Dauerbrenner: Kapitalertragsteuer bei Regiebetrieben

06.08.2018 – Der Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichte am 23.5.2018 drei Urteile, in denen er zur Entstehung von Kapitalertragsteuer bei Regiebetrieben Stellung nimmt. In den beiden Verfahren, die den Urteilen vom 30.1.2018 VIII R 42/15 und VIII R 15/16 zugrunde liegen, hatte der BFH zur Zulässigkeit der Rücklagenbildung bei Regiebetrieben Stellung zu beziehen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EstG führt u. a. der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betriebs gewerblicher Art (BgA) im Sinne von § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit bei Vorliegen der weiteren a. a. O. genannten Voraussetzungen bei der Trägerkörperschaft zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Entsprechend Satz 2 a. a. O. führt die spätere Auflösung der Rücklagen für Zwecke außerhalb des BgA ebenso zu einem Gewinn i. S. v. Satz 1. In der Folge erzielt die Trägerkörperschaft auch in solchen Fällen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen hingegen nicht vor, soweit das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt.

Die Finanzverwaltung legt die betreffenden Regelungen mit dem BMF-Schreiben vom 9.1.2015 dahingehend aus, dass die Bildung von Rücklagen den bei der Trägerkörperschaft zu Einkünften aus Kapitalvermögen führenden Gewinn mindert, macht dies jedoch bei Regiebetrieben im Gegensatz zu Eigenbetrieben von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Sie erkennt die Rücklagenbildung für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG unter Hinweis auf die unmittelbare Verfügungsbefugnis der Trägerkörperschaft über die Gewinne des Regiebetriebs nur an, soweit die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nicht nachhaltig erfüllt werden können; z. B. für die Durchführung von Investitionsvorhaben oder die Tilgung von betrieblichen Verbindlichkeiten.

Dieser Auffassung folgt der BFH in den o. g. Urteilen nicht. Denn der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG liege eine Ausschüttungsfiktion zugrunde. Der BgA kann mangels rechtlicher Selbstständigkeit keine tatsächlichen Ausschüttungen tätigen. Einnahmen der Regiebetriebe fließen unmittelbar in den Haushalt der Trägerkörperschaft und Ausgaben werden unmittelbar aus deren Haushalt bestritten. Folglich fließt der Gewinn eines Regiebetriebs seiner Trägerkörperschaft zeitgleich mit seiner Entstehung zum Abschluss des Wirtschaftsjahres als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu. Hintergrund dieser Ausschüttungsfiktion ist das Ziel des Gesetzgebers, die Gleichbehandlung sämtlicher BgA – egal ob Regie- oder Eigenbetrieb – mit Kapitalgesellschaften zu erreichen und sie quasi wie eine „virtuelle Kapitalgesellschaft“ (Märtens in Gosch, KStG, 3. Aufl., § 4 Rz. 22) zu behandeln. Dies schließt lt. BFH die Möglichkeit mit ein, Gewinne des BgA in Rücklagen speichern zu dürfen und damit erst später – nämlich bei deren Auflösung – zu Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Trägerkörperschaft werden zu lassen. Auch dem Gesetz entnimmt der BFH hinsichtlich der Rücklagenbildung keine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben.

Im Ergebnis ist lt. BFH eine Rücklagenbildung bei Regiebetrieben ebenso wie bei Eigenbetrieben ohne besondere Voraussetzungen anzuerkennen. Dabei verkennt der BFH nicht, dass bei einem Regiebetrieb im Unterschied zum Eigenbetrieb kein Ausschüttungsbeschluss erforderlich ist, um der Trägerkörperschaft Verfügungsmacht über die Gewinne des BgA zu verschaffen. Deshalb fordert auch er anhand objektiver Umstände den Nachweis, dass die Gewinne des Regiebetriebs tatsächlich nicht zeitgleich mit ihrer Entstehung an die Trägerkörperschaft abgeflossen sind, sondern diesem weiterhin als Eigenkapital zu Verfügung stehen. Im Fall einer kommunalen Gebietskörperschaft sieht es der BFH dabei als ausreichend an, dass die Bildung der Rücklagen auf Beschlüssen der zuständigen Gremien der Trägerkörperschaft beruht.

In dem dritten Urteil vom 30.1.2018 mit dem Aktenzeichen VIII R 75/13 trifft der BFH zwei weitere, für die Praxis wesentliche Aussagen. Zunächst bestätigt der BFH seine Rechtsprechung, dass in 2001 erzielte Gewinne eines BgA in der Form eines Regiebetriebs bei der Trägerkörperschaft nicht zu steuerpflichtigen Einkünften i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG führen. Sie unterliegen damit nicht der Kapitalertragsteuer. Dies gilt gemäß des o. g. Urteils selbst dann, wenn die betreffenden Gewinne zunächst in eine Rücklage eingestellt wurden, die später aufgelöst wird. Im Ergebnis bleiben solche Gewinne dauerhaft von § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ausgenommen.

Weiterhin stellte der BFH in dem betreffenden Urteil ausdrücklich klar, dass mit dem Begriff der Rücklagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG nur solche i. S. v. Satz 1 zu verstehen sind. Damit sollten zukünftig Diskussionen mit der Finanzverwaltung zur Besteuerung von Kapitalrücklagen insbesondere in Einbringungsfällen leichter zu gestalten sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Finanzverwaltung zu den Urteilen positioniert und ob – und, wenn ja, wann – diese im Bundessteuerblatt II veröffentlicht und damit für allgemein anwendbar erklärt werden.

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Britta Benkißer
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Dies ist ein Beitrag aus unserem NPO-Newsletter 1-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier.