Auswirkungen des Strahlenschutzgesetzes auf Röntgendiagnostik und Teleradiologie

01.06.2018 – Auswirkungen des Strahlenschutzgesetzes auf Röntgendiagnostik und Teleradiologie

Der Bundestag hat am 27.4.2017 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (StrlSchG) beschlossen. Nach Zustimmung durch den Bundesrat am 12.5.2017 und Verkündung am 27.6.2017 (BGBl. I 2017 Nr. 42, S. 1966) sind einige Vorschriften bereits seit dem 1.10.2017 wirksam; die meisten Regelungen werden jedoch erst mit Wirkung ab 31.12.2018 in Kraft treten. Auch im medizinischen Bereich ergeben sich bedeutsame Neuerungen.

Das StrlSchG ersetzt das Strahlenschutzvorsorgegesetz (StrVG), die auf Grundlage des Atomgesetzes (AtomG) ergangene Röntgenverordnung (RöV) und die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV). Mit dieser Konsolidierung wird das Ziel verfolgt, den Strahlenschutz zu verbessern und übersichtlicher zu gestalten und bürokratische Hemmnisse abzubauen. Darüber hinaus wird die Richtlinie 2013/59 Euratom des Europäischen Rates vom 5.12.2013 umgesetzt, die im medizinischen Bereich zum Ziel hat, durch klare Vorgaben für medizinische Früherkennungsuntersuchungen mit Röntgenstrahlung nicht erforderliche Röntgenuntersuchungen zu vermeiden.

Teleradiologie – Erforderlichkeit eines Gesamtkonzeptes

§ 14 Abs. 2 StrlSchG ersetzt in Verbindung mit der Begriffsbestimmung der Teleradiologie in § 5 Abs. 38 StrlSchG die Regelungen des § 3 Abs. 4 RöV. Teleradiologie wird in § 5 Abs. 38 StrlSchG legaldefiniert als „Untersuchung eines Menschen mit Röntgenstrahlung unter der Verantwortung eines Arztes, der die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz besitzt und der sich nicht am Ort der technischen Durchführung befindet.“ Anders als in den Vorgaben der RöV vorgesehen, wird damit nicht mehr explizit gefordert, dass der Teleradiologe die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz für das Gesamtgebiet der Röntgenuntersuchung besitzt. Es genügt die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz. Die weiteren Regelungsinhalte, die die Durchführung der Teleradiologie betreffen, werden auf Verordnungsebene geregelt werden und stehen daher noch nicht fest.

§ 14 Abs. 2 Nr. 3 StrlSchG knüpft die Erteilung einer – weiterhin erforderlichen – Genehmigung für eine Tätigkeit zur Teleradiologie im Vergleich zu den Regelungen in § 3 Abs. 4 RöV nun zusätzlich an das Vorliegen eines Gesamtkonzeptes für den teleradiologischen Betrieb. Das Gesamtkonzept muss u. a. eine im Einzelfall erforderliche persönliche Anwesenheit des Teleradiologen am Ort der technischen Durchführung innerhalb eines für eine Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums ermöglichen und eine regelmäßige und enge Einbindung des Teleradiologen in den klinischen Betrieb des Strahlenschutzverantwortlichen gewährleisten (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 lit. a) und b) StrlSchG).

Damit hält der Gesetzgeber weiterhin an dem bereits in § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 RöV enthaltenen Regionalprinzip fest. Im Fachschrifttum wird die Sinnhaftigkeit der legislativen Einschätzung unter Hinweis auf kleinere Radiologie-Einrichtungen an ländlichen Standorten jedoch angezweifelt (Schulz/Spranger, GesR 2018, 86). Das Regionalprinzip wurde in der Rechtsprechung zwar bislang für verfassungsmäßig erachtet (VG Aachen, Urteil vom 8.2.2007 – 6 K 276/06; OVG NRW, Beendigung durch Vergleich im Verfahren 20 A 497/10). Ob dies vor dem Hintergrund der berufsrechtlichen Liberalisierungstendenzen im Zusammenhang mit dem Fernbehandlungsverbot (vgl. den Beitrag in diesem Newsletter) auch künftig Bestand haben wird, bleibt abzuwarten und erscheint keinesfalls zwingend.

