Teleradiologie nach dem neuen Strahlenschutzrecht

19.06.2020 – Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) ist am 31. Dezember 2018 in Kraft getreten und hat die Röntgenverordnung (RöV) abgelöst. An dem Genehmigungserfordernis der Teleradiologie hat sich nichts geändert: Nach §§ 12 Abs. 1 Nr. 4, 14 Abs. 2 StrlSchG benötigen Krankenhäuser, die teleradiologische Untersuchungen durchführen möchten, hierfür eine Genehmigung der zuständigen Strahlenschutzbehörde.

Die auf dem Gebiet der Teleradiologie wohl bedeutsamste, jedoch unscheinbare Neuerung ist mit der Person des Teleradiologen verbunden. Dies ist der Arzt, der gesamtverantwortlich für die Röntgenuntersuchung ist und Indikationsstellung und Befundung vornimmt, sich jedoch nicht am Ort der technischen Untersuchungsdurchführung befindet. Nach § 2 Nr. 24 RöV musste der Teleradiologe ein Arzt sein, der die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz für das Gesamtgebiet der Röntgenuntersuchung besitzt. Solche Ärzte waren sehr knapp. Das StrlSchG stellt in § 5 Abs. 38 nunmehr nur noch auf die „erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz“ ab. Danach können auch Ärzte, die die Fachkunde lediglich für ein einzelnes Anwendungsgebiet besitzen (z. B. CT), in diesem Gebiet als Teleradiologen eingesetzt werden.

Im Übrigen bestehen nach wie vor sehr hohe Hürden für den Einsatz teleradiologischer Lösungen. Das liegt daran, dass nach Ansicht des Gesetzgebers die von einem Radiologen oder einem anderen Arzt mit der Fachkunde im Strahlenschutz zu stellende rechtfertigende Indikation grundsätzlich auf einer persönlichen Untersuchung des Patienten vor Ort beruhen muss (§ 83 Abs. 3 S. 4 StrlSchG). Demgegenüber soll die teleradiologische Diagnostik der Ausnahmefall bleiben. Daher ist der Betrieb von Röntgengeräten und Computertomographen zur Teleradiologie regelmäßig nur nachts, an Wochenenden sowie an Feiertagen genehmigungsfähig.

Nur ausnahmsweise dürfen teleradiologische Systeme mit entsprechender Genehmigung auch unter der Woche im Tagdienst betrieben werden, nämlich wenn hierfür ein von der Strahlenschutzbehörde festgestellter Versorgungsbedarf besteht. Dies ist typischerweise der Fall, wenn es am Gerätestandort (Krankenhaus) an Radiologen mangelt. Dabei kann es richtigerweise nicht darauf ankommen, ob sich das Krankenhaus vergeblich darum bemüht hat, den Personalmangel zu beheben, etwa indem es eine Stellenanzeige geschaltet oder einen Headhunter beauftragt hat. Genauso unbeachtlich muss es sein, ob der Bedarf im Wege der Arbeitnehmerüberlassung durch Zeitarbeitskräfte gedeckt werden könnte. Einen Bedarf wird man auch dann bejahen müssen, wenn so wenige radiologische Untersuchungen am Tag anfallen, dass sich die Anstellung eines Radiologen vor Ort wirtschaftlich nicht darstellen lässt, wie dies insbesondere bei kleineren Fach- oder Belegkrankenhäusern der Fall sein kann.

Die Betriebsgenehmigung des Röntgengeräts zur Teleradiologie setzt zunächst voraus, dass die Verfügbarkeit des Teleradiologen während der Untersuchung gewährleistet ist. Damit soll sichergestellt werden, dass der Radiologe, wenn er schon nicht vor Ort sein kann, in der Lage ist, über Telekommunikationsmittel und die vor Ort anwesenden Personen (Arzt, MTRA) Einfluss auf die Untersuchung zu nehmen.

Ferner muss sichergestellt sein, dass eine Person die Röntgen- oder CT-Untersuchung vor Ort technisch durchführt, die die Fachkunde im Strahlenschutz besitzt und zur technischen Untersuchungsdurchführung berechtigt ist. Nach §§ 123 Abs. 3, 145 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) sind dies Medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten (MTRA) sowie Personen mit einem vergleichbaren staatlich anerkannten Abschluss, sofern sie die erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz besitzen. MTRAAuszubildende, die unter Anleitung einer MTRA grundsätzlich zur technischen Durchführung von Röntgenuntersuchungen berechtigt sind, dürfen bei teleradiologischen Untersuchungen nicht eingesetzt werden.

