Finanzverwaltung erleichtert Billigkeitsmaßnahmen wegen des Ukrainekriegs: BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2022

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) berücksichtigt, dass Unternehmen vor allem durch die steigenden Energiekosten infolge des Kriegs in der Ukraine stark belastet sind und dadurch auch die Entrichtung von Steuern erschwert sein kann. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2022 weist das BMF daher die Finanzbehörden an, den Ermessensspielraum für Billigkeitsmaßnahmen „verantwortungsvoll auszuschöpfen“.

Eine Billigkeitsmaßnahme kommt dann in Betracht, wenn eine Steuer zwar grundsätzlich nach dem Gesetz entstanden und fällig ist, aber besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer es „unbillig“ wäre, den Steuerpflichtigen überhaupt oder zu diesem Zeitpunkt damit zu belasten. Im Bereich Umsatzsteuer ist vor allem an die Stundung und den Vollstreckungsaufschub zu denken. 

Die Finanzbehörden können nach § 222 AO Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder teilweise stunden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Die Stundung soll in der Regel nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden.

Soweit im Einzelfall die Vollstreckung unbillig ist, kann die Vollstreckungsbehörde diese gemäß § 258 AO einstweilen einstellen oder beschränken oder eine Vollstreckungsmaßnahme aufheben.

Notwendige Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist.

Das sind sehr vage Begriffe; die Auslegung durch die Finanzämter ist nicht vorhersehbar. Wichtig ist auch, dass es sich hierbei zwar um eine notwendige Voraussetzung für eine Billigkeitsmaßnahme handelt, die nicht unerhebliche negative wirtschaftliche Betroffenheit aber für sich genommen eine Billigkeitsmaßnahme nicht automatisch begründet. Anträge sollten dementsprechend sehr sorgfältig formuliert werden; neben den Ausführungen zu den erlittenen finanziellen Nachteilen sollte in jedem Fall dazu Stellung genommen werden, warum und inwieweit diese für das Unternehmen bedrohlich sind und warum sie die Entrichtung der Steuer erschweren oder unmöglich machen.

Auf Stundungszinsen kann im Einzelfall verzichtet werden, wenn der Steuerpflichtige seinen steuerlichen Pflichten, insbesondere seinen Zahlungspflichten, bisher pünktlich nachgekommen ist und er in der Vergangenheit nicht wiederholt Stundungen und Vollstreckungsaufschübe in Anspruch genommen hat, wobei Billigkeitsmaßnahmen aufgrund der Corona-Krise nicht zulasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. In diesen Fällen kommt ein Verzicht auf Stundungszinsen in der Regel in Betracht, wenn die Billigkeitsmaßnahme für einen Zeitraum von nicht mehr als drei Monaten gewährt wird.

Nach dem BMF-Schreiben sollen die Finanzämter bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für bis zum 31. März 2023 eingehende Anträge keine strengen Anforderungen stellen und „zeitnah“ entscheiden. Inwieweit dies gelingt, bleibt abzuwarten. Die Erfahrungen mit den Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Krise haben gezeigt, dass es große Unterschiede in der Bearbeitungsdauer und auch in der Großzügigkeit der Finanzämter gibt. Das sollte aber niemanden davon abhalten, einen Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen zu stellen. Wird er abgelehnt, ist dies ein Verwaltungsakt, gegen den auch geklagt werden kann.

25. Oktober 2022