„Vielfalt im Aufsichtsrat zahlt sich aus“

Unterschiedlich besetzte Führungsgremien können den unternehmerischen Erfolg erhöhen, zeigen Studien. Das ist aber nicht nur eine Frage der Geschlechter, davon ist Christin Drüke, Partnerin bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Mazars, überzeugt. Auch Vielfalt hinsichtlich Generationen, Nationalitäten und Erfahrungen trägt zum Erfolg von Aufsichtsräten und Vorständen bei.

Geht es um die Besetzung von Top-Positionen, sind die Führungsgremien von deutschen Unternehmen häufig einseitig besetzt. Nur 31 Prozent der Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten in Deutschland sind Frauen, zeigt die Studie „Global Board Diversity Tracker 2022/23“ der Personalberatung Egon Zehnder. Das ist zwar eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 2004, als in Deutschland nur acht Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt wurden, doch im europäischen Vergleich schneidet Deutschland weiterhin schlecht ab. Schließlich liegt in westeuropäischen Ländern der Anteil von Frauen mit Führungspositionen bei 35 Prozent. Spitzenreiter ist dabei Frankreich mit 45 Prozent.

„Das ist kein Zufall. Es hat strukturelle Gründe, warum Frauen in Deutschland Schwierigkeiten haben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren“, sagt Steuerberaterin Christin Drüke, die als Partnerin bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars hauptberuflich für das Thema Diversity zuständig ist. Allen voran fehlt es in Deutschland nach wie vor an einem guten Angebot für die Kinderbetreuung. Ganz anders ist die Lage in Frankreich: Dort arbeiten Frauen in der Regel bereits wieder wenige Wochen nach der Geburt. Für die Kinderbetreuung sorgt der französische Staat. So muss ein französisches Unternehmen nicht fürchten, eine talentierte Mitarbeiterin durch die Geburt eines Kindes zu verlieren. Und die Mitarbeiterin selbst erlebt keinen Karriereknick.

„In Deutschland ist die Lage ganz anders. Hier führt die Elternzeit häufig dazu, dass Frauen von den Talentlisten gestrichen werden“, sagt Drüke. Viele Frauen machen eine längere Pause, verlieren den Kontakt zur Firma und in dieser Zeit ihre Aufgabe im Unternehmen. Arbeitsrechtlich besteht aber in Deutschland der Anspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz nach der Elternzeit.

Christin Drüke weiß, wovon sie spricht. Als Mutter von vier Kindern kennt sie den Spagat, den eine Mutter zwischen Beruf und Karriere leisten muss. Und sie erlebte selbst auch Vorbehalte in ihrer Umgebung, mit denen eine Frau konfrontiert wird, die wegen Kindern ihre Karriere nicht aufgeben will. Sie setzt sich vehement dafür ein, dass die Rahmenbedingungen für die Karriere von Frauen verbessert werden. „In erster Linie muss sich in Deutschland die Infrastruktur rund um die Kinderbetreuung und die Betreuung zu pflegender Angehöriger verbessern. Das ist die politisch erforderliche Basis, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen“, erklärt Drüke.

Unternehmen müssen umdenken

Aber auch die Unternehmen müssten ihren Beitrag leisten und umdenken, meint Drüke. So sollten Unternehmen anstehende Beförderungen bei Mitarbeiterinnen schon vor der Elternzeit aussprechen, um den Anreiz zur Rückkehr zu erhöhen und die Wertschätzung für die Mitarbeiterin zu zeigen. Aber auch eine fortlaufende Kontaktpflege während der Elternzeit sei wichtig. Dazu gehörten regelmäßige Treffen oder auch Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Schließlich auch maßgeschneiderte Programme, um Frauen anschließend wieder im Unternehmen zu integrieren.

Ein weiterer Grund für verkrustete Strukturen ist oft der sogenannte Thomas-Kreislauf. Dabei handelt es sich um ein Muster, nach dem deutsche Unternehmen häufig Führungspositionen besetzen. So haben viele Vorstände eine West-Sozialisierung, sind im Schnitt 55 Jahre alt, haben Betriebswirtschaftslehre oder Ingenieurswesen studiert und tragen überdurchschnittlich oft den Namen „Thomas“ oder neuerdings auch „Christian“. „Solch eine Führungskraft hält eher an dem bekannten Ebenbild fest. Doch es lohnt sich, bei der Besetzung von Führungspositionen bekannte Wege zu verlassen und neue Ansätze zu probieren.“

Vielfalt auch bei Alter und Nationalitäten

Diversität in Führungspositionen beschränkt sich aber nicht nur auf Geschlechter. Wichtig sei eine gute Mischung verschiedener Altersgruppen und Nationalitäten, erklärt Drüke: „Menschen aus verschiedenen Generationen und vor allem von unterschiedlicher Nationalität wurden unterschiedlich sozialisiert und bringen diverse Perspektiven und Erfahrungen ein. Sie können sich gut ergänzen und verschiedenartige Blickwinkel beitragen.“ Doch selbst das stellt nur einen Teil der möglichen Diversitätskategorien dar. Die bereits genannten können auch durch unterschiedliche Ausbildungen und soziale Herkünfte sowie weitere Aspekte einer Identität ergänzt werden.

Dass divers besetzte Führungsgremien erfolgreicher sein können, belegen zahlreiche Studien. Unternehmen mit hoher Diversität der Mitarbeiter*innen und des Managements können auch ein höheres Umsatzwachstum erzielen. Dafür sorge nicht nur die Diversität von Geschlechtern und Altersgruppen, sondern auch unterschiedliche Ethnien. „Die Vielfalt von Führungsgremien ist ein wichtiges Ziel für Unternehmen, um in Zukunft weiter erfolgreich arbeiten zu können. Diese Vielfalt kann die Kreativität, Flexibilität und Innovationskraft steigern“, sagt Drüke. Zudem könne ein Unternehmen, das in der Führung vielfältig zusammengesetzt ist, auch diversere Mitarbeiter*innen für sich gewinnen. Das Unternehmen zeigt, dass auch die höchsten Positionen im Unternehmen für die Mitarbeiter*innen erreichbar sind.

Der Deutsche Corporate-Governance-Kodex spricht seit 2009 Empfehlungen aus, dass der Aufsichtsrat sowohl bei seiner eigenen Zusammensetzung als auch bei der des Vorstands auf eine vielfältige Auswahl achten soll. Hier kann ein Unternehmen zeigen, dass Diversität nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern aktiv vorgelebt wird. „Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Position der oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ein. Sie oder er sollte Vorreiterin oder Vorreiter sein für die Vielfalt im Unternehmen“, meint Drüke.

Auch Investoren legen stärker Wert auf Vielfalt bei der Besetzung von Top-Positionen. Laut der Initiative „Investors4Diversity“, einem Experten-Netzwerk der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, stellen mittlerweile 73 Prozent der 30 einflussreichsten institutionellen Investoren im deutschen Markt entsprechende Anforderungen an ihre Portfoliounternehmen. Im Jahr 2020 lag der Anteil noch bei 50 Prozent.

 

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