Entwurf des Risikoreduzierungsgesetzes beschlossen

16.09.2020 – Die Bundesregierung hat am 29. Juli 2020 den Entwurf des sogenannten Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) verabschiedet, nachdem zuvor auf europäischer Ebene eine Vielzahl von Risikoreduzierungsmaßnahmen mit der Veröffentlichung des EU-Bankenpakets 2019 beschlossen worden war.

Entwurf des Risikoreduzierungsgesetzes beschlossen

Die Bundesregierung hat am 29. Juli 2020 den Entwurf des sogenannten Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) verabschiedet, nachdem zuvor auf europäischer Ebene eine Vielzahl von Risikoreduzierungsmaßnahmen mit der Veröffentlichung des EU-Bankenpakets 2019 beschlossen worden war.

In Kraft treten soll das Gesetz zum 28. Dezember 2020, Umsetzungsfristen liegen vereinzelt jedoch auch in den Jahren 2022 und darüber hinaus.

Mit dem Risikoreduzierungsgesetz setzt der deutsche Gesetzgeber Maßnahmen aus dem EU-Bankenpaket 2019 um, spezieller: Vorgaben aus den EU-Richtlinien 2019/878 und 2019/879.

Ziel ist zum einen eine zielgenauere Regulierung kleinerer und nichtkomplexer Banken durch die Einordnung dieser Institute nach dem Proportionalitätsprinzip1 und damit einhergehend Erleichterungen in den Offenlegungspflichten und Meldeverpflichtungen.

Spiegelbildlich erweitert der Gesetzentwurf im Wesentlichen die Anforderungen an größere und mit der Größe einhergehend komplexere Kreditinstitute im Aufsichtsrecht – spezieller: im Risikomanagement der Institute – durch die Einführung neuer oder die Erweiterung bereits bestehender Kapital-, Liquiditäts- und Eigenmittelanforderungen.

Dabei zielt der Gesetzgeber darauf ab, die Widerstandsfähigkeit und Krisenbewältigung – auch vor dem Hintergrund der derzeitigen COVID-19-Pandemie – im europäischen Bankenbereich zu stärken und dabei Staat und Steuerzahler monetär bei konjunkturellen Einbrüchen zu entlasten.

Wesentliche Vorgaben im Überblick:

Das Gesetz kommt dabei mit einer Fülle an Änderungen einher, die auf nationaler Ebene unter anderem im Kreditwesengesetz (KWG) und im Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG) umgesetzt werden sollen. Die wesentlichen Neuerungen, Änderungen oder Erweiterungen sollen im Folgenden beleuchtet werden.

KWG

Im KWG werden eine Reihe von Neuerungen, Anpassungen und/oder Erweiterungen vorgenommen.

1. So definiert § 1 Abs. 3c KWG zukünftig Kriterien, die der Einstufung bedeutender Kreditinstitute dienen. Hierbei muss lediglich eines von dreien Kriterien auf ein Institut zutreffen, damit dieses als bedeutend gilt:

  • Das Institut untersteht der direkten EZB-Aufsicht
  • Das Institut ist ein potenziell systemrelevantes Institut im Sinne des § 12 KWG
  • Das Institut hat eine Bilanzsumme von mehr als 15 Milliarden Euro, wobei hier die durchschnittliche Bilanzsumme nun über die letzten vier abgeschlossenen Geschäftsjahre gebildet wird (zuvor wurde in § 25n KWG der Durchschnittswert lediglich über die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre gebildet)

2. Das RiG implementiert mit § 2g KWG neue Vorgaben für Nicht-EU-Institute oder Drittstaatengruppen, die zwei oder mehr CRR-Institute mit Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) haben und deren Vermögenswerte innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums 40 Milliarden Euro übersteigen. Diese müssen fortan aufgrund ihrer hohen Wirtschaftstätigkeit innerhalb des EWR ein zwischengeschaltetes Mutterunternehmen (innerhalb der EU) etablieren:

„Haben zwei oder mehr CRR-Institute mit Sitz in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums das gleiche Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat (Drittstaatengruppe) und übersteigt der Gesamtwert der Vermögenswerte der Drittstaatengruppe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums 40 Milliarden Euro, so haben diese CRR-Institute ein gemeinsames zwischengeschaltetes EU-Mutterunternehmen einzurichten.“

3. Weitere wesentliche Änderungen erfolgen aufbauend auf dem § 6b KWG mit der Ergänzung der §§ 6c und 6d KWG, die nun die zusätzlichen Eigenmittelanforderungen und die Eigenmittelempfehlungen der Aufsicht implementieren.

