Gremiensitzungen in Zeiten der Beschränkungen wegen COVID-19

27.03.2020 – In Zeiten zunehmender Einschränkungen bzgl. der Möglichkeit von Zusammenkünften von Personen stellt sich für Unternehmen, für die Gremien und Organe von Unternehmen (Hauptversammlung, Aufsichtsrat etc.) und Gremienvertreter die Frage, wie Gremiensitzungen gesetzeskonform durchgeführt werden können.

Bereits in der Vergangenheit haben die jeweils einschlägigen gesetzlichen Regelungen teilweise Möglichkeiten eröffnet, Gremiensitzungen virtuell abzuhalten und Gremienbeschlüsse außerhalb von physischen Versammlungen, etwa im Wege der elektronischen Stimmabgabe, zu fassen.

Am 25. März 2020 hat der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie verabschiedet („COVID-19-Gesetz“). Bestandteil dieses Gesetzes sind weitergehende Erleichterungen bzgl. der Durchführung von Gremiensitzungen und der Herbeiführung von Beschlüssen der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung. Die geänderten Regelungen sollen zunächst zeitlich befristet für das Jahr 2020 gelten.

Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungen bzgl. der Durchführung von Gremiensitzungen bzw. der Herbeiführung von Gesellschafterbeschlüssen unter Berücksichtigung der Änderungen durch das COVID-19-Gesetz dargestellt.

Hauptversammlung der AG und der KGaA

Online-Teilnahme auch ohne Satzungsgrundlage möglich

Schon bisher bestand gemäß § 118 AktG die Möglichkeit, dass einzelne Aktionäre an der grundsätzlich als Präsenz-Veranstaltung durchzuführenden Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikationsmittel teilnehmen. Voraussetzung dafür war aber bislang, dass eine solche Teilnahme einzelner Aktionäre im Wege elektronischer Kommunikationsmittel in der Satzung der betreffenden Gesellschaft ausdrücklich geregelt war.

Die Anforderungen an eine Online-Teilnahme von Aktionären an einer Hauptversammlung werden durch das COVID-19-Gesetz erleichtert. Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats für Hauptversammlungen in 2020 auch ohne Ermächtigung in der Satzung die Online-Teilnahme, die (schriftliche oder elektronische) Briefwahl und die Bild- und Tonübertragung für Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder nach § 118 AktG anordnen.

Diese Regelung geht einher mit einer Verschärfung der Anforderungen an die Anfechtbarkeit von Beschlüssen, die unter Inanspruchnahme dieser Regelung gefasst werden: Die Anfechtbarkeit solcher Beschlüsse wegen technischer Störungen ist eingeschränkt auf Fälle, in denen der Gesellschaft nachgewiesen werden kann, dass bzgl. der behaupteten technischen Störung ein vorsätzliches Handeln vorliegt.

Durchführung der Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre

Von der Teilnahme einzelner Aktionäre an der Hauptversammlung über elektronische Kommunikationsmittel zu unterscheiden ist die sog. virtuelle Hauptversammlung. Die Durchführung einer solchen virtuellen Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre an einem bestimmten Versammlungsort war nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen, vgl. §§ 118 ff. AktG, nicht zulässig.

Die Möglichkeit zur Durchführung einer solchen Online-Hauptversammlung wird nunmehr durch das COVID-19-Gesetz geschaffen. Vorgesehen ist danach die Ermächtigung des Vorstands, mit Zustimmung des Aufsichtsrats die physische Präsenz der Aktionäre und Aktionärsvertreter in der Hauptversammlung in Gänze auszuschließen. Ein solcher Ausschluss der physischen Präsenz steht nach den Regelungen des COVID-19-Gesetzes unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die gesamte Hauptversammlung mit Generaldebatte und Abstimmung wird in Bild und Ton übertragen;
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung ist möglich;
  • den Aktionären wird eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt und
  • den Aktionären, die ihr Stimmrecht ausgeübt haben, wird eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt.

Die Regelungen zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer virtuellen Hauptversammlung gehen einher mit Erleichterungen beim Fragerecht der Aktionäre:

  • Abweichend von § 131 AktG entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet;
  • der Vorstand muss nicht alle Fragen beantworten, sondern darf zusammenfassen und im Interesse der anderen Aktionäre sinnvolle Fragen auswählen; es ist dabei zulässig, Aktionärsvereinigungen und institutionelle Investoren mit bedeutenden Stimmanteilen zu bevorzugen;
  • der Vorstand kann vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung elektronisch einzureichen sind;
  • die Anfechtbarkeit wegen Verletzung des Auskunftsrechts ist auf Fälle beschränkt, in denen nachweisbar ist, dass der Vorstand sein Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet, vorsätzlich pflichtwidrig ausgeübt hat.

Ungeachtet der eingeführten Erleichterungen bleibt es aber grundsätzlich beim Konzept der Durchführung einer Hauptversammlung an einem Versammlungsort mit Anwesenheit des Versammlungsleiters und der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 118 Abs. 3 AktG sowie dem Erfordernis der Beurkundung der Hauptversammlung durch einen am Versammlungsort anwesenden Notar.

