VAT in the Digital Age: EU-Kommission veröffentlicht Richtlinienentwurf

Die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) muss an die digitale Transformation des Wirtschaftslebens angepasst werden – daran arbeitet die EU-Kommission seit Langem. Am 8. Dezember 2022 hat sie einen Entwurf für eine geänderte Richtlinie vorgelegt, die die umsatzsteuerlichen Rechnungsstellungs- und Meldepflichten vollständig digitalisieren, die bisherigen Regelungen für die Plattformwirtschaft erweitern und umsatzsteuerliche Registrierungen im EU-Ausland vermeiden soll. Wir stellen hier nur die wichtigsten Neuerungen vor. Aus dem Richtlinienvorschlag ergeben sich noch weitere, hier nicht genannte Änderungen.

Elektronische Plattformen

Wenn Betreiber elektronischer Plattformen bestimmte Lieferungen mit Drittlandsbezug an Nichtunternehmer und bestimmte Gleichgestellte unterstützen, wird bereits seit dem 1. Juli 2021 eine Leistungskette fingiert, bei der der Verkäufer die Ware an den Plattformbetreiber und der Plattformbetreiber an den Kunden liefert. Dieses Prinzip soll ab 2025 auf alle Lieferungen innerhalb der EU über Plattformen ausgeweitet werden, also auch auf Lieferungen an Unternehmer. Dabei ist die ruhende Lieferung des Verkäufers an den Plattformbetreiber steuerfrei, die Lieferung des Plattformbetreibers an den Kunden wird nach den allgemeinen Regeln besteuert. Die Lieferfiktion gilt auch dann, wenn eine Plattform ein innergemeinschaftliches Verbringen unterstützt (Ausnahme: Investitionsgüter); diese Transaktion wird so behandelt, als hätte der verbringende Unternehmer die Ware an den Plattformbetreiber geliefert und dann vom Plattformbetreiber wieder zurückerworben.

Nicht umfasst sind rein lokale Konstellationen, bei denen der Plattformbetreiber in nur einem Mitgliedstaat der EU ansässig ist und nur Lieferungen innerhalb dieses Mitgliedstaates unterstützt.

Auch die kurzfristige Unterkunftsvermietung und die Personenbeförderung, die von Privatpersonen/​ Kleinunternehmern (und einigen anderen) über Plattformen angeboten werden, sollen ab 2025 nach diesem Modell behandelt werden. Da diese Anbieter bislang keine Umsatzsteuer zahlen müssen, ergibt sich ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil gegenüber Hotels und Taxiunternehmen. Nach der Neuregelung soll eine steuerfreie Leistung des Vermieters/​ Fahrers an den Plattformbetreiber und eine der Regelbesteuerung unterliegende Leistung vom Plattformbetreiber an den Kunden fingiert werden. Letztere fällt dann bei großen Plattformen nicht mehr unter die Kleinunternehmerregelung, sodass die Leistung der Umsatzsteuer unterliegt.

Der Entwurf der EU-Kommission lässt zudem die sehr strenge Haftung des Schnittstellenbetreibers für die Steuerschuld des Verkäufers nach § 25e UStG auch für die nunmehr erfassten Fälle ins Leere laufen, da die Lieferung des Verkäufers in Zukunft in der Regel steuerfrei ist und eine etwaig entstehende Umsatzsteuer auf der Ebene des Plattformbetreibers selbst entsteht.

eInvoicing

Schon ab 2024 sollen die elektronischen Rechnungen vereinheitlicht werden. Wenn eine Rechnung elektronisch ausgestellt wird, was zunächst noch freiwillig ist, muss sie in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt und übermittelt werden, das ihre automatische und elektronische Verarbeitung ermöglicht. Ab 2028 wird eInvoicing dann für alle Mitgliedstaaten verpflichtend. Papierrechnungen dürfen die Mitgliedstaaten dann nur noch für Umsätze akzeptieren, die nicht dem neuen eFiling (siehe nachfolgend) unterliegen. Weder der Rechnungsempfänger noch (wie es in machen Mitgliedstaaten vorgeschrieben ist) das Finanzamt muss grundsätzlich dem eInvoicing in Zukunft zustimmen.