§ 6c KWG stellt klar heraus, dass die Aufsicht befugt ist, zusätzliche Eigenmittel verbindlich anzuordnen. Zusätzlich zu den Säule-1-Anforderungen sollen diese sogenannten Säule-2-Anforderungen (oder Pillar-2-Requirements) alle Risiken abdecken, die nicht durch die Mindestkapitalanforderungen abgedeckt sind. Zusätzliche Eigenmittel werden von der Aufsicht bspw. angeordnet, wenn:

  • Risiken oder Risiko-Elemente nicht oder nur unzureichend durch Eigenmittelanforderungen abgedeckt sind,
  • die Risikotragfähigkeit des entsprechenden Instituts nicht gewährleistet ist,
  • vorgenommene Bewertungskorrekturen aller Voraussicht nach nicht ausreichen werden, um Positionen des Handelsbuches verlustfrei absichern zu können,
  • Zinsänderungsrisiken nicht ausreichend gewürdigt werden oder
  • das entsprechende Institut wiederholt keine zusätzlichen Eigenmittel in angemessener Höhe gebildet hat, die aus einer Empfehlung der Aufsicht hervorgegangen sind.

Neben den verbindlichen zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen werden durch § 6d KWG die sogenannten Eigenmittel-Empfehlungen oder auch Säule-2-Empfehlungen (oder Pillar-2-Guidance) eingeführt. Die Empfehlungen bzw. deren Höhe legt die Aufsicht basierend auf aufsichtlichen Stresstests fest. Mittels der Empfehlungen durch die Aufsicht soll die Einhaltung der Mindestkapitalanforderungen (Säule-1-Anforderungen) zuzüglich der zusätzlich angeordneten Eigenmittelanforderungen des § 6c KWG unter Stressbedingungen – bei extremen Szenarien – gewährleistet werden.

4. Mit der Umsetzung des Risikoreduzierungsgesetzes wird § 10b KWG wiedereingeführt, der das Verhältnis der Kapitalpufferanforderungen zu anderen Kapitalanforderungen und zu geltenden Eigenmittelempfehlungen regelt. Gemäß § 10b KWG dürfen Institute für die in den §§ 10c bis 10g KWG aufgelisteten Kapitalpufferanforderungen kein hartes Kernkapital zur Erfüllung miteinbeziehen, welches bereits für andere Eigenmittelanforderungen vorgehalten wird.

5. § 10g KWG wird dahingehend angepasst, dass die Aufsicht anderweitig systemrelevanten Instituten (A-SRIS) individuell einen zusätzlichen Kapitalpuffer anordnen kann, der nicht mehr in Höhe von zuvor maximal 2 % vorgehalten werden muss, sondern nach Anpassung der Aufsicht nun auf maximal 3 % der risikogewichteten Aktiva erhöht wird.

Dennoch ist hier der Maximalwert nicht als äußerste Grenze zu deuten, da sich die Aufsicht vorbehält, in Ausnahmefällen den Kapitalpuffer höher als 3 % anzusetzen.

Der Puffer muss auch weiterhin aus hartem Kernkapital gebildet werden.

6. Einen weiteren Zusatz für global systemrelevante Banken (G-SRI) regelt § 10j KWG. G-SRIs müssen ab dem 1. Januar 2022 zusätzlich einen Aufschlag in Höhe von 50 % des risikobasierten Kapitalpuffers auf die 3 %-Verschuldungsquote (Leverage Ratio gemäß Art. 429 CRR) vorhalten.

