Jahressteuergesetz 2020 und Gemeinnützigkeit

21.01.2021 – Neuregelungen im Überblick

Das Jahressteuergesetz 20201 erhebt den Anspruch, vereins- und ehrenamtliche Arbeit erheblich zu stärken. Hierzu sind die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung reformiert worden. Entbürokratisierung, Digitalisierung, Transparenz und Rechtssicherheit lauten die Schlagworte, mit denen der Steuergesetzgeber die nunmehr in Kraft getretenen Neuregelungen bewirbt.

Besonders im Fokus der Reform stehen die §§ 57–58a AO, die Kooperationen steuerbegünstigter Körperschaften sowie sog. Outsourcing-Gestaltungen attraktiver machen.

Was ist neu und was bleibt „beim Alten“? Das Wichtigste im Überblick:

  1. Kooperationen und unmittelbare Zweckverwirklichung im Sinne von § 57 AO Abs. 3 AO
  2. Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Körperschaften
  3. Mittelzuwendung an eine steuerbegünstigte Körperschaft und Vertrauensschutz
  4. Sonstige Änderungen und was bleibt „beim Alten“?
  5. Ausblick

1. Kooperationen und unmittelbare Zweckverwirklichung im Sinne von § 57 AO Abs. 3 AO

Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften nehmen spürbar zu. Gegenüber der Einzeltätigkeit ermöglicht die Nutzung von Synergien eine effizientere Zweckerfüllung. Wesentlicher Grundsatz der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeitsvorschriften ist der Grundsatz der Unmittelbarkeit. Eine unmittelbare Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die Körperschaft diese Zwecke selbst, d.h. persönlich durch ihre eigenen Organe verwirklicht.

Zwar konnte eine gemeinnützige Körperschaft ihre satzungsmäßigen Zwecke – auch nach bisheriger Rechtslage – noch unmittelbar erfüllen, wenn sie hierzu eine sog. Hilfsperson (§ 57 Abs. 3 Satz 1 AO) einschaltete. Oftmals war allerdings unklar, wann die Tätigkeit der Hilfsperson der gemeinnützigen Körperschaft „als eigene“ zugerechnet werden kann. Außerdem galt in der Rechtsprechung die Auffassung, dass die Hilfsperson, allein durch die Hilfeleistungen an die gemeinnützige Körperschaft, keine steuerbegünstigten Tätigkeiten erbringt (BFH, Urteil v. 07.03.2007 – I R 90/04), es sei denn, sie verwirklicht durch ihre Hilfspersonentätigkeit zugleich eigene steuerbegünstigte Zwecke (BFH, Urteil v. 17.02.2010 – I R 2/08). Eine nur mittelbare Förderung steuerbegünstigter Zwecke ist, von besonderen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich nicht steuerbegünstigt gewesen.

Der neugefasste § 57 Abs. 3 AO hält nicht mehr an dieser „isolierten“ Betrachtungsweise der jeweiligen Tätigkeiten von Hilfsperson (Auftragnehmende) und gemeinnütziger Körperschaft (Auftraggebende) fest. Stattdessen sei, so der Bundesrat, eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ geboten (BT-Drucks. 19/23551, 21.10.2020, S. 38), mithin nicht nur einzelne Puzzleteile, sondern „das große Ganze“ in den Blick zu nehmen. Nach dem neuen § 57 Abs. 3 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 1, „wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht“. Es sei nicht sachgerecht, an die „Ausgliederung“ bestimmter Tätigkeiten auf eine Hilfsperson andere Rechtsfolgen zu knüpfen als an den Fall, dass eine gemeinnützige Körperschaft sämtliche Tätigkeiten selbst durchführt.

Die nun maßgebliche „wirtschaftliche“ bzw. „einheitliche“ Betrachtungsweise wirkt sich auch auf die Prüfung der Voraussetzungen eines Zweckbetriebs aus. Nach § 57 Abs. 3 Satz 1 AO sind die aufgrund des planmäßigen Zusammenwirkens ausgeübten Tätigkeiten aller beteiligten Körperschaften nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Ist wegen des planmäßigen Zusammenwirkens ein Zweckbetriebstatbestand (§§ 65 ff. AO) erfüllt, ist diese zweckbetriebliche Beurteilung für alle beteiligten Körperschaften maßgeblich (BT-Drucks. 19/25160, 10.12.2020, S. 223). Gleichzeitig wird in der Begründung zu § 57 Abs. 3 Satz 2 AO klargestellt: Für die Erbringung von Leistungen außerhalb des gemeinsamen steuerbegünstigten Zwecks gelten weiterhin die allgemeinen Grundsätze. Das heißt, dass Leistungen außerhalb eines gemeinsamen (gemeinnützigen) Zweckes sowie Leistungen an Dritte weiterhin einen eigenständigen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) auf Ebene der jeweiligen Körperschaft begründen können.

Es ist besondere Achtsamkeit geboten, dass die Kooperation keine Außen-GbR begründet, die als eigenständiges Steuersubjekt aufgrund ihrer Rechtsform nicht steuerbegünstigt nach §§ 51 ff. AO sein kann.

Der neue § 57 Abs. 3 AO kommt auch bei (gemeinnützigen) Konzernstrukturen zur Anwendung. Dienstleistungsgesellschaften, die nach alter Rechtslage nicht unmittelbar gemeinnützige Zwecke erfüllt haben, können nunmehr ebenfalls gemeinnützig tätig sein, wenn sie mit einer weiteren steuerbegünstigten Konzerngesellschaft planmäßig zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zusammenwirken. Insoweit muss jedoch sichergestellt werden, dass die Dienstleistungsgesellschaft auch die sonstigen gemeinnützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen an die Steuerbegünstigung erfüllt, d.h. insbesondere eine Satzung besitzt, die den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen entspricht (§ 60 AO).

2. Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Körperschaften

Bedeutsame Wirkung auf Konzern- bzw. Holdingstrukturen hat der neue § 57 Abs. 4 AO. Danach stellt das Halten und Verwalten von Anteilen an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften einen Fall der unmittelbaren Zweckverwirklichung dar. Derartige Beteiligung können somit künftig dem steuerbegünstigten Zweckvermögen zugeordnet werden.

Dies sah nach alter Rechtslage noch anders aus: Hielt eine Körperschaft Anteile an steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften (z.B. nach Ausgliederung aller operativen Tätigkeiten auf eine Beteiligungsgesellschaft) und nahm ausschließlich typische Aufgaben einer Holdinggesellschaft wahr, handelte es sich nicht um eine steuerbegünstigte Tätigkeit. Auch insoweit begründet der Bundesrat seinen Novellierungsvorschlag mit der „Sachgerechtigkeit“: Durch die Aufteilung der Tätigkeit auf mehrere Gesellschaften ändert sich bei „wertender Betrachtung“ das wirtschaftliche Gesamtbild nicht (BR-Drucks. 19/23551, 21.10.2020, S. 39).

Praktische Auswirkungen hat die Neuregelung auf die Finanzierung des Erwerbs von Beteiligungen an gemeinnützigen Körperschaften sowie auf die Überlassung von Räumlichkeiten einschließlich Inventar an eine Dienstleistungsgesellschaft (sog. Outsourcing-Sachverhalte). Nach alter Rechtslage konnte in diesen Fällen unter bestimmten Umständen eine schädliche Mittelfehlverwendung vorliegen (OFD Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 08.12.2004, DStR 2005, S. 600; Bayerisches Landesamt für Steuern, Verfügung vom 02.11.2010, DStR 2010, S. 2518). Die Vermietung von Wirtschaftsgütern im Sinne von § 21 EStG (bspw. Räumlichkeiten) an eine Dienstleistungsgesellschaft konnte unter bestimmten Voraussetzungen eine Betriebsaufspaltung begründen. Die Praxis behalf sich mit aufwendigen und teils unsicheren Gestaltungen. Anders nach neuer Rechtslage: Da das Halten von Anteilen an einer steuerbegünstigten Körperschaft einen Fall der unmittelbaren Zweckverwirklichung darstellt, ist die Gefahr einer schädlichen Mittelfehlverwendung infolge eines entsprechenden Beteiligungserwerbs verschwindend gering. Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung sind nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht anzuwenden, wenn aus einer gemeinnützigen Einrichtung ein Zweckbetrieb ausgegliedert wird und sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen gemeinnützig sind (was unter Berücksichtigung von § 57 Abs. 3 AO nunmehr einfacher möglich ist).

Besondere Vorsicht ist nach wie vor im Rahmen eines Leistungsaustausches zwischen Holding- und Tochtergesellschaft geboten. Soweit die Holdinggesellschaft entgeltliche Leistungen gegenüber den Tochterkapitalgesellschaften ausführt, beurteilen sich diese, so der Gesetzgeber (BT-Drucks. 19/25160, 10.12.2020, S. 223), nach den „allgemeinen Regelungen“. In diesem Fall sind adäquate Gestaltungen erforderlich, um aufgrund derartiger entgeltlicher Leistungen keinen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) zu begründen. Durch ein Zusammenspiel aus § 57 Abs. 3 AO und entsprechenden Vereinbarungen zwischen Holding- und Tochtergesellschaft sollte sich dies im Einzelfall entsprechend regeln lassen.

3. Mittelzuwendung an eine steuerbegünstigte Körperschaft und Vertrauensschutz

Der neugefasste § 58 Nr. 1 AO dient einem erleichterten Verwaltungsvollzug, indem die nach alter Rechtslage vorhandene Differenzierung der Mittelweitergabe in § 58 Nr. 1 und § 58 Nr. 2 AO vereinheitlicht wird und zudem der Rechtssicherheit, indem eine Regelungslücke geschlossen und der zuvor bestehenden Rechtspraxis eine gesetzliche Grundlage verschafft wird. Als Mittelempfangende kommen nicht nur inländische steuerbegünstigte Körperschaften, sondern grundsätzlich auch ausländische steuerbegünstigte Körperschaften in Betracht. Die vormals in § 58 Nr. 2 AO a.F. enthaltene Restriktion, dass Mittel lediglich „teilweise“ zugewendet werden dürfen, ist im neuen § 58 Nr. 1 Satz 1 AO nicht enthalten. Somit unterliegen beispielsweise Vereinbarungen mit einer Dienstleistungsgesellschaft keiner höhenmäßigen Preisbindung, was deutliche Erleichterung verspricht.

Der Rechtsbegriff „Mittel“ wird in § 58 Nr. 1 Satz 2 AO definiert. Danach sind Mittel sämtliche Vermögenswerte der zuwendenden Körperschaft. Demnach wird nicht nur die Zuwendung von Bar- oder Buchgeld von § 58 Nr. 1 AO erfasst. Auch die unentgeltliche oder verbilligte Nutzungsüberlassung oder unentgeltliche oder verbilligte Erbringung einer Dienstleistung unterfallen dem Begriff der „Mittel“ (BT-Drucks. 19/25160, 10.12.2020, S. 224). Somit wird der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes eine gesetzliche Grundlage verschafft.

§ 58 Nr. 1 Satz 3 AO regelt formelle Anforderungen an die Satzung. Nach neuer Rechtslage gilt: Beabsichtigt die Körperschaft als einzige Art der Zweckverwirklichung, Mittel anderen Körperschaften oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuwenden, ist die Mittelweitergabe als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung zwingend zu benennen. Unseres Erachtens sollte – dem Gebot der Satzungsklarheit entsprechend – die Mittelzuwendung auch dann hinreichend konkret in der Satzung als Art der Zweckverwirklichung benannt werden, wenn die Mittelweitergabe „eine“, aber nicht „die einzige“ Art der Zweckverwirklichung darstellt.

Zu beachten: Die Mittelzuwendung an steuerbegünstigte Körperschaften ist kein eigenständiger steuerbegünstigter Zweck, sondern nur eine Art, die in § 51 AO genannten Zwecke zu verwirklichen. In der Satzung muss somit unabhängig von § 58 Nr. 1 AO weiterhin ein steuerbegünstigter Zweck genannt werden, dem die (Geber-)Körperschaft zu dienen bestimmt ist. Jedoch müssen die (steuerbegünstigten) Zwecke von Geber- und Empfängerkörperschaft nicht zwangsläufig identisch sein. Die Empfängerkörperschaft darf die erhaltenen Mittel auch zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke verwenden, die nicht in der Satzung der Geberkörperschaft genannt sind (BT-Drucks. 19/25160, 10.12.2020, S. 224).

Der neue § 58a AO regelt schließlich den Vertrauensschutz der Geberkörperschaft im Falle der Mittelzuwendung an juristische Personen des Privatrechts. Unter den in § 58a Abs. 2 AO geregelten Voraussetzungen darf die Geberkörperschaft darauf vertrauen, dass die Empfängerkörperschaft im Zeitpunkt der Zuwendung steuerbegünstigt ist (§ 58a Abs. 1 Nr. 1 AO) und die Zuwendung nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet (§ 58a Abs. 1 Nr. 2 AO). Für Mittelzuwendungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts ist § 58a AO dagegen nicht anwendbar. Der Gesetzgeber hielt eine entsprechende Regelung nicht für erforderlich, da die öffentliche Verwaltung nach Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Gesetz und Recht gebunden sei, sodass die Geberkörperschaft darauf vertrauen darf, dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts Mittel nicht entgegen einer Zweckbestimmung für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet (BT-Drucks. 19/25160, 10.12.2020, S. 224). Fraglich erscheint jedoch, weshalb der Gesetzgeber dann den offenen Begriff der „Körperschaft“ verwendet, statt wie in § 58 Nr. 1 Satz 2 AO konsequent am Begriff der „Körperschaft des privaten Rechts“ festzuhalten.