Genehmigungsfähig ist der Betrieb des Teleradiologiesystems schließlich nur dann, wenn die Anwesenheit eines Arztes mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz gewährleistet ist.

Das Zusammenwirken von Teleradiologen einerseits und den am Untersuchungsort anwesenden Arzt und MTRA andererseits („teleradiologische Trias“) konkretisiert § 123 StrlSchV. Danach ermittelt der vor Ort anwesende Arzt zunächst sämtliche Informationen, die der Teleradiologe für die rechtfertigende Indikationsstellung benötigt. Dies sind sämtliche röntgenrelevante Angaben aus Anamnese, körperlichem Befund, Voruntersuchungen, Labor und klinische Fragestellung. Diese Informationen leitet er an den Teleradiologen weiter. Nach eingehender Beratung mit dem Arzt vor Ort stellt der Teleradiologe die rechtfertigende Indikation. Der MTRA führt die Untersuchung technisch durch. Anschließend befundet der Teleradiologe die ihm elektronisch übermittelten Untersuchungsergebnisse.

Ferner wird der Betrieb der Röntgeneinrichtung zur Teleradiologie nur genehmigt, wenn die erforderliche Verfügbarkeit des Teleradiologiesystems gewährleistet ist. Diese Voraussetzung ist regelmäßig gegeben, wenn das Teleradiologiesystem die DIN-Norm 6868-159 erfüllt. Hiernach muss das System eine 98-prozentige Verfügbarkeit, bezogen auf einen Jahreszeitraum, aufweisen. Dies ist vom Hersteller des Systems zu bestätigen.

Daneben muss der Teleradiologe innerhalb eines für die Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums am Untersuchungsort eintreffen können. Die meisten Strahlenschutzbehörden erachten eine Erreichbarkeit von bis zu 45 Minuten, in Einzelfällen sogar bis zu 60 Minuten für ausreichend. Zum einen soll so das Risiko des Patienten bei besonders komplizierten Untersuchungen reduziert werden. Zum anderen soll einer überregionalen Ausweitung teleradiologischer Netzwerke entgegengewirkt werden (Regionalprinzip, das nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln, Urteil vom 28.1.2010, Az. 13 K 1158/06, allerdings verfassungswidrig ist, anders aber das OVG Münster im Berufungsverfahren). In begründeten Fällen kann anstelle des Teleradiologen auch ein anderer Arzt für die Notfallversorgung bereitstehen, sofern er die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzt.

Neu in das Strahlenschutzgesetz aufgenommen wurde das Erfordernis, dass der Teleradiologe regelmäßig und eng in den klinischen Betrieb des Krankenhauses eingebunden sein muss. Nach der Gesetzesbegründung soll auf diese Weise gewährleistet werden, dass der Teleradiologe genaue Kenntnisse über die Röntgeneinrichtungen des Krankenhauses und die eingesetzten Untersuchungsverfahren hat und dass ein enger fachlicher Austausch zwischen allen an der Teleradiologie beteiligten Personen stattfindet. Damit soll die erforderliche Untersuchungsqualität auch bei komplexen und seltenen Untersuchungssituationen sichergestellt werden. Bislang war unklar, wie genau die Einbindung zu erfolgen hat.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, das das Strahlenschutzgesetz federführend entworfen hat, hat im Februar dieses Jahres ein Rundschreiben an die Strahlenschutzbehörden der Länder verschickt, das als Auslegungshilfe für das Merkmal der „regelmäßigen und engen Einbindung“ dienen soll (BMU, Rundschreiben vom 14. Februar 2020, S II 4 – 11600/01). Danach muss sich der Teleradiologe regelmäßig persönlich mit dem klinischen Betrieb des Krankenhauses befassen, indem er sich aktiv mit

