Erbschaftsteuerreform – nach wie vor offen

30.08.2016 – Endlich ist die Reform der Erbschaftsteuer gelungen … – so sollte dieser Beitrag eigentlich beginnen. Allerdings hat der Bundesrat am 8.7.2016 einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen. Damit verzögert sich das Gesetzgebungsverfahren erneut – mindestens bis in den Herbst.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 war der Gesetzgeber verpflichtet worden, das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz im Hinblick auf die Übertragung von Betriebsvermögen spätestens bis zum 30.6.2016 zu ändern. Da der Gesetzgeber diese Frist nicht eingehalten hat, hat das Gericht angekündigt, sich im Herbst ebenfalls wieder mit dem Thema zu befassen.

Nach langem Ringen hat sich die Regierungskoalition am 20.6.2015 auf einen Konsens geeinigt, der am 24.6.2016 vom Bundestag angenommen wurde. Dieser Gesetzentwurf wird Ausgangspunkt der weiteren Verhandlungen im Vermittlungsausschuss sein.

Das Grundprinzip der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen soll nach wie vor erhalten bleiben. Damit sollen auch in Zukunft die bekannten Verschonungsmodelle gelten, wenn die Behaltensfristen eingehalten werden. Es soll auch an dem bisherigen System des Verwaltungsvermögens festgehalten werden. Erfreulich ist, dass für die im Bewertungsgesetz geregelte Unternehmensbewertung eine Anpassung des Kapitalisierungsfaktors vorgesehen wird. Es sind weiterhin neue Regelungen zur Ermittlung des Verwaltungsvermögens sowie zu Stundungsmodellen aufgenommen worden.

Der derzeitige Gesetzentwurf beinhaltet eine Rückwirkungsklausel, demnach sollte das neue Erbschaftsteuergesetz rückwirkend zum 1.7.2016 in Kraft treten. Durch die zeitliche Verzögerung des Gesetzgebungsverfahrens ist nun allerdings unklar, wann das Gesetz tatsächlich in Kraft treten wird. Jedenfalls haben sich beide – Bundesverfassungsgericht und Finanzverwaltung – dahingehend geäußert, dass das bisherige Gesetz zunächst weiter fortgilt.

