Regierungsentwurf JStG 2022: Nullsteuersatz auf Solarmodule für Photovoltaikanlagen

Die Bundesregierung hat am 14. September 2022 einen Entwurf für ein Jahressteuergesetz (JStG 2022) vorgelegt, das gegenüber dem Referentenentwurf vom 28. Juli 2022 eine entscheidende Erweiterung enthält: Auf Solarmodule für Photovoltaikanlagen soll ab dem
1. Januar 2023 ein Nullsteuersatz angewendet werden.

Die EU hatte mit ihrer Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) in Bezug auf die Steuersätze (unseren Webbeitrag dazu finden Sie hier) den Weg für mehr Klimaschutz im Bereich der Umsatzsteuer bereits geebnet. Die Liste der Gegenstände und Dienstleistungen, die ermäßigt besteuert werden dürfen, wurde z. B. um Heizanlagen erweitert, die bestimmte Umweltauflagen erfüllen, und auch Fahrräder als umweltfreundliche Form der Mobilität wurden begünstigt. Als Erstes nutzt die Bundesregierung nun den neuen Spielraum für Solarmodule für Photovoltaikanlagen aus, für die lt. § 12 Abs. 3 UStG-E ein Nullsteuersatz gelten soll. Dieser betrifft die Lieferung an Betreiber von Photovoltaikanlagen, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Einfuhr und auch die Installation solcher Module. Der Nullsteuersatz gilt auch für die zum Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und für die Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern.

Voraussetzung ist, dass die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Unterscheidung zwischen Privatwohnungen und Wohnungen irritiert etwas – möglicherweise soll hiermit klargestellt werden, dass auch gewerblich vermietete Wohnungen umfasst sind. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müssen die Lieferanten der Module grundsätzlich prüfen. Um diesen Prüfungsaufwand gering zu halten, gelten die Voraussetzungen als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird.

Ziel dieser Neuregelung ist, die Betreiber solcher Photovoltaikanlagen von bürokratischem Aufwand zu entlasten: Die (oft privaten) Betreiber werden durch die Einspeisung von erzeugtem Strom in das öffentliche Netz zum Unternehmer. Aufgrund der niedrigen Umsätze könnten sie zwar auch nach aktuellem Recht in der Regel von der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG Gebrauch machen. Da sie dann aber auch aus dem Erwerb der Anlage keinen Vorsteuerabzug gelten machen könnten, wurde auf die Kleinunternehmerregelung häufig verzichtet. Hier will die Neuregelung Abhilfe schaffen: Wenn der Erwerb ohnehin nicht mit Vorsteuer belastet ist, spricht nichts mehr gegen die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.

Ein Novum im Umsatzsteuergesetz ist der Begriff „Nullsteuersatz“. Rechtstechnisch handelt es sich um eine Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug – so ist das System des UStG bisher auch ausgestaltet: Bei steuerfreien Umsätzen besteht grundsätzlich kein Recht zum Vorsteuerabzug. Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug wird aber durch Ausnahmen wieder zurückgenommen. So sind zum Beispiel innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei, der Ausschluss vom Vorsteuerabzug gilt aber nicht. Die Neuregelung wendet hier erstmals eine in manchen EU-Mitgliedstaaten gebräuchliche Technik an: Der Umsatz mit den Solarmodulen ist nicht steuerfrei, sondern unterliegt einem Steuersatz von null. Damit tritt der Ausschluss vom Vorsteuerabzug von vornherein nicht ein. Was die Bundesregierung zu dieser Abweichung bewogen hat, ist unklar.

Herausforderungen für Unternehmer im Bereich Photovoltaik entstehen, wenn die Voraussetzung der Vermutung (Bruttoleistung der Anlage beträgt nicht mehr als 30 kW) nicht erfüllt ist. Der Nullsteuersatz ist damit nicht ausgeschlossen, es muss dann aber geprüft werden, ob die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Formulierung „auf oder in der Nähe von Privatwohnungen und Wohnungen“ ist unscharf und lässt offen, ob neben dem Verkauf von Solarmodulen an Nichtunternehmer auch andere Geschäftsmodelle umfasst sind. Es sind Gestaltungen denkbar, bei denen die Photovoltaikanlage zwar auf oder in der Nähe einer (Privat-)Wohnung errichtet wird, der Betreiber der Anlage aber ein Unternehmer ist. Da bei Unternehmern das Bürokratieproblem nicht in derselben Weise relevant ist, wie bei Privatpersonen, stellt sich die Frage, ob hier für den Nullsteuersatz überhaupt ein Bedürfnis besteht. Der Wortlaut der avisierten Neuregelung schließt solche Gestaltung aber nicht vom Nullsteuersatz aus. Darüber hinaus kann bei komplexen Geschäftsmodellen möglicherweise nicht immer zweifelsfrei bestimmt werden, wer überhaupt der Betreiber der Photovoltaikanlage ist.

Atypische Gestaltungen bedürfen auf jeden Fall einer sorgfältigen umsatzsteuerrechtlichen Prüfung – falls der Gesetzgeber nicht ohnehin noch nachbessert. Wird zu Unrecht Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, kann dem Betreiber der Anlage der Vorsteuerabzug versagt werden.