7. § 25a Abs. 5b KWG: Im Bereich der sogenannten Risikoträger (Risk Taker) von Instituten führt RiG für alle CRR-Institute eine signifikante Erweiterung ein.

Für Definitionen und die Ermittlung der Risk Taker in bedeutenden Instituten hatte die EBA bereits 2014 mit der Verordnung (EU) Nr. 604/2014 beschlossen, dass bedeutende Institute mittels qualitativer und quantitativer Selektionskriterien Risk Taker zu identifizieren haben. In der derzeit noch gültigen Fassung des § 25a Abs. 5b KWG wurde festgelegt, dass nur bedeutende Institute auf Basis einer Risikoanalyse eigenverantwortlich analysieren müssen, wer im Institut als Risikoträger gilt und wer nicht.

§ 25a Abs. 5b KWG wird nun dahingehend geändert bzw. erweitert, dass alle CRR-Institute Risk Taker identifizieren müssen, da „unabhängig von ihrer Größe, Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten – bei bestimmten Mitarbeiterkategorien zwingend die Risikoträgereigenschaft anzunehmen ist“. Hierzu wird im KWG die folgende Auflistung mit Personen ergänzt, die zwingend und automatisch als Risk Taker gelten:

  • Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans
  • Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene
  • Mitarbeiter mit Managementverantwortung für die Kontrollfunktionen oder die wesentlichen Geschäftsbereiche des Instituts
  • Unter gesonderten Bedingungen auch die Mitarbeiter, die im oder für das vorhergehende Geschäftsjahr Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von mindestens 500.000 € hatten

Darüber hinaus sind bedeutende Institute weiterhin zu einer umfassenden Risikoträgeridentifizierung auf Basis einer Risikoanalyse verpflichtet. Das heißt, bedeutende Institute haben zusätzlich diejenigen Risikoträger und Risikoträgerinnen unter ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu ermitteln, die nicht bereits in den Personenkreis des § 1 Absatz 21 sowie des neuen § 25a Absatz 5b Satz 1 fallen. Dabei sind mindestens die Kriterien gemäß den Artikeln 3 und 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 604/2014 anzuwenden.“

SAG

Eine weitere Anpassung der Kapitalanforderungen an Institute, die aus dem Risikoreduzierungsgesetz resultieren, wird zukünftig im SAG umgesetzt werden.

Aufgrund der Reform der „Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities“ (MREL) durch die weitestgehende Anpassung an den EU-TLAC-Standard werden Mindestanforderungen an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit von Instituten eingeführt. Während die MREL grundsätzlich institutsspezifisch festgelegt wird, gelten für G-SRIs und Institute mit einer Bilanzsumme > 100 Mrd. Euro (sog. Top-Tier-Institute) zukünftig Mindestquoten von 13,5 % der RWA bzw. 5 % des Leverage Ratio Exposures. Ab 2024 müssen diese Institute des Weiteren Eigenmittel und nachrangige Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens 8 % ihrer gesamten Eigenmittel und Verbindlichkeiten (TLOF) vorhalten, um im Abwicklungsfall anfallende Verluste tragen zu können.

Durch die nicht unerhebliche Höhe des Puffers in Höhe von 8 % werden die Banken aller Voraussicht nach vermehrt anrechenbare Anleihen emittieren, um den neuen Kapitalanforderungen gerecht zu werden. Aus diesem Grund beschließt der Gesetzgeber im Zuge des RiG gleichzeitig aus Gründen des Anlegerschutzes eine Stückelung von mindestens 50.000 € bei Anleihen, die von höheren Verlustrisiken betroffen sind, wie dies bei Bail-in-fähigen Anleihen der Fall ist.

Die Umsetzung der Anforderung wird im SAG beziehungsweise im Falle des Anlegerschutzes im WpHG erfolgen.

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1Hintergrund des Proportionalitätsprinzips ist, dass aufsichtsrechtliche Anforderungen risikobasiert und individuell auf Basis der Komplexität und Größe des Instituts schwächer oder stärker ausgeprägt werden.

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