Erstes Set der ESRS-Entwürfe: Nachhaltigkeits- und Finanzinformationen auf Augenhöhe

Als Rahmenwerk für die Nachhaltigkeitsberichterstattung legt Set 1 der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) die Basis einer europaweit einheitlichen Sprache für nachhaltigkeitsbezogene Themen.

Die ESRS, die in der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgeschrieben sind und von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erstellt und an die Europäische Kommission übermittelt wurden, schreiben sowohl den Inhalt als auch das Format nachhaltigkeitsbezogener Informationen vor, um den Bedarf an qualitativ hochwertigen, vergleichbaren und relevanten Informationen zu Nachhaltigkeitsthemen zu decken.

Die ESRS stellen die Nachhaltigkeitsinformationen auf eine Stufe mit den Finanzinformationen und legen fest, welche qualitativen und quantitativen Informationen von Unternehmen offengelegt werden müssen – rückblickend wie auch vorausschauend. Sie schreibt sowohl den Inhalt als auch das Format nachhaltigkeitsbezogener Informationen vor. Damit sollen Nachhaltigkeitsinformationen künftig hochwertiger, vergleichbarer und relevanter werden. In bestimmten Fällen müssen die offengelegten Informationen zudem wissenschaftlich fundiert sein.

Während die ersten Unternehmen, die in den Geltungsbereich der CSRD fallen, die ESRS ab dem 1. Januar 2024 anwenden müssen, steht die Europäische Kommission kurz vor der Verabschiedung von Set 1, das 12 Standards umfasst, die für alle Unternehmen branchenunabhängig gültig sind.

Was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen?

Die ESRS bedeuten eine große Veränderung, da sie neue anspruchsvolle Transparenzverpflichtungen rund um die Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns schaffen, zumal die Nachhaltigkeitserklärungen geprüft werden müssen. Zu Beginn wird eine begrenzte Sicherheit hinsichtlich der Einhaltung der ESRS gefordert, die später auf eine hinreichende Sicherheit ausgedehnt werden kann.

In einem ersten Schritt sollten Unternehmen prüfen, ob sie in den Anwendungsbereich der CSRD fallen und wann sie zum ersten Mal Nachhaltigkeitserklärungen nach den ESRS veröffentlichen müssen.

Die Herausforderungen bei der Umsetzung der ESRS werden davon abhängen, ob ein Unternehmen bereits den Anforderungen der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) unterliegt und in welchem Mitgliedstaat das Unternehmen seinen Sitz hat, da die NFRD den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht erheblichen Spielraum lässt. Auf jeden Fall erfordert die erstmalige Anwendung von Set 1, die Wesentlichkeitsanalyse mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette zu überarbeiten. Zudem sind die in den ESRS aufgelisteten Offenlegungsanforderungen und die entsprechenden Datenpunkte gründlich zu analysieren. So wird festgestellt, welche wesentlichen Informationen offengelegt werden müssen, um die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen abzudecken, die das Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsfragen ermittelt hat.

Was sind die Hauptmerkmale der ESRS?

Im Rahmen der ESRS wird bei den nachhaltigkeitsbezogenen Informationen ein doppelter Wesentlichkeitsansatz für das gesamte Spektrum der Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) verfolgt. Die Unternehmen müssen sowohl über die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Mensch und Umwelt berichten als auch über die Auswirkung von Nachhaltigkeitsfaktoren auf sich selbst. Während dieses erste Set der ESRS alle sektorunabhängigen Informationen abdeckt, werden sektorspezifische Standards diese sektorunabhängigen Standards später ergänzen. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt, da die meisten nachhaltigkeitsbezogenen Themen nur mit Blick auf bestimmte Sektoren relevant sind. Darüber hinaus müssen gegebenenfalls auch unternehmensspezifische Informationen vorgelegt werden.

Die Berichtsstruktur der ESRS orientiert sich an den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD). Die ESRS umfassen also die Bereiche Governance, Strategie, Management von Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie Metriken und Ziele.

