Vorfinanzierung der Umsatzsteuer bei Ratenzahlung - EuGH-Urteil "X-Beteiligungsgesellschaft mbH" (C-324/20)

Vereinbaren die Parteien bei einer einmaligen Dienstleistung, die keine Dauerleistung ist, Ratenzahlung, so muss der Leistende die Umsatzsteuer komplett bei Ausführung der Dienstleistung entrichten und sie so vorfinanzieren. Er kann sich auch nicht auf eine Minderung der Bemessungsgrundlage berufen. Dies entschied der EuGH am 28. Oktober 2021 (C-324/20) auf Vorlage des Bundesfinanzhofs.

Sachverhalt: Ratenzahlungsvereinbarung

Der Kläger hatte seinem Kunden den Verkauf eines Grundstücks vermittelt. Das Vermittlungshonorar sollte in fünf jährlichen Raten bezahlt werden. Der Kläger meldete und bezahlte dementsprechend die Umsatzsteuer ebenfalls in fünf jährlichen Teilbeträgen. Das Finanzamt setzte nach einer Steuerprüfung jedoch abweichend davon den vollen Umsatzsteuerbetrag für den Besteuerungszeitraum der Vermittlungsleistung fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, das Finanzgericht gab jedoch dem Kläger recht. Auf die Revision des Finanzamtes legte der Bundesfinanzhof den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Keine ratierliche Umsatzbesteuerung

Der BFH wollte wissen, ob der vorliegende Sachverhalt unter Artikel 64 MwStSystRL falle. Nach dieser Vorschrift gelten Dienstleistungen, die zu aufeinanderfolgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, jeweils mit Ablauf des Zeitraums als bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen.

Der EuGH verneint dies jedoch. Dem Wortlaut und dem Zweck von Artikel 64 MwStSystRL lasse sich entnehmen, dass die Vorschrift nur Leistungen erfasse, die nicht einmalig, sondern wiederholt und kontinuierlich erbracht werden. Die hier zu beurteilende Vermittlungsleistung sei aber mit dem Vermittlungserfolg abgeschlossen und damit einmalig gewesen. Auch das Argument, der Steuerpflichtige sei nur Steuereinnehmer des Staates und es könne ihm daher nicht zugemutet werden, bei einer Ratenzahlung eine Steuer vorzufinanzieren, greife nicht durch.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „baumgarten sports & more“, C-548/17. Dort ging es um die Vermittlung eines Spielers an einen Fußballverein, die ratierlich vergütet wurde, abhängig davon, wie lange der betreffende Spieler in dem Verein blieb. Hier habe es sich gerade nicht um eine einmalige Leistung gehandelt.

Keine geminderte Bemessungsgrundlage

Für den Fall, dass Artikel 64 MwStSystRL nicht einschlägig sei, wollte der BFH wissen, ob man von einer geminderten Bemessungsgrundlage nach Artikel 90 MwStSystRL ausgehen könne (entspricht in etwa § 17 UStG). Durch diesen Rückgriff könne die vom BFH als problematisch angesehene Vorfinanzierung der Umsatzsteuer verhindert werden.

Auch diesem Ansatz folgte der EuGH nicht. Die Bemessungsgrundlage könne nur gemindert sein, wenn der Leistungsempfänger die geschuldete Gegenleistung nicht erbringe. Bei einer Ratenzahlungsvereinbarung handele es sich aber nur um eine einvernehmlich hinausgeschobene Fälligkeit, also eine Zahlungsmodalität, die die Bemessungsgrundlage nicht berühre.

Auswirkungen in Deutschland

Die Entscheidung des EuGHs entspricht der Gesetzeslage in Deutschland: Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) UStG entsteht die Steuer nur dann ratierlich, wenn Teilleistungen vorliegen. Dies ist der Fall, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Nach dieser Definition liegt im vorliegenden Fall keine Teilleistung vor, weil der Vermittlungserfolg einmalig eintritt. Das Störgefühl des BFH hinsichtlich der Vorfinanzierung konnte den EuGH nicht beeindrucken. Der Vergleich mit der Rechtssache „baumgarten sports & more“ zeigt aber, dass man sich jeden Sachverhalt sehr genau anschauen muss. Auf den ersten Blick liegen beiden Entscheidungen Vermittlungsleistungen zugrunde; es kann aber Fälle geben, in denen der Vermittlungserfolg eine Dauerwirkung hat. Es lohnt sich daher, auch andere Leistungen auf eine derartige Dauerwirkung zu prüfen und ggf. gegenüber dem Finanzamt entsprechend zu argumentieren.

Das EuGH-Urteil „baumgarten sports & more“ hat der BFH in seiner Nachfolgeentscheidung umgesetzt (V R 8/19, 26. Juni 2019). Er hat aber auch in einem etwas anders gelagerten Sachverhalt den Steuerpflichtigen (V R 31/12, 24. Oktober 2013) mit § 17 UStG von der Vorfinanzierung der Umsatzsteuer entlastet: Wenn der Leistende das Entgelt aufgrund eines Gewährleistungseