Merkblatt der BaFin: Was Sie im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken beachten sollten

16.09.2020 – Das Thema Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Nachhaltigkeitsrisiken durch den Klimawandel geraten immer mehr in den Fokus der aufsichtsrechtlichen Behörden, da der Klimawandel Gefahren für die Finanzstabilität mit sich bringt.

Das von der BaFin am 20. Dezember 2019 veröffentlichte Merkblatt kann als (unverbindliche) Ergänzung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement gesehen werden und dient als Leitfaden zur Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken für die jeweiligen von der BaFin beaufsichtigten Finanzakteure. Dazu zählen insbesondere Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen.

Im Fokus des Merkblattes steht das Risikomanagement. Es geht auf die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei den Risikoidentifikations-, -steuerungs- und -controllingprozessen ein. Dabei werden die Besonderheiten der Einbindung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement für die nach KWG, VAG und KAGB beaufsichtigten Unternehmen gesondert dargestellt.

Definition der Risiken

Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne des Merkblattes sind Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance – ESG Risiken), deren Eintreten tatsächlich oder potenziell erhebliche negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines Unternehmens haben können; dies schließt klimabezogene Risiken in Form von physischen Risken und Transitionsrisiken ein.

Physische Risiken ergeben sich sowohl im Hinblick auf einzelne Extremwetterereignisse und deren Folgen (Beispiele: Stürme, Überflutungen, Hitze und Trockenperioden) als auch in Bezug auf langfristige Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen (Beispiele: Niederschlagshäufigkeit und- mengen, Grundwasserspiegel etc.). Transitionsrisiken bestehen im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft (Beispiel: Politische Subvention der Elektromobilität führt zu veränderten Kundenpräferenzen).

Auch Ereignisse, Entwicklungen oder Verhaltensweisen, die den Bereichen Soziales und Unternehmensführung zuzuordnen sind, können negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens entfalten, wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts nicht hinreichend in die Bewertung der betroffenen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten eingepreist ist. Soziale Risiken sind zusätzlich gekennzeichnet durch negative Auswirkungen auf Stakeholder des Unternehmens. Beispiele: Erfolgreiche Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe gegen Hersteller von Zigaretten, Bußgeldzahlungen wegen hinterzogener Steuern bzw. zu Unrecht erhaltener Erstattungen.

Nachhaltigkeitsrisiken können als Folge eintretender Ereignisse, Entwicklungen oder Verhaltensweisen oder auch durch Beziehungen zu anderen Unternehmen, welche einem Nachhaltigkeitsrisiko ausgesetzt ist, auch zu Reputationsrisiken führen.

Die BaFin erwartet eine Auseinandersetzung mit diesen Risiken. Die ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sollten im Risikomanagement bei den von ihr beaufsichtigten Unternehmen berücksichtigt werden.

Beaufsichtigte Unternehmen sollten daher entweder eine eigenständige Strategie im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken entwickeln oder die bestehende Geschäfts- und Risikostrategie ergänzen. Der von der Geschäftsleitung definierte Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken sollte den Mitarbeitern, sowie Kunden und Investoren zudem klar kommuniziert werden.

Good-Practice Ansätze

Die BaFin sieht das Merkblatt als Kompendium unverbindlicher Good-Practice-Ansätze, die zur Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen unter Berücksichtigung des Proportionalitätsgrundsatzes angewendet werden können. Diese Good-Practice-Ansätze beinhalten u.a.:

  • Die Überprüfung der Geschäfts- und Risikostrategie unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken
  • Die ganzheitliche Überprüfung der internen Organisationsrichtlinien zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken
  • Die Bereitstellung von qualifiziertem Personal für die Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken sowie ausreichend finanziellen Ressourcen
  • Die Überprüfung, ob und wie Nachhaltigkeitsrisiken eine Auswirkung auf bestehende Prozesse haben
  • Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken bei der Erstprüfung einer Transaktion mit einem Kunden bzw. Investitionsobjekts – Überprüfung des Risikogehalts durch die Marktfolge
  • Die Überprüfung, ob Nachhaltigkeitsrisiken angemessen im Notfallmanagement berücksichtigt werden

Darüber hinaus beschreibt das Merkblatt folgende Anforderungen an die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikoidentifikations-, steuerungs- und -controllingprozesse:

  • Die Aufgaben, Verantwortlichkeiten sowie der zeitliche Rahmen für die Identifikation, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen bekannter Risikoarten innerhalb des Risikomanagementsystems sollen klar definiert werden
  • Es sollten Methoden festgelegt werden, um die Nachhaltigkeitsrisiken zu steuern bzw. zu begrenzen und ein angemessenes Management dieser Risiken sicherzustellen
  • Bei der Nutzung von Risikoklassifizierungsverfahren sollte die Beurteilung der Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt werden
  • Die bestehenden unternehmensindividuellen Stresstests einschließlich Szenarioanalysen sollten daraufhin überprüft werden, inwieweit die wesentlichen Nachhaltigkeitsrisiken abgebildet werden
  • Nachhaltigkeitsrisiken sollten im Rahmen der Risikoberichterstattung hinreichend adressiert werden

Bezüglich Auslagerungen werden folgende Anforderungen gestellt:

  • Sofern relevant, sollte der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken auch in der Auslagerungsrichtlinie geregelt werden
  • In die Risikoanalyse zur Identifikation von wesentlichen Auslagerungen und der mit einer Auslagerung verbundenen Risiken ist auch der Aspekt von Nachhaltigkeitsrisiken mit einzubeziehen
  • Der Auslagerungsvertrag sollte u.a. die Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitsstandards beinhalten

Auch wenn das Merkblatt der BaFin unverbindlichen Charakter hat, so wird der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zunehmend an Bedeutung gewinnen, da die BaFin bereits angekündigt hat, dass sie ab 2021 Nachhaltigkeitsrisiken systematisch durch bestehende Aufsichtsinstrumente erfassen und adressieren wird. Aus diesem Grund sollten sich auch weniger systemrelevante Institute frühzeitig mit dem Themenbereich auseinandersetzen.