  • den technischen Eigenschaften der für die teleradio logische Untersuchungen bestimmten Röntgengeräte und Computertomographen,
  • der technischen Untersuchungsdurchführung,
  • den Arbeitsabläufen und
  • dem Personal

vertraut macht. Hierfür ist vor Aufnahme der teleradiologischen Tätigkeit mindestens ein Besuch vor Ort im Krankenhaus erforderlich. Anschließend soll der Teleradiologe mindestens jährlich das Krankenhaus besuchen, um auf dem Laufenden zu bleiben. Besuche vor Ort sollen außerdem immer dann erforderlich sein, wenn sich der klinische Betrieb in technischer oder personeller Hinsicht wesentlich ändert (z. B. Aufstellung neuer Röntgengeräte, Wechsel der operativen Leitung der radiologischen Einheit). Außerdem soll der Teleradiologe an wichtigen Besprechungen (z. B. Fallkonferenzen) teilnehmen; die virtuelle Teilnahme reicht hierfür allerdings aus.

Da der Teleradiologe persönlich in den klinischen Betrieb eingebunden sein muss, darf er die vorgenannten Aufgaben nicht an Dritte delegieren.

Für Teleradiologiedienstleister, die mit angestellten Teleradiologen mehrere Krankenhäuser betreuen, gelten die vorgenannten Grundsätze ebenfalls. Das bedeutet, dass die mit der regelmäßigen und engen Einbindung in den klinischen Betrieb einhergehenden Verpflichtungen des Teleradiologen nicht durch ständig wechselnde Teleradiologen wahrgenommen werden dürfen. Es ist aber zulässig, dass der Teleradiologieanbieter für das jeweilige Krankenhaus einen verantwortlichen Teleradiologen (einschließlich eines Stellvertreters) benennt, der die oben beschriebenen Aufgaben erfüllt und insbesondere das Krankenhaus regelmäßig besucht. Dieser Teleradiologe muss zwar nicht selbst die teleradiologischen Untersuchungen für dieses Krankenhaus durchführen. Allerdings muss er alle die mit der Untersuchung betrauten Teleradiologen regelmäßig über sämtliche relevanten Begebenheiten des klinischen Betriebs (technische Eigenschaften der Röntgeneinrichtung, technische Durchführung der Untersuchungen und das im Krankenhaus tätige Personal) unterrichten, etwa im Wege von Schulungen oder in Handbüchern. Für die Durchführung der Untersuchungen müssen die Krankenhäuser mit dem verantwortlichen Teleradiologen abgestimmte Protokolle und Arbeitsanweisungen verwenden.

Neben den oben dargestellten teleradiologiespezifischen Genehmigungsvoraussetzungen ist auf die allgemeinen Anforderungen für die Anwendung von Röntgenstrahlung am Menschen hinzuweisen. Hier besteht eine Besonderheit: Bei der Durchführung von CT-Untersuchungen und – für den Bereich der Teleradiologie irrelevant – Untersuchungen der interventionellen Radiologie muss grundsätzlich sichergestellt sein, dass ein Medizinphysik-Experte (MPE) zur Mitarbeit hinzugezogen werden kann (hierzu im Einzelnen RWF 04/2019 und 11/2019). Für Computertomographen, die am 31. Dezember 2018 schon in Betrieb waren (Telegeräte), gilt allerdings eine Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2022. Sollen Altgeräte zur Teleradiologie verwendet werden, für die noch keine Teleradiologie-Genehmigung erteilt wurde, gilt diese Übergangsregelung jedoch nicht: Die vertragliche Einbindung eines Medizinphysik-Experten (Hinzuziehung zur Mitarbeit) muss dann schon jetzt gegenüber der Strahlenschutzbehörde nachgewiesen werden. Andernfalls wird die Behörde die Genehmigung verweigern.

Eine Übergangsregelung besteht allerdings für Teleradiologie-Genehmigungen, die Krankenhäusern vor dem 31. Dezember 2018, also dem Tag des Inkrafttretens des Strahlenschutzgesetzes erteilt wurden: Diese bestehen bis zum Ende ihrer Befristung unter dem Vorgängerregime der RöV fort. Die Genehmigung zum Betrieb einer teleradiologischen  Röntgeneinrichtung wird längstens auf fünf Jahre befristet (restriktiver noch RöV: Befristung maximal drei Jahre), damit die Strahlenschutzbehörde das zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellte Bedürfnis neu überprüfen kann. Die Genehmigung kann allerdings verlängert werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Strahlenschutzbehörden die Genehmigungsvoraussetzungen eng auslegen werden. Gegen ablehnende Entscheidungen der Behörden steht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 2-2020. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier . Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.