Die vom Bundestag verabschiedeten Neuregelungen

  • Verschonungsregelungen bleiben erhalten: Auch in Zukunft soll die Möglichkeit einer Steuerbefreiung in Höhe von 85 % oder 100 % (Regel- oder Optionsverschonung) erhalten bleiben, wenn der Unternehmensnachfolger das Unternehmen fünf bzw. sieben Jahre fortführt und die Arbeitsplätze erhält. Dies gilt für mittelständische Unternehmen bei der Übertragungen von Unternehmenswerten bis 26 Millionen Euro.
  • Für Großunternehmen – Abschmelzmodell …: Der Verschonungsabschlag (85 % bzw. 100 %) schmilzt für Übertragungen von Betriebsvermögen ab 26 Millionen Euro mit zunehmendem Unternehmenswert bis auf null Euro ab (um jeweils einen Prozentpunkt für jede 750.000 Euro, die der Unternehmenswert die Freigrenze von 26 Millionen Euro überschreitet). Bei der Regelverschonung fällt die Verschonung ab einem Unternehmenswert von 89,75 Millionen Euro vollständig weg, bei der Optionsverschonung wird ab einem Unternehmenswert von 90 Millionen Euro überhaupt keine Verschonung mehr gewährt. Wie bisher muss das Unternehmen während der Behaltensfristen unter Einhaltung der Mindestlohnsumme fortgeführt werden.
  • …oder Verschonungsbedarfsprüfung: Wenn der Erwerber eines Großunternehmens nachweist, dass er die Erbschaftsteuer nicht aus 50 % seines miterworbenen oder bereits vorhandenen Privatvermögens leisten kann, kann anstelle des Abschmelzmodells ein Erlass der Erbschaftsteuer beantragt werden. Der Unternehmensnachfolger muss dem Finanzamt im Rahmen einer Bedürfnisprüfung dann seine persönlichen Vermögensverhältnisse vollständig offenlegen. Auch hier gilt es, das Unternehmen unter Einhaltung der Mindestlohnsumme fortzuführen.
  • Besonderer Abschlag für Familienunternehmen: Gänzlich neu ist ein besonderer Abschlag auf den Unternehmenswert für Familienunternehmen, deren Gesellschaftsverträge typische Klauseln aufweisen – 2 Jahre vor der Übertragung und 20 Jahre nach der Übertragung (Beschränkungen für Entnahme/Gewinnausschüttung, Verfügungsmöglichkeiten nur für Angehörige, Abfindung deutlich unter Wert bei Ausscheiden). Der Abschlag richtet sich nach den in Satzung oder Gesellschaftsvertrag vereinbarten Minderungen der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und ist auf maximal 30 % begrenzt.
  • Unverändert – begünstigungsfähiges Vermögen und Verwaltungsvermögenstest: Der bereits jetzt geltende Verwaltungsvermögenstest zur Negativabgrenzung von begünstigtem und nicht begünstigtem Betriebsvermögen soll auch weiterhin Anwendung finden. Das Verwaltungsvermögen wird jedoch künftig nicht mehr mitbegünstigt, lediglich 10 % des Verwaltungsvermögens werden wie begünstigtes Vermögen behandelt.
  • Verwaltungsvermögensquote über 90 %: Neu ist der Ausschluss der Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen mit einer Verwaltungsvermögensquote von mehr als 90 % zur Vermeidung missbräuchlicher Steuergestaltungen.
  • Investitionsklausel im Erbfall: Mittel aus einem Erbe können als erbschaftsteuerlich begünstigtes Vermögen behandelt werden, wenn diese Mittel nach dem Willen des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall in das Unternehmen investiert werden.
  • Konsolidierte Ermittlung des Verwaltungsvermögens: Künftig soll das Nettovermögen für die Besteuerung maßgeblich sein, indem die Schulden quotal dem begünstigten und dem nicht begünstigten Vermögen zugeordnet werden. Darüber hinaus wird das Nettovermögen bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen konsolidiert ermittelt (Konzernbetrachtung).
  • Neue Grenzen für die Lohnsummenregelung: Künftig sollen Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten von der Einhaltung der Lohnsummenregelung ausgenommen sein. Für Unternehmen mit über 5 Mitarbeitern gilt eine gestaffelte Mindestlohnsumme je nach Regel- bzw. Optionsverschonung (5–10 Mitarbeiter 250 %/500 %, 11–15 Mitarbeiter 300 %/565 %, mehr als 15 Mitarbeiter 400 %/700 %).
  • Stundungsregelung im Erbfall: Vorgesehen ist die Einführung einer an keine besonderen Voraussetzungen anknüpfenden und zinsfreien Stundungsregelung für Betriebsvermögen für einen Zeitraum von 10 Jahren, die für alle Arten von begünstigtem Betriebsvermögen Geltung finden und unabhängig von anderen Begünstigungen gewährt werden soll. Bedingung ist die Unternehmensfortführung unter Einhaltung der Mindestlohnsumme.
  • Realistische Unternehmensbewertung: Neu aufgenommen wurde eine Anpassung des im Bewertungsgesetz geregelten sog. vereinfachten Ertragswertverfahrens. Für eine realistischere Unternehmensbewertung soll im vereinfachten Ertragswertverfahren der durchschnittliche Jahresertrag des Unternehmens künftig mit einem niedrigeren Kapitalisierungsfaktor von 10 bis maximal 12,5 (statt derzeit 17,86) multipliziert werden.

Derzeit ist noch nicht absehbar, was sich an diesem Gesetzesentwurf durch die Abstimmung im Vermittlungsausschuss ändern wird. Der Beschluss des Bundesrats ist so weit gefasst, dass alle Regelungsbereiche berührt sein könnten. Im Interesse aller Unternehmerfamilien ist zu hoffen, dass es nicht zu gravierenden Verschlechterungen der Begünstigungen für Betriebsvermögen kommt, sodass Unternehmensnachfolgen weiterhin erfolgreich durchgeführt werden können.

Dies ist ein Beitrag aus unserem Steuer-Newsletter 4/2016. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.