Erleichterungen bzgl. der Einberufung der Hauptversammlung

Mit dem COVID-19-Gesetz führt der Gesetzgeber zudem Erleichterungen bzgl. der Einberufung von Hauptversammlungen ein, die unabhängig davon gelten sollen, ob die Versammlung als Präsenzveranstaltung oder als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird:

  • Die ordentliche Hauptversammlung muss, statt wie bisher innerhalb der ersten acht Monate, nunmehr innerhalb von zwölf Monaten nach Geschäftsjahresende stattfinden;
  • Die Einberufungsfrist kann auf den 21. Tag vor einer Hauptversammlung verkürzt werden. Der Nachweis des Aktienbesitzes bei börsennotierten Gesellschaften (Record Date) muss sich auf den Beginn des zwölften Tages vor der Versammlung beziehen und muss bei Inhaberaktien der Gesellschaft bis spätestens am vierten Tag vor der Hauptversammlung zugehen, soweit in der Einberufung der Hauptversammlung keine kürzere Frist für den Zugang des Nachweises bei der Gesellschaft vorgesehen ist.

Hauptversammlungen der SE

Die vorstehend zu Ziffer I. dargestellten Regelungen gelten mit Ausnahme der Regelung zur Verlängerung der Frist für die Durchführung der ordentlichen Hauptversammlung entsprechend auch für die Hauptversammlung der SE.

Aufsichtsratssitzungen

§ 108 AktG geht im Grundsatz davon aus, dass Sitzungen des Aufsichtsrates als Präsenzveranstaltungen stattfinden. § 108 Abs. 3 AktG sieht eine Erleichterung hinsichtlich der physischen Teilnahme dahingehend vor, dass abwesende Aufsichtsratsmitglieder an einer Beschlussfassung des Aufsichtsrates in der Weise teilnehmen können, dass sie eine schriftliche Stimmabgabe durch andere Aufsichtsratsmitglieder oder sonstige teilnahmeberechtigte Personen überreichen lassen. Schriftliche, fernmündliche oder vergleichbare Formen der Beschlussfassung (gänzlich ohne Präsenzsitzung) sind jedoch grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Aufsichtsratsmitglieder oder dann möglich, wenn in der Satzung der AG ausdrücklich vorgesehen.

Das COVID-19-Gesetz sieht vor, sämtliche dem Vorstand zugewiesenen Entscheidungen über die Nutzung der neuen Möglichkeiten des COVID-19-Gesetzes der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen. Diese Beschlüsse können jedoch abweichend von § 108 Abs. 4 AktG unabhängig von den Regelungen in der Satzung oder Geschäftsordnung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder schriftlich, fernmündlich oder in anderer vergleichbarer Form gefasst werden.

Gesellschafterversammlung der GmbH

Anders als bei der AG, war es bei der GmbH bereits in der Vergangenheit zulässig, Gesellschafterversammlungen ohne physische Präsenz der Gesellschafter abzuhalten. Voraussetzung hierfür ist jedoch gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG, dass sich sämtliche Gesellschafter mit dem zu fassenden Beschluss oder mit der schriftlichen Abgabe der Stimme einverstanden erklären.

Das COVID-19-Gesetz sieht vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen abweichend von § 48 Absatz 2 GmbHG auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können.

Änderungen im  Genossenschafts- sowie Vereins- und Stiftungsrecht

Das COVID-19-Gesetz sieht für das Jahr 2020 weitere Änderungen im Genossenschafts- sowie Vereins- und Stiftungsrecht vor. Genossenschaften wird die Möglichkeit der Beschlussfassung auf schriftlichem bzw. elektronischem Wege auch ohne Satzungsregelung eröffnet. Mitgliedern von Vereinen wird die Sitzungsteilnahme im Wege der elektronischen Kommunikation bzw. schriftlicher Stimmabgabe auch ohne Ermächtigung in der Satzung ermöglicht. Vorstandsmitglieder der Genossenschaft, des Vereins und der Stiftung bleiben nach dem COVID-19-Gesetz auch nach Ablauf der Amtszeit bis zur Abberufung bzw. Bestellung eines Nachfolgers im Amt.

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Exkurs: Weitere gesellschaftsrechtliche Änderungen

Absage von Hauptversammlungen

Die Hauptversammlung kann abgesagt werden, wenn diese aufgrund außerhalb der Einflusssphäre des Unternehmens liegender Umstände nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, mithin sachliche Gründe im Unternehmensinteresse wie der Schutz der Aktionäre und Mitarbeiter vorliegen. Es ist bei den zur Verfügung stehenden Alternativen stets eine Einzelfallabwägung vorzunehmen.

Abschlagzahlungen auf den Bilanzgewinn

Die Vornahme einer Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn nach Ende des Geschäftsjahres bedarf bislang einer Entsprechenden Ermächtigung in der Satzung der AG (§ 59 Abs. 1 AktG). Dieses Erfordernis wird durch das COVID-19-Gesetz für das Jahr 2020 aufgehoben, so dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats über eine solche Abschlagszahlung entscheiden kann. Die Beschränkungen des § 59 Abs. 2 AktG bleiben jedoch unverändert.

Verlängerung der Fristen nach Umwandlungsgesetz

Verschmelzungen und Spaltungen von Gesellschaften nach den Regelungen des Umwandlungsgesetzes setzen voraus, dass dem Vorgang eine Bilanz zugrunde gelegt wird, die auf einen Stichtag lautet, der maximal acht Monate vor dem Tag der Anmeldung der Maßnahme liegt. Stichtag für Umwandlungsvorgänge war daher vielfach der 31. August eines Jahres, dem Vorgang konnte dann nämlich der ordentliche Jahresabschluss des Vorjahres, sprich auf den 31. Dezember des Vorjahres, zugrunde gelegt werden. Durch das COVID-19-Gesetz wird diese Frist auf zwölf Monate verlängert, „um zu verhindern, dass aufgrund fehlender Versammlungsmöglichkeiten Umwandlungsmaßnahmen an einem Fristablauf scheitern“.

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