Wohnungsunternehmen bleiben erbschaftsteuerlich begünstigt

21.06.2018 – Zum Thema „erbschaftsteuerlich begünstigtes Wohnungsunternehmen“ gab es jüngst Unsicherheiten durch den Bundesfinanzhof (BFH). Die Wogen haben sich wieder geglättet, nachdem die obersten Finanzbehörden der Länder ihren Erlass vom 23.4.2018 veröffentlicht haben, wonach sie die Begünstigung unverändert gewähren werden.

In seinem am 21.2.2018 veröffentlichten Urteil vom 24.10.2017 (Az. II R 44/15) hatte der BFH zur erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Wohnungsunternehmen ausgeführt, dass er der Gesetzesauslegung der Finanzverwaltung nicht folgt. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung soll ein Wohnungsunternehmen laut BFH nicht bereits aufgrund der großen Anzahl der vermieteten Wohnungen vorliegen. Nach Ansicht des BFH kann ein Wohnungsunternehmen nur vorliegen, wenn das Unternehmen über die reine Vermietung hinaus Zusatzleistungen an die Mieter erbringt (die dann aber auch ertragsteuerlich zur Gewerblichkeit und damit zur Gewerbesteuerpflicht führen würden). Auf die Anzahl der Wohnungen kommt es laut BFH nicht an.

Zum Hintergrund

Von einem Unternehmen an Dritte vermietete Immobilien stellen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer grundsätzlich kein begünstigungsfähiges Betriebsvermögen dar, sondern sind nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4 Nr. 1 ErbStG). Von diesem Grundsatz gibt es einige Ausnahmen. Eine davon ist das sogenannte Wohnungsunternehmen. Nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 lit. d) ErbStG werden vermietete Wohnungen als begünstigungsfähiges Betriebsvermögen angesehen, wenn der Hauptzweck des Unternehmens die Vermietung von eigenen Wohnungen ist und dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO erfordert.

Die Finanzverwaltung gibt dem Steuerpflichtigen insoweit klare Abgrenzungskriterien an die Hand und definiert das Wohnungsunternehmen in den Erbschaftsteuerrichtlinien sowie in den neuen Erlassen zum Erbschaftsteuerrecht wie folgt:

Laut Finanzverwaltung liegt ein begünstigungsfähiges Wohnungsunternehmen stets vor, wenn der Hauptzweck des Unternehmens die Vermietung von eigenen Wohnungen ist und das Unternehmen mehr als 300 eigene Wohnungen hält (R E 13b.13 Abs. 3 S. 2 ErbStR 2011 und A 13b.17 Abs. 3 S.2 AEErbSt 2017).

Dieser Beurteilung ist der BFH mit dem oben genannten Urteil entgegengetreten. In Übereinstimmung mit seiner Rechtsprechung zum Ertragsteuerrecht hat der BFH ausgeführt, dass es allein auf die Anzahl der Wohnungen nicht ankäme. Ein Wohnungsunternehmen könne vielmehr nur dann vorliegen, wenn das Unternehmen den Mietern über die Vermietung hinausgehende Zusatzleistungen (z. B. Reinigungs- oder Concierge-Dienste) anbietet oder nur kurzfristige Vermietungen vornimmt. Klassische Immobiliengesellschaften wären von dieser Definition des BFH nicht mehr erfasst gewesen, da derartige Zusatzleistungen gerade nicht üblich sind für „normale“ Wohnungsvermietungsgesellschaften. Im Erb- oder Schenkungsfall wären derartige Wohnungsvermietungsgesellschaften daher voll steuerpflichtig gewesen und hätten nicht mehr als begünstigtes Betriebsvermögen qualifiziert werden können.

Mittlerweile ist aber wieder Entwarnung eingetreten: Die Finanzverwaltung hat in einem von allen Bundesländern gemeinsam verabschiedeten Erlass mitgeteilt, dass sie der Auffassung des BFH nicht folgt und weiterhin an ihren Voraussetzungen für das Vorliegen eines Wohnungsunternehmens festhalten wird. Hält eine Wohnungsvermietungsgesellschaft somit mindestens 300 Wohnungen (und handelt es sich um Betriebsvermögen), wird sie weiterhin als begünstigtes Betriebsvermögen qualifiziert und kann im Erb- oder Schenkungsfall steuerfrei übertragen werden.

Zu beachten ist allerdings, dass sich die Rechtsauffassung des BFH und der Finanzverwaltung damit in dieser Frage ausdrücklich widersprechen, wobei es sich für den Steuerpflichtigen um ein durchaus reales Problem handelt: Durch die Annahme eines Wohnungsunternehmens begünstigte Steuerpflichtige, bei denen die Anerkennung des Wohnungsunternehmens in Übereinstimmung mit der Finanzverwaltung allein auf der Anzahl der Wohnungen beruht, können sich nicht im Klageweg gegen andere nachteilige Fehler im Schenkung- oder Erbschaftsteuerbescheid zur Wehr setzen, da das angerufene Gericht ein berechtigtes Klagebegehren zurückweisen könnte, weil der Steuerpflichtige aus Sicht des Gerichts in einem anderen Punkt (Begünstigung als Wohnungsunternehmen) „zu gut“ behandelt würde. Die sich aus dem Steuerbescheid ergebende Steuer wäre somit im Saldo keinesfalls zu hoch.

Dennoch ist der Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung uneingeschränkt zu begrüßen, weil er weiterhin Übertragungen als begünstigtes Wohnungsunternehmen ermöglicht. Auch eine Änderung der Gesetzeslage, zu welcher der BFH konkludent aufgefordert hatte, ist derzeit nicht in Sicht, sodass jedenfalls derzeit Wohnungsunternehmen wieder umfassend von den Betriebsvermögensbegünstigungen profitieren können.

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