Update: Vorsteuerabzug der Führungsholding: Generalanwalt beantragt „Zwischenschalt-Modell“ zu kippen - Schlussantrag C-98/21

Am 23. September 2020 (XI R 22/18) hatte der Bundesfinanzhof beschlossen, dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zum Vorsteuerabzug einer Führungsholding vorzulegen (dort anhängig unter C-98/21).Es ging um ein „Zwischenschalt-Modell“, bei dem eine nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigte Gesellschaft beim Leistungseinkauf eine Führungsholding zwischenschaltete, welche dann aus diesen Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug geltend machte. Der Generalanwalt beim EuGH beantragt nun, den Vorsteuerabzug in solchen Fällen nicht zuzulassen.

Klägerin erbringt Gesellschafterbeiträge anstatt Leistungen weiter zu belasten

Die Klägerin hielt Beteiligungen an zwei Gesellschaften, die Wohnbauprojekte durchführten und die Wohneinheiten überwiegend steuerfrei verkauften. Daher stand ihnen aus zu diesem Zweck bezogenen Eingangsleistungen kein Vorsteuerabzug zu. Die Klägerin erbrachte steuerbare und steuerpflichtige Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen an die Tochtergesellschaften. Eingangsleistungen, die die Gesellschaften benötigten, kaufte die Holding ein und beanspruchte den Vorsteuerabzug. Diese Dienstleistungen belastete sie den Gesellschaften nicht als Leistungen weiter, sondern erbrachte insoweit (nicht steuerbare) Gesellschafterbeiträge. Dadurch entstand für die Gesellschaften keine nicht abziehbare Vorsteuer. Näheres zu den Vorlagefragen des BFH finden Sie hier.

Kein Zusammenhang zwischen Eingangsleistungen und besteuerten Umsätzen der Holding

Der Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Holding bezogenen Eingangsleistungen nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit ihren steuerbaren Dienstleistungen an die Beteiligten stehen. Er bezieht sich dabei auf das vom EuGH entwickelte Konzept des ausschließlichen Entstehungsgrundes: Dies sei der nicht steuerbare Gesellschafterbeitrag gewesen, der wiederum seinem Wesen nach der Erzielung von Dividenden und damit einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit diene.

Der Generalanwalt setzt sich auch mit der Rechtsprechung des EuGH auseinander, nach der Kosten für den Erwerb einer Beteiligung zu den allgemeinen Kosten der Holding gehören und als solche zum Vorsteuerabzug berechtigen können. Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall aber nicht übertragbar, da die Eingangsleistungen nicht dem Erwerb der Beteiligungen, sondern dem Gesellschafterbeitrag gedient haben. Übertragbar seien jedoch u.a. die Erwägungen des EuGH in der Rechtssache Sonaecom (12. November 2020, C-42/19), nach denen sich der Vorsteuerabzug danach richtet, in welche Ausgangsleistungen die Eingangsleistungen tatsächlich eingehen. Dies seien hier die steuerfreien Immobilienumsätze der Beteiligungen gewesen. Auch aus dem Urteil in der Rechtssache Vos Aannemingen (1. Oktober 2020, C-405/19) ergebe sich, dass der direkte und unmittelbare Zusammenhang mit eigenen Ausgangsumsätzen unterbrochen werde, wenn die Eingangsumsätze direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen eines Dritten zusammenhängen.

Insgesamt bestehe damit bereits bei Anwendung der entsprechenden Vorschriften der MwStSystRL kein Recht auf Vorsteuerabzug für die Holding.