Die Frist zur Ausstellung von Rechnungen für innergemeinschaftliche Lieferungen und für Leistungen, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen, beträgt ab 2028 nur noch zwei Werktage ab Leistungszeitpunkt. Demensprechend dürfen auch keine Sammelrechnungen für einen Kalendermonat mehr ausgestellt werden.

Die Rechnung muss ab 2028 zusätzliche Angaben enthalten:

  • das Bankkonto, auf dem die Zahlung für die Rechnung gutgeschrieben werden soll 
  • das vereinbarte Datum und die Beträge jeder Zahlung im Zusammenhang mit einer konkreten Transaktion
  • bei einer Rechnungsänderung: die Identifizierung der ursprünglichen Rechnung

eFiling – digitale Meldepflichten und Umsatzsteuer

Das Rechnungsstellungs- und Meldesystem der Zukunft ist digital und transaktionsbasiert. Die Zusammenfassenden Meldungen sind somit passé. Was einige, vor allem osteuropäische Mitgliedstaaten schon eingeführt haben (kontinuierliche Transaktionskontrollen), soll auf die ganze EU ausgeweitet werden, weil sich diese Maßnahmen als wirksames Mittel erwiesen haben, den „VAT Gap“ (Umsatzsteuerbetrug) kleiner werden zu lassen.

Innergemeinschaftliche Umsätze, die bisher über die als veraltet angesehene Zusammenfassende Meldung erfasst wurden, sind ab 2028 in einem sog. DMP-System (DMP steht für „digitale Meldepflichten“) zu erklären. Die Meldung erfolgt dann nicht mehr kumuliert pro USt-ID und Monat, sondern transaktionsbasiert. Die Daten müssen zwei Arbeitstage nach Ausstellung der Rechnung bzw. an dem Tag, an dem die Rechnung hätte ausgestellt werden müssen, übermittelt werden.

Gemeldet werden müssen alle (neuen) Pflichtangaben der Rechnung mit Ausnahme des Namens und der Anschrift des Leistenden und des Leistungsempfängers (beides ergibt sich aus der anzugebenden USt-ID) und des Leistungs- oder Zahlungsdatums.

Single VAT Registration

Das bekannte Reverse-Charge-Verfahren entlastet schon lange Unternehmer, die Leistungen im EU-Ausland erbringen. Es gibt aber noch viele Fälle, in denen die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nicht gilt, und dies ist mangels einheitlicher Umsetzung in nationales Recht auch noch abhängig vom jeweiligen Mitgliedstaat. Im B2B-Bereich soll das Reverse-Charge-Verfahren ab 2025 auf alle Leistungen eines nicht im betreffenden Mitgliedstaat ansässigen Unternehmers ausgeweitet werden (Ausnahme: Margenbesteuerung), wenn der Leistungsempfänger dort registriert ist. Die erst 2020 eingeführte Vereinfachungsregelung für Konsignationslager, die Registrierungen im Ausland vermeiden sollte, ist dann nicht mehr notwendig und gilt nur noch für Transfers in ein Konsignationslager bis zum 31. Dezember 2024.

Die EU-Regelung des One-Stop-Shops wird auf alle Lieferungen ausgedehnt, also auch auf Werklieferungen, Waren an Bord von Schiffen, Flugzeugen und Zügen sowie Gas, Strom, Wärme oder Kälte.

Beim innergemeinschaftlichen Verbringen eigener Waren ist der innergemeinschaftliche Erwerb im Ziel-Mitgliedstaat steuerfrei, wenn der Unternehmer an einem speziellen Verfahren teilnimmt, von dem Investitionsgüter allerdings ausgeschlossen sind. Das Verbringen selbst muss zwar noch gemeldet werden, aber nunmehr über eine Art One-Stop-Shop-Verfahren in einem einzigen Mitgliedstaat.

Stand: 20. Januar 2023