Der Bundesfinanzhof hält die Zinsschranke für verfassungswidrig

Der I. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) hat die Regelung über die Zinsschranke dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt, weil er sie als verfassungswidrig ansieht.

Rechtliche Ausgangssituation

Grundsätzlich sind betrieblich veranlasste Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar. Mit der Einführung von § 4h EStG (i. V. m. §§ 8, 8a KStG) im Jahr 2008 hat der Gesetzgeber die Abzugsfähigkeit jedoch beschränkt.

Danach sind Zinsaufwendungen in Höhe des Zinsertrages und darüber hinaus nur zu 30 % des steuerlichen EBITDA abziehbar. Ausnahmen davon lässt die Zinsschranke nur in engen Grenzen zu. Der nicht abziehbare Teil ist in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen.

Beschluss des BFH vom 14.10.2015 (I R 20/15)

Anlass war die Klage eines Immobilienunternehmens: Die Klägerin war in eine Konzernstruktur eingebunden. Der in den Streitjahren 2008 und 2009 angefallene Zinsaufwand belief sich jeweils auf rund fünf Millionen Euro.

Das Finanzamt setzte die Körperschaftsteuer unter Anwendung der Zinsschranke fest und stellte jeweils einen verbleibenden Zinsvortrag fest. Eine Ausnahme von der Anwendung der Zinsschranke kam nicht in Betracht, weil der negative Zinssaldo über den Grenzen der Zinsschrankenregelung lag. Die anderen Ausnahmen konnten ebenfalls nicht genutzt werden.

Die gegen die Steuerfestsetzungen gerichtete Klage blieb erfolglos. Dagegen legte die Klägerin Revision ein. Das Verfahren setzte der BFH aus und rief das BVerfG an.

Der BFH hielt die Zinsschranke in seinem Beschluss, der am 10. Februar 2016 veröffentlicht wurde, mit deutlichen Worten für verfassungswidrig:

Das Abzugsverbot verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Es mangelt an der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragsteuerrechtes nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Dadurch wird das „objektive Nettoprinzip“ missachtet, da nicht das Nettoeinkommen Grundlage der Besteuerung sei. Rechtfertigungen für diese Verstöße sah der BFH nicht.

Bereits in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2013 äußerte der BFH Zweifel an der Verfassungskonformität (I B 85/13), worauf das Bundesministerium für Finanzen mit einem Nichtanwendungserlass reagierte.

Folgen

Aufgrund der Vorlage durch den BFH ist ein Fall beim BVerfG anhängig, der eine endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke ermöglicht. Bis zu einer Entscheidung können allerdings einige Jahre vergehen. Wie das BVerfG entscheiden wird, ist nicht vorhersehbar. Bis dahin sollten Steuerbescheide offengehalten werden.

Bis zu der Entscheidung des BVerfG kann die Steuerverwaltung die Steuer weiterhin unter Anwendung der Zinsschranke festsetzen. Es ist möglich, dass zukünftige Steuerfestsetzungen vorläufig sein werden. Sie sind dann zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, wenn die Zinsschranke (rückwirkend) für verfassungswidrig erklärt wird. Entscheidet das BVerfG anders, tritt Bestandskraft ein.

Wenn die Bescheide keinen Vorläufigkeitsvermerk enthalten, sollten sie mit einem Einspruch angefochten werden, damit die Bestandskraft vermieden wird.

Bei einer Steuerfestsetzung unter Anwendung der Zinsschranke sind die festgesetzten Steuern dennoch zur Zahlung fällig. Eine spätere Steuererstattung ist dann zugunsten des Steuerpflichtigen mit 6 % p. a. zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ende des entsprechenden Steuerjahres.

Die Zahlungspflicht kann zunächst durch einen Einspruch, verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide vermieden werden. Ob die Finanzverwaltung solchen Anträgen nunmehr stattgeben wird, bleibt abzuwarten. Bislang hat sie sie abgelehnt.

Hält das BVerfG die Zinsschranke für verfassungsgemäß, besteht weiter die Frage, ob in besonderen Situationen (z.B. reiner Inlandsfall) eine verfassungskonforme Auslegung der Zinsschranke zu einem weitergehenden oder unbegrenzten Zinsabzug führt. Diese Entscheidung liegt dann bei den Finanzgerichten.

Die Experten von Roever Broenner Susat Mazars helfen Ihnen dabei, die ertragsteuerliche Situation Ihres Unternehmens zu begutachten, und geben Ihnen Handlungsempfehlungen für Ihre individuelle Situation. Sprechen Sie uns gern an.

Dokument