023: 12%), sollten jedenfalls diejenigen Unternehmen, die schon in diesem Jahr die 14%-Schwelle nur knapp erreicht haben, die Effekte auf den durchschnittlichen Strompreis in Gänze bei ihrer Planung im Blick behalten.

Unsere Empfehlung

Sobald sich in dieser ungewissen Ausgangslage zeigt, ob es EEG-antragsbasierte Umlagebegrenzungen überhaupt noch geben wird, empfiehlt sich eine Sensitivitätsanalyse der relevanten Kennzahlen sowie die laufende Überwachung und Simulation der Stromkostenintensität der folgenden Jahre.

Auch bei Veränderung der unternehmensbezogenen Einflussfaktoren, wie beispielweise dem Abschluss neuer Intercompany- oder Werkverträge, sich verändernden Planzahlen oder geplanten Umstrukturierungen gibt es weiterhin Handlungsbedarf. Sprechen Sie uns diesbezüglich gerne an.

Neue Beihilfeleitlinien (KUEBLL)

Vielen energieintensiven Unternehmen bereitet seit einiger Zeit die Entwicklung des europäischen Beihilfenrechts Sorge. Mit den Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022 (KUEBLL) werden die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (UEBLL) novelliert. Nach dem Entwurf der KUEBLL ist für einige stromkostenintensive Unternehmen fraglich, ob sie künftig überhaupt noch begrenzungsfähig sind.

Welche Unternehmen wären künftig überhaupt noch begrenzungsfähig?

Derzeit sind die privilegierten Branchen in Anlage 4 zum EEG 2021 (Liste 1 & 2) aufgeführt. Blickt man nun auf den Entwurf der KUEBLL, so fällt ins Auge, dass die KUEBLL nur noch einen stark verkürzten Anhang (Annex I) enthält. Danach sind einige „Liste 1-Branchen“ im Sinne des EEG nicht mehr aufgeführt. Die „Liste 2-Branchen“ verschwinden im KUEBLL-Entwurf fast vollständig. Es ist also zu befürchten, dass die Anlage 4 zum EEG 2021 künftig viel knapper ausfällt und ganze Branchen aus der Umlage-Begrenzungsfähigkeit herausfallen. Betroffen wären u.a. Hersteller von Verpackungsmitteln aus Kunststoffen, von Ziegeln und sonstiger Baukeramik sowie Stahl-, Leichtmetall- und Buntmetallgießereien.

Branchen, die nach dem Entwurfstand der KUEBLL nicht mehr begrenzungsfähig sind, können allenfalls hoffen, dass die Bundesregierung „Härtefälle“ abweichend von der KUEBLL politisch auszuhandeln vermag. Ob dies den Unternehmen letztlich überhaupt noch helfen würde, bleibt angesichts des insgesamt ungewissen Schicksals der BesAR nur abzuwarten.  

Weitere Verschärfungen

Daneben sind einige Verschärfungen für die energieauditpflichtigen Unternehmen zu erwarten. Beispielsweise könnten die Unternehmen künftig verpflichtet sein, ihren Stromverbrauch zu 30% aus CO2-freien Erzeugungsquellen zu decken. Dies könnt z.B. zu einem Zubau von Photovoltaikanlagen auf den Betriebsgrundstücken der Unternehmen führen. In den meisten Fällen wird es aber kaum gelingen, die Vorgabe allein durch eine CO2-neutrale Stromerzeugung vor Ort zu erfüllen. Wird der Strom wie in den meisten Fällen aus dem vorgelagerten Netz bezogen, wäre der Nachweis möglicherweise über grüne Herkunftsnachweise zu führen.   

Wie und ab wann werden die neuen Vorgaben wirksam?

Nach der Pressemitteilung der Europäischen Kommission sollen die KUEBLL noch im Jahr 2021 angenommen werden. Die KUEBLL entfaltet für die Unternehmen keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit. Allerdings stellen die KUEBLL die Rechtsauffassung der Europäischen Kommission dar, nach der der deutsche Gesetzgeber die Besondere Ausgleichsregelung im EEG künftig auszugestalten hat.  

Für die betroffenen Unternehmen, die aus dem beihilferechtlich vorgegebenen Rahmen herausfallen, wird es daher wohl spätestens mit der nächsten EEG-Novelle ernst. Eher nicht zu erwarten ist, dass das BAFA die Vorgaben der KUEBLL anwendet, bevor diese in nationales Recht umgesetzt werden.

