Einschneidende Änderungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von Tankkarten - Entwurf BMF-Schreiben

Das BMF reagiert mit einem Schreiben auf die EuGH-Rechtsprechung und legt den Branchenverbänden den Entwurf eines BMF-Schreibens zum Thema Tankkarten zur Stellungnahme vor. Die bisher praktizierte regelhafte Behandlung von Tankkartenumsätzen als Reihen-Liefergeschäfte wird dabei zum Ausnahmefall erklärt. Tankkartenemittenten sollen schon zum 1. Januar 2022 auf steuerfreie Finanzierungsdienstleistungen umstellen.

Bisher: Tankkartenemittenten leben mit dem Finanzamt in Frieden, wenn sie sich an einige Bedingungen halten

Wenn ein Unternehmen eine große Fahrzeugflotte unterhält, sind die Verbuchung und der Vorsteuerabzug aus den unzähligen Tankrechnungen mühsam. Vielen sind daher die Dienste von Tankkartenemittenten hochwillkommen: Man bekommt in der Regel monatlich nur eine einzige Rechnung über den getankten Kraftstoff der gesamten Flotte. Damit dies funktioniert, muss umsatzsteuerlich von einem Reihen-Liefergeschäft ausgegangen werden, bei dem die Tankstelle/das Mineralölunternehmen den Kraftstoff zunächst an den Kartenemittenten liefert, welcher dann wiederum eine Lieferung an den Kunden ausführt.

Diese praktische Handhabung wurde bereits im Jahr im Jahr 2003 durch die Vorabentscheidung des EuGHs in der Rechtssache „Auto Lease Holland“ (C-185/01, 6. Februar 2003) und die Nachfolgeentscheidung des BGH (V R 26/00, 10. April 2003) gestört. In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Leasinggesellschaft an den Leasingnehmer eine Tankkarte ausgegeben, die dem Leasingnehmer die Möglichkeit gab, im Namen und für Rechnung des Leasinggebers zu tanken. Der EuGH und dem folgend der BGH gingen hier davon aus, dass die Tankstelle/das Mineralölunternehmen den Kraftstoff direkt an den Leasingnehmer liefere. Der Leasinggeber führe an den Leasingnehmer keine Kraftstofflieferung, sondern eine Finanzierungsdienstleistung aus.

Das BMF konnte diese Rechtsprechung zwar nicht ignorieren, schränkte den Anwendungsbereich aber mit Schreiben vom 15. Juni 2004 stark ein. Demnach blieb das Reihen-Liefergeschäft die Regel. Eine Finanzierungsleistung des Kartenemittenten sollte nur im Ausnahmefall vorliegen, dessen vom BMF definierte Bedingungen die Branche sodann sorgfältig vermied.

BMF plant, das Reihen-Liefergeschäft zur Ausnahme zu machen und die Bedingungen zu verschärfen

Im Jahr 2019 bestätigte der EuGH seine Rechtsprechung im Fall „Vega International“ (C-235/18, 15. Mai 2019). Dies veranlasst das BMF nun offenbar dazu, den Kurs zu ändern und das Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren. Bezugnehmend auf die EuGH-Rechtsprechung geht das BMF davon aus, dass der Tankkartenemittent im Regelfall nicht wie ein Eigentümer über den Kraftstoff verfügen könne, weil allein der Kunde nach eigenem Ermessen tanke und dabei frei über unter anderem Qualität, Menge und Art des Kraftstoffes sowie Ort und Zeit der Lieferung entscheide. Deshalb liege keine Lieferung von Kraftstoff an den Kartenemittenten vor. In der Regel erbringe der Kartenemittent daher eine Finanzierungsleistung an den Kunden, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfrei sei.

Das Reihen-Liefergeschäft sei die Ausnahme und liege nur dann vor, wenn bestimmte Bedingungen kumulativ erfüllt seien. Diese ähneln den Bedingungen aus dem BMF-Schreiben vom 15. Juni 2004, werden aber noch wie folgt verschärft:

  • Eine Vereinbarung über die Lieferung von Kraftstoff zwischen Kartenemittent und Kunde ist zwingend erforderlich; dass keine Verwaltung von Kraftstoff oder eine Kreditgewährung vereinbart wurde, reicht nicht mehr aus. 
  • Der Tankkartenemittent muss den Gegenstand der Lieferung in der Absicht erwerben, diesen an den Tankkartennutzer weiterzuliefern. Der Tankkartenemittent muss dabei über Qualität und Menge und den Ort und den Zeitpunkt der Lieferung frei entscheiden können. Nicht ausreichend ist, wenn eine etwaige Autorisierung durch den Tankkartenemittenten automatisiert nur auf die Einhaltung bestehender Rahmenbedingungen/Restriktionen beschränkt ist (z. B. Prüfung des Verfügungslimits der jeweiligen Karte). Diese Voraussetzung dürfte in der Praxis schwer umsetzbar sein.
  • Dass der Kunde im Namen und für Rechnung des Kartenemittenten tankt, galt bislang dadurch als ausreichend dokumentiert, dass der Kunde die Tankkarte des Emittenten einsetzt. Dies reicht in Zukunft nicht mehr. Wie der Kunde dies dem Tankstellenbetreiber stattdessen kenntlich machen soll, ist unklar.
  • Die Lieferung des Kraftstoffs darf keine unselbstständige Nebenleistung sein, z. B. zu einer Leasingleistung.

Handlungsbedarf

Der Entwurf des BMF-Schreibens sieht nur eine sehr kurze Übergangsfrist vor. Die neuen Grundsätze sollen auf alle offenen Fälle angewendet werden – nur bis Ende 2021 wird es nicht beanstandet, wenn die bisherige Handhabung beibehalten wird. Tankkartenemittenten sollten so schnell wie möglich prüfen, ob durch eine Umstellung der Verträge die verschärften Bedingungen für ein Reihen-Liefergeschäft erfüllt werden können. Gelingt dies nicht, muss auf ein steuerfreies Finanzierungsgeschäft umgestellt werden – auch und vor allem bei der Rechnungsstellung. Tankkartenemittenten dürfen aus den Tankquittungen keinen Vorsteuerabzug mehr geltend machen.

Die steuerfreien Ausgangsleistungen haben Auswirkungen auf die Vorsteuerquote des Tankkartenemittenten. Werden neben dem Tankkartengeschäft keine steuerpflichtigen Umsätze erbracht, ist der Vorsteuerabzug komplett ausgeschlossen.

Kunden, die von Tankkartenemittenten ab 2022 Rechnungen über Kraftstoff mit Umsatzsteuer erhalten, müssen ihrerseits die Einhaltung der Bedingungen des BMF sorgfältig prüfen. Sind sie nicht erfüllt, besteht kein Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen – sie sollten reklamiert werden. Da die Kunden dann selbst Empfänger der Kraftstofflieferungen der Tankstellen/der Mineralölunternehmer sind, müssen die einzelnen Tankquittungen für den Vorsteuerabzug herangezogen werden – auch hinsichtlich des richtigen Besteuerungszeitraums.

(Stand: 05.11.2021)