Vertrauensschutz wird der zuwendenden Körperschaft nach § 58a Abs. 2 nur gewährt, wenn sie sich die Steuerbegünstigung der empfangenden Körperschaft hat nachweisen lassen. Der Nachweis hat dadurch zu erfolgen, dass sich die zuwendende Körperschaft eine Ausfertigung eines der in § 58a Abs. 2 AO aufgeführten Bescheide (Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid, Freistellungsbescheid, Bescheid über die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Absatz 1) vorlegen lässt. Während die „Ausfertigung“ formbedürftig ist (§ 49 BeurkG), bedarf die „Vorlage“ als Realakt bislang keiner bestimmten Form. Der Nachweis sollte dokumentiert werden. § 58a Abs. 3 AO bestimmt, dass Vertrauensschutz – trotz Vorlage einer Ausfertigung – nicht gewährt wird, wenn der Geberkörperschaft bekannt war oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war, dass keine gültige Ausfertigung vorhanden gewesen ist (§ 58a Abs. 3 Nr. 1 AO) oder die Geberkörperschaft eine Verwendung für nicht steuerbegünstigte Zwecke durch die empfangende Körperschaft veranlasst hat (§ 58a Abs. 3 Nr. 2 AO). Insbesondere die Bestimmung des Haftungsmaßstabes im Sinne von § 58 Abs. 3 Nr. 1 sowie die Auslegung des Rechtsbegriffes „veranlasst“ im Sinne von § 58 Abs. 3 Nr. 2 AO dürfte künftig die Rechtspraxis in Zweifelsfällen beschäftigen.

4. Sonstige Änderungen und was bleibt „beim Alten“?

Neben den zuvor dargelegten Gesetzesänderungen, bringt das Jahressteuergesetz 2020 auch an zahlreichen anderen Stellen Neuerungen für steuerbegünstigte Organisationen:

  • In § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO wird – klarstellend – der „Klimaschutz“ als gemeinnütziger Zweck geregelt. Das Wort „rassisch“ in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO wird ersetzt durch das Wort „rassistisch“. Die gemeinnützigen Zwecke werden außerdem erweitert, um die Zwecke Förderung der Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 AO), die Förderung der Ortsverschönerung (Nr. 22 AO), die Förderung des Freifunks (Nr. 23), die Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nichtbestattungspflichtige Kinder und Föten (Nr. 26).
  • Die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung wird für „kleine Körperschaften“ abgeschafft. Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45.000 Euro unterliegen nach dem neuen § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO nicht mehr dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Eine separate Mittelverwendungsrechnung ist nicht erforderlich, wenn die Betragsgrenze nicht überschritten wird. Im Falle schwankender Einnahmen wird – vorbehaltlich einer Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung – eine veränderliche Rechtsanwendung notwendig sein, wodurch der bezweckte Bürokratieabbau abgeschwächt wird.
  • § 60a AO wird um einen neuen Absatz 6 ergänzt. Nunmehr ist gesetzlich geregelt, dass die Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AO verweigert werden kann, wenn bis zum Zeitpunkt des Erlasses des erstmaligen Körperschaftsteuerbescheids oder Freistellungsbescheids Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt. Die gesetzliche Regelung dient der Rechtsklarheit, da zuvor zwischen der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.03.2018 – Az.: 10 K 3622/16; FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.04.2020 – Az.: 3 V 185/20) eine unterschiedliche Rechtsauffassung bestand.
  • Die Freigrenze für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe in § 64 Abs. 3 AO wird von 35.000 auf 45.000 Euro angehoben. Der Gewinn bzw. Überschuss eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes bleibt demnach körperschaft- und gewerbesteuerfrei, wenn die Einnahmen im betroffenen Jahr 45.000 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) nicht übersteigen. Die erhöhte Freigrenze ist bereits für das Jahr 2020 heranzuziehen.
  • Die gesetzlich geregelten Zweckbetriebe werden um Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen (§ 68 Nr. 1 Buchst. c AO) und Einrichtungen, die zur Durchführung der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen beziehungsweise Behinderungen unterhalten werden (§ 68 Nr. 4 AO), erweitert.
  • Zum 01.01.2024 wird ein „Zuwendungsempfängerregister“ eingeführt, das vom Bundeszentralamt für Steuern verwaltet wird (§ 60b AO n.F.). Im Zuwendungsempfängerregister werden die in § 60b Abs. 2 AO normierten Daten gespeichert und können Dritten „offenbart“ werden; § 60b Abs. 4 AO. Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) wird insoweit explizit außer Kraft gesetzt.
  • Die Ehrenamtspauschale wird von bislang 720 auf 840 Euro (§ 3 Nr. 26a Satz 1 EStG), der Übungsleiterpauschale von bislang 2.400 auf 3.000 Euro (§ 3 Nr. 26 Satz 1 EStG) angehoben. Diese Neuregelungen sind zum 01.01.2021 in Kraft getreten.
  • Der Betrag, bis zu dem ein vereinfachter Zuwendungsnachweis möglich, d.h. keine Spendenbescheinigung nötig ist, wird von bislang 200 Euro auf 300 Euro angehoben (§ 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV). Die erhöhte Betragsgrenze gilt für entsprechende Zuwendungen, die nach dem 31.12.2019 geleistet werden, also bereits für das Jahr 2020.