Medizinphysikexperten – Einsatz auch in der Röntgendiagnostik

Bislang mussten Medizinphysiker nur in der Strahlentherapie und der nuklearmedizinischen Therapie zwingend eingebunden werden. Die Regelung in § 14 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchG sieht vor, dass ein Medizinphysikexperte auch bei strahlendiagnostischen und interventionsradiologischen Anwendungen, die mit hohen Dosen der untersuchten Person verbunden sind, hinzuziehbar sein muss, und zwar mit einem entsprechend dem mit der Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe einhergehenden Risiko abgestuften Einbindungsgrad („zur engen Mitarbeit“, „zur Mitarbeit“, „zur Beratung“). Die Einzelheiten sind einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung vorbehalten (§ 14 Abs. 1 Nr. 2b i. V. m. § 86 Satz 2 Nr. 10 StrlSchG).

Je nach Größe und/oder fachlicher Spezialisierung eines Krankenhauses sind mit der zwingenden Verfügbarkeit eines Medizinphysikexperten also – ähnlich der Betreuung von Krankenhäusern durch Krankenhaushygieniker – potenziell zusätzliche Personalkosten verbunden. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage zu klären sein, ob die Verfügbarkeit eine Anstellung erfordert oder auch im Rahmen eines – auf freiberuflicher Basis begründeten – Kooperationsverhältnisses gewährleistet werden kann.

Aufzeichnungsfristen, Informationsund Meldesystem für Vorkommnisse

Gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG werden die den Strahlenschutzbeauftragten treffenden Aufzeichnungspflichten erweitert. Neben den schon nach § 28 RöV bestehenden Aufzeichnungspflichten müssen Aufzeichnungen nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) StrlSchG u. a. auch Angaben zur Exposition der untersuchten oder behandelten Person oder zur Ermittlung dieser Exposition, einschließlich einer Begründung im Falle der Überschreitung diagnostischer Referenzwerte, enthalten.

Flankierend enthält § 90 StrlSchG eine Verordnungsermächtigung der Bundesregierung zur Festlegung von Pflichten des Strahlenschutzbeauftragten, von behördlichen Aufgaben und Befugnissen bei Vorkommnissen sowie von Aufzeichnungs-, Übermittlungs- und Aufbewahrungspflichten vor. Danach kann die Verordnung z. B. regeln, dass und auf welche Weise der Strahlenschutzverantwortliche der Aufsichtsbehörde ein Vorkommnis zu melden hat. „Vorkommnis“ meint etwa, dass ein Patient aufgrund technischen oder menschlichen Versagens mit einer zu hohen Dosis bestrahlt wurde. Eine dermaßen ausgestaltete Meldepflicht könnte dazu zwingen, einen Behandlungsfehler einräumen zu müssen. Zwar wird die Praktikabilität einer solchen Meldepflicht bezweifelt (Wigge/Schütz, RöFo 2017, 903), systemfremd ist eine solche Verpflichtung hingegen nicht. So wurde Behandlern bereits im Zuge des Patientenrechtegesetzes von 2013 auferlegt, den Patienten über für die Behandlerseite erkennbare Umstände zu informieren, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, wenn der Patient diesbezüglich explizit nachfragt oder dies zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist (vgl. § 630c Abs. 2 Satz 3 BGB).

Fazit

Die bisher fragmentierten gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben zum Strahlenschutz werden durch das StrlSchG zusammengefasst. Für Krankenhausträger und niedergelassene Ärzte der Fachrichtungen Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie bringt das StrlSchG bedeutsame Änderungen mit sich. Die Genehmigung teleradiologischer Systeme ist künftig an die Vorlage eines Gesamtkonzeptes gebunden. Erhöhte Anforderungen in Bezug auf die Verfügbarkeit speziell qualifizierten Personals können sich als relevanter Kostenfaktor darstellen. Administrativer Mehraufwand kann zudem nicht ausgeschlossen werden. Die Auswirkungen der Regelung einer Vielzahl weiterer bedeutsamer Einzelheiten sind jedoch noch nicht absehbar, da die konkrete Ausgestaltung auf noch zu erlassende Rechtsverordnungen verlagert worden ist.

Kontakt

Dr. Moritz Ulrich, M.mel.
Tel: +49 30 208 88-1445

Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 1-2018. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen  Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.