BAG-Urteil: Hinweis- und Informationspflichten des Arbeitgebers bei betrieblicher Altersversorgung

Das BAG beschäftigte sich in seinem Urteil v. 18.2.2020 (Az. 3 AZR 206/18) mit der Reichweite der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflichten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung und befasste sich mit der Frage zu möglich anfallenden vermögensberatenden Aufgaben des Arbeitgebers.

Dem Sachverhalt zugrunde liegt die Schadensersatzklage eines im Jahr 2014 in den Ruhestand getretenen Arbeitnehmers (Kläger) gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber (Beklagte). Im Jahr 2003 nahm der Kläger an einer Betriebsversammlung der   Beklagten teil, auf der ein „Fachberater für betriebliche Altersversorgung“ der Sparkasse über die Möglichkeit zur Vorsorge und die Chance der Netto-Lohnerhöhung i. R. d. Entgeltumwandlung über eine Pensionskasse informierte. Dem folgend schloss der Kläger im September 2003 eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Kapitalwahlrecht ab. Anfang 2015 ließ er sich seine Pensionskassenrente als Einmalbetrag auszahlen. Die Auszahlung betreffend musste der Kläger jedoch aufgrund   einer Gesetzesänderung im Jahr 2003 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten (s. Sozialversicherungspflicht durch GKV-Modernisierungsgesetz). Sich in seinen Rechten verletzt sehend erhob der Betriebsrentner daraufhin Klage und verlangte die i. R. d. Sozialversicherungspflicht anfallende Summe als Schadensersatz. Dies begründet er anhand der fehlenden Aufklärung seiner ehemaligen Arbeitgeberin bezüglich der Gesetzesänderung (s. Vorinstanz LAG Hamm, Urteil v. 16.12.2017 – Az. 4 Sa 852/17).

Über drei Instanzen wurde die Informationspflicht des Arbeitgebers im vorliegenden Sachverhalt unterschiedlich beurteilt. Wurde die Klage durch das Arbeitsgericht Dortmund mit Urteil vom 11.5.2017 – Az. 3 Ca 177/17 noch abgewiesen, so hatte die Berufung des Klägers vor dem LAG Hamm mit Urteil vom 6.12.2017 – Az. 4 Sa 852/17 Erfolg. Das LAG Hamm beurteilte hierbei, dass der Beklagten im vorliegenden Fall aufgrund der erhöhten Schutzbedürftigkeit des Klägers i. R. d. Entgeltumwandlungsvereinbarung Informations- und Aufklärungspflichten entstehen. Zwar sei die Beratung nicht durch die Beklagte selbst durchgeführt worden, jedoch sei nach Meinung des LAG Hamm der Fachberater der Sparkasse als Erfüllungsgehilfe i. S. d. § 278 S. 1 HGB zu werten, wodurch sich die Beklagte deren anfallende Informations- und Aufklärungspflichten und in diesem Sinne die unterlassene Aufklärung (Pflichtverletzung) zurechnen lassen müsse.

Das BAG gab in seinem Urteil v. 18.2.2020 (Az. 3 AZR 206/18) der Revision statt und hob das Berufungsurteil auf. Grundsätzlich urteilt das BAG, dass den Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht träfe, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen. Sofern dieser jedoch freiwillige (überobligatorische) Auskünfte erteilt, ohne dazu verpflichtet zu sein, so müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Anderenfalls hafte der Arbeitgeber für Schäden, die der Arbeitnehmer aufgrund der fehlerhaften Auskunft erleidet. Jedoch ist laut BAG zu beachten, dass die Entstehung solcher arbeitgeberseitigen Pflichten eine konkrete Information des Arbeitnehmers über den jeweiligen Sachverhalt voraussetze. Dies sei vorliegend jedoch zu verneinen, da es i. R. d. Betriebsversammlung zu keiner Unterrichtung des Klägers über Beitragspflichten zur Sozialversicherung kam. Die Frage, ob die Auskünfte des Fachberaters der Sparkasse der Beklagten zuzurechnen seien, bedurfte laut BAG keiner Entscheidung (s. BAG-Pressemitteilung Nr. 8/20).

Fazit

Schon das Betriebsrentengesetz sieht zahlreiche Informations- und Aufklärungsverpflichtungen des Arbeitgebers vor, wodurch das Machtgefälle zwischen den Arbeitsvertragsparteien gemindert werden soll. Doch entschied sich das BAG mit seinem Urteil vom 18.2.2020 nun dafür, dass dem Arbeitgeber im Falle der Entgeltumwandlung keine gesonderten Aufklärungsverpflichtungen treffen, denn bei Arbeitgebern handelt es sich nach Meinung des BAG um keine Vermögensberater.

Folgende Grundsätze lassen sich dem Urteil für den Fall der arbeitnehmerfinanzierten betrieblichen Altersversorgung entnehmen:

  • Für den Arbeitgeber besteht keine allgemeine Pflicht, Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen.
  • Sofern der Arbeitgeber Auskünfte erteilt, ohne hierzu verpflichtet zu sein, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein.
  • Den Arbeitgeber trifft keine allgemeine Beratungspflicht zur betrieblichen Altersversorgung.

Jedoch macht sich der Arbeitgeber bei fehlerhaften Informationen schadensersatzpflichtig. Grundsätzlich ist den Arbeitgebern in solchen Konstellationen somit anzuraten, hinsichtlich der Informationen zu steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen der Entgeltumwandlung zurückhaltend zu sein, um entsprechende Haftungsrisiken möglichst zu vermeiden. Soweit eine Information erfolgt, sollte diese dokumentiert werden.

Autorinnen

Marion Plesch
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