Vorsteuerabzug wäre außerdem missbräuchlich

Der BFH hatte in seiner Vorlage zudem gefragt, ob – sollte der Vorsteuerabzug grundsätzlich zu gewähren sein – die Geltendmachung missbräuchlich sei. Obwohl der Generalanawalt den Vorsteuerabzug bereits nach den Vorschriften der MwStSystRL verneint, setzt er sich mit der Frage des Missbrauchs auseinander: Rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen, die allein dem Zweck eines Steuervorteils dienen, seien verboten. Objektive Voraussetzung eines Missbrauchs sei demnach, dass der erstrebte Steuervorteil (hier: der Vorsteuerabzug) den Zielen (hier: jenen der MwStSystRL mit dem System des Vorsteuerabzugs) zuwiderlaufen würde. Dies bejahte der Generalanwalt und bezog sich dabei darauf, dass die Gesellschaften keinen Vorsteuerabzug gehabt hätten, wenn

  • die Holding keinen Gesellschafterbeitrag erbracht, sondern die Dienstleistungen regulär als solche weiterbelastet hätte
  • die Gesellschaften die benötigten Leistungen von vornherein selbst bezogen hätten
  • die Holding den Gesellschafterbeitrag nicht durch die Einlage von Dienstleistungen, sondern in Geld erbracht hätte, und die Gesellschaften mit diesem Geld die von ihr selbst bezogenen Dienstleistungen bezahlt hätten.

Auf der subjektiven Seite erfordere ein Missbrauch, dass der Steuerpflichtige diesen Steuervorteil mit seiner Gestaltung bezwecke. Der Generalanwalt betont, dass der Steuervorteil nicht der einzige Zweck sein müsse, d.h. es spreche nicht grundsätzlich gegen einen Missbrauch, wenn der Steuerpflichtige auch außersteuerliche Beweggründe für seine Gestaltung hat. Missbräuchlich sei eine Gestaltung dann, wenn die steuerlichen Gründe überwiegen. Es sei allerdings Sache des BFH als vorlegendem Gericht, die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Hierzu würde es aber nur dann kommen, wenn man den Vorsteuerabzug in der ersten Stufe bejaht.

Zwischenschaltmodell gerät mehr und mehr ins Wanken

Bei nicht oder nicht voll zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen erschien das Zwischenschaltmodell bislang ein Ausweg aus dem fehlenden Vorsteuerabzug zu sein. Wie auch der Generalanwalt herausgearbeitet hat, war dabei die nicht steuerbare Einlage von Leistungen der einzig gangbare Weg. Denn wenn die Holding eingekaufte Leistungen einfach weiterbelastet, entsteht genauso nicht abziehbare Vorsteuer, wie bei eigenem Leistungsbezug durch die nicht abzugsberechtige Gesellschaft.

Der BFH hatte in seiner Vorlage ebenfalls vertreten, dass ein auf diese Weise erlangter Vorsteuerabzug systemwidrig sei – was aus unserer Sicht zutreffend ist. Wir erwarten, dass sich der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts anschließen und der BFH in der Folge ebenfalls den Vorsteuerabzug versagen wird. Holdings in vergleichbaren Situationen müssen sich daher darauf einstellen, dass ihnen der Vorsteuerabzug versagt wird.

Der BFH hatte zudem in einem anderen Fall im Hinblick auf die hier besprochene Vorlage Aussetzung der Vollziehung gewährt (Beschluss vom 30. März 2021, veröffentlicht am 5. August 2021, V B 63/20). Der Sachverhalt war dort etwas anders gelagert, da die von der Holding bezogenen Eingangsleistungen, für die der Vorsteuerabzug gewährt wurde, der Geltendmachung von Schadensersatz für einen Wertverlust der Beteiligung diente. Dennoch könnte aus unserer Sicht die Argumentation des Generalanwalts auf diesen Fall übertragen werden, da auch hier die bezogenen Eingangsleistungen ihren ausschließlichen Entstehungsgrund nicht in besteuerten Umsätzen haben. Wenn der EuGH im Sinne des Generalanwalts entscheidet, bleibt abzuwarten, ob der BFH diese Grundsätze auch in dem ausgesetzten Verfahren anwendet.

(Stand: 25.04.2022)