Umgang mit CO2-Belastungen

Indirekte Belastung durch nationalen Emissionshandel

Der zum 1. Januar 2021 mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) eingeführte nationale Emissionshandel belastet energieintensive Unternehmen indirekt. Nach dem BEHG unmittelbar verpflichtet sind zwar nur Unternehmen, die fossile Heiz- und Kraftstoffe (insb. Heizöl, Flüssig- und Erdgas, Benzin und Diesel) in Verkehr bringen, also typischerweise Versorger. Jedoch wälzen die Versorger die durch das BEHG veranlassten Zusatzkosten auf die Letztverbraucher um.

Weil dies die Gefahr der Abwanderung brennstoffintensiver Industrien ins Ausland birgt (sog. Carbon Leakage), hat die Bundesregierung im Sommer dieses Jahres eine BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung (BECV) verabschiedet. Danach sollen die Carbon-Leakage-gefährdeten Unternehmen finanziell kompensiert werden.

Daneben wird es eine Kompensation für sog. Härtefälle geben. Hierzu hat das Bundesumweltministerium einen Regelungsentwurf in der Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) vorgelegt. Eine unzumutbare Härte wäre danach in Einzelfällen anzunehmen, wenn die zusätzlichen Kosten der CO2-Bepreisung weder vermieden noch über die Produktpreise weitergegeben werden können und für das Unternehmen eine erdrosselnde Wirkung haben.

Anträge auf Kompensation sind bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zu stellen. Das erste Antragsverfahren für eine Carbon-Leakage-Kompensation wird im nächsten Jahr stattfinden (Antragsfrist: 30. Juni). Die DEHSt will hierzu noch im ersten Quartal 2022 Antragsformulare, einen Leitfaden und weitere Informationen auf ihrer Website zur Verfügung stellen. Sektoren und Teilsektoren, die nicht bereits seit Inkrafttreten der BECV als beihilfeberechtigt auf der BECV-Carbon-Leakage-Liste geführt werden, können die Beihilfeberechtigung nachträglich auf Antrag erlangen. Für dieses Verfahren hat die DEHSt nunmehr einen Leitfaden veröffentlicht.

Auch weil die BEHG-Kosten kontinuierlich ansteigen werden, sollten Unternehmen frühzeitig prüfen, ob sie beihilfeberechtig sind bzw. ob die Voraussetzungen für eine Kompensation vorliegen. Gerne unterstützen wir Sie hierbei.

Vermeidung von Doppelbelastungen

Zu Doppelbelastungen kann es für energieintensive Unternehmen kommen, wenn die mit dem CO2-Preis belasteten Brennstoffe in Anlagen eingesetzt werden, für deren Emissionen bereits nach dem europäischen Emissionshandel (EU-ETS) Emissionszertifikate abgegeben werden müssen. Für diesen Fall sieht das BEHG Mechanismen vor, die eine Doppelbelastung ausschließen.

Die nach dem BEHG erlassene Emissionsberichterstattungsverordnung 2022 (EBeV 2022) sieht beispielsweise vor, dass der Lieferant von nach BEHG belasteten Brennstoffen auf die Erhebung der BEHG-Kosten verzichten kann. Ein solcher Verzicht ist möglich, soweit der Lieferant selbst nicht verpflichtet ist, für solche Mengen Emissionszertifikate zu erwerben, die in einer dem EU-ETS unterliegenden Anlage verwendet werden.

Einen Anspruch hierauf haben die dem EU-ETS unterliegenden Unternehmen allerdings nicht. Dieses Vorgehen ist vielmehr mit dem Lieferanten zu vereinbaren. Außerdem ist die für die Überwachung zuständige DEHSt hierüber umfassend zu informieren.

Alternativ sollen Unternehmen, die von beiden Systemen erfasst werden, nachträglich eine Kompensation für die vom Lieferanten weitergewälzten CO2-Preise verlangen können. Ein solches Verfahren wäre allerdings noch durch den Verordnungsgeber auszugestalten.

Betreiber von Anlagen, die dem EU-ETS unterliegen, sollten ihre Kompensationsmöglichkeiten prüfen und gegebenenfalls auf ihre Brennstofflieferanten zugehen.

Was bringt die Zukunft?

Allein der Wegfall der EEG-Umlage wird für die Unternehmen keine Kostenerleichterung bringen, weil Strompreise gleichzeitig auf ein Rekordniveau ansteigen. Somit ist zu befürchten, dass die Einsparung an EEG-Umlage durch die massiv gestiegenen Strompreise überkompensiert wird.

Wie der Preistreiber Strombörsenpreis abgefedert werden kann, ist aktuell noch offen. Branchenverbände fordern mitunter einen Industriestrompreis, der die aktuell zu beobachtenden Preissprünge kompensieren soll. Was dies insbesondere für die energieintensive Industrie tatsächlich bedeuten würde, ist aktuell kaum abzusehen. Fest steht lediglich, dass der strukturelle Umbau des Energiekostensystems durch den CO2-Preis geprägt wird.“

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