Set 1 umfasst 12 Entwürfe für sektorunabhängige Standards, zwei sektorübergreifende Standards und zehn thematische Standards, darunter fünf zu Umweltfragen, vier zu sozialen Fragen und einen in Sachen Governance.

Bei der Ausarbeitung der ESRS durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat diese darauf geachtet, dass ihre Vorschläge mit anderen EU-Rechtsvorschriften übereinstimmen, zum Beispiel mit der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) in Bezug auf die Indikatoren für die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen oder mit den Informationen, die in den technischen Regulierungsstandards für sektorunabhängige Angaben von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) im Rahmen von Pillar 3 gefordert werden.

Die Nachhaltigkeitserklärungen müssen in einem klar erkennbaren Abschnitt des Lageberichts dargestellt werden – in digitaler Form unter Verwendung des European Single Electronic Format (ESEF) auf Basis einer noch folgenden XBRL-Taxonomie.

Was ist neu gegenüber den im November 2022 veröffentlichten EFRAG-Standardentwürfen?

Zu den wichtigsten Änderungen, die die Europäische Kommission in ihrem Anfang Juni veröffentlichten Entwurf für einen delegierten Rechtsakt vorgenommen hat, gehören:

  1. die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Standards und der nachhaltigkeitsbezogenen Informationen, die einer Wesentlichkeitsprüfung unterliegen, wobei von nun an nur noch ESRS 2 (allgemeine Angaben) verpflichtend anzuwenden ist (mit Ausnahme des Anhangs B, der Informationen zusammenfasst, die durch andere EU-Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind),
  2. die Verschärfung der in ESRS 1 (allgemeine Anforderungen) aufgeführten Übergangsbestimmungen, wobei zudem ein Schwellenwert für Unternehmen oder Konzerne mit nicht mehr als 750 Beschäftigten in die ESRS eingeführt wurde (insbesondere mit der Möglichkeit für Unternehmen, die unter diesem Schwellenwert liegen, (i) alle in ESRS S1 geforderten Angaben über die eigene Belegschaft im ersten Jahr und (ii) alle in ESRS E4 geforderten Angaben zur Biodiversität sowie alle nötigen Angaben zu ESRS S2 bis S4 in den ersten beiden Jahren auszusparen),
  3. die neue Freiwilligkeit bestimmter Angaben (hauptsächlich zu ESRS E4 und ESRS S1),
  4. die Hinzufügung gezielter Änderungen, vor allem zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit der Offenlegungsanforderungen – konkret geht es bei diesen Erleichterungen darum, „Schutzmaßnahmen“, aber auch mehr Flexibilität einzuführen, z. B. in Bezug auf den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse für andere Umweltthemen über den Klimawandel hinaus –,
  5. die stärkere Kohärenz mit dem gegebenen europäischen Rechtsrahmen,
  6. die Harmonisierung mit anderen globalen Nachhaltigkeitsstandards sowie weitere
  7. redaktionelle und darstellerische Anpassungen, um die Klarheit und Benutzerfreundlichkeit der Standards zu verbessern.

Die nächsten Schritte

Die Europäische Kommission wird Set 1 der ESRS bis spätestens Ende August 2023 im Wege eines delegierten Rechtsakts verabschieden. Eine Umsetzung in nationales Recht ist nicht erforderlich. Daran schließt sich eine Prüfungsphase durch das Europäische Parlament und den Rat an. In Kraft tritt das erste Set nach Plan im Januar 2024 und wird zu diesem Zeitpunkt für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten (die derzeit unter die NFRD fallen) sofort anwendbar sein.

Mit Blick auf die Zukunft bieten die ESRS eine solide Grundlage für die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsinformationen. In der Zwischenzeit sollten sich Unternehmen so schnell wie möglich darauf vorbereiten, die neuen Anforderungen zu erfüllen und sie zu einem strategischen Hebel für ihre Nachhaltigkeits- und Unternehmens-Performance zu machen.

Weitere Informationen über die ESRS und ihre Auswirkungen erhalten Sie in unserem ESRS-Factsheet.

Dokumente

Factsheet ESRS
Guide - Europäische Standards zur Nachhaltigkeits- berichterstattung (ESRS)