Nicht durchsetzen konnte sich die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung einer „Ausstiegspauschale“ (vgl. BR-Drucks. 503/20, 09.10.2020, S. 46). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung („Ausstieg aus der Gemeinnützigkeit“) führt grundsätzlich zu einer rückwirkenden Nachversteuerung bis zu zehn Jahren (§ 61 Abs. 3 AO). Die vorgeschlagene Neuregelung sah statt der rückwirkenden Nachversteuerung die Zahlung einer einmaligen Ausstiegsabgabe in Höhe von 30 Prozent des Vermögens zum Ausstiegszeitpunkt vor.

Außerdem konnte sich ein Regelungsvorschlag über die Zulässigkeit politischer Betätigung von steuerbegünstigten Körperschaften (noch) nicht durchsetzen (BR-Drucks. 746/1/20, 11.12.2020, S. 7). Im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 10.01.2019 (sog. „Attac-Urteil“ vom 10.01.2019, Az.: V R 60/17), ist sowohl im juristischen Schrifttum als auch in der Politik und Öffentlichkeit die Frage diskutiert worden, ob und inwieweit sich politisches Engagement mit gemeinnützigem Handeln verträgt. Zwar stehe es der Steuerbegünstigung nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit „im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist“. Nicht zulässig sei es dagegen, so der Bundesfinanzhof, auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im „Sinne der eigenen Auffassung“ „mittels weiterer Maßnahmen“ Einfluss zu nehmen. Da eine gesetzliche Fixierung oder sogar Konkretisierung der Grundsätze des Bundesfinanzhofes weiterhin fehlt, ist nach wie vor auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung zurückzugreifen und in Zweifelsfällen eine wertende Betrachtung anzustellen.

5. Ausblick

Nachdem die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand sowohl materiellrechtlich (§ 2b UStG) als auch verfahrensrechtlich (vgl. dazu unser Public Sector Newsletter-Beitrag 3/2020) umfassend reformiert wurde, rückt nun der dritte Sektor in den Fokus des Gesetzgebers. Da die gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung die Rechtswirklichkeit nur unzureichend abbilden, erschien Handlungsbedarf dringend erforderlich. Der Rückgriff auf die einschlägige Rechtsprechung ermöglicht zwar ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, in Grenzfällen erschwert jedoch eine scheinbar zusammenhanglose Kasuistik die Rechtsanwendung erheblich. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Novellierung der §§ 57–58a AO zu begrüßen, von der prognostisch vor allem Kooperationen gemeinnütziger Körperschaften und steuerbegünstigte Konzernstrukturen profitieren werden. Insoweit gilt es auch bereits bestehende Gestaltungen daraufhin zu überprüfen, ob sie unter Berücksichtigung der Neuregelungen sowie sämtlicher Interessen weiterhin zweckmäßig erscheinen. Besonders in diesem Zusammenhang wird der neugefasste Anwendungserlass zur Abgabenordnung mit Spannung erwartet. Vereinfachend ist zudem, dass der Gesetzgeber zunehmend zwischen „kleinen“ und „großen“ Körperschaften unterscheidet (bspw. § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4).

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1Vgl. Bundesgesetzblatt, 2020, Teil I, Nr. 65 vom 28.12.2020, S. 3069. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf die im nachfolgenden Text hingewiesen wird, sind sämtliche Neuregelungen am „Tag nach der Verkündung in Kraft getreten“, d.h. am 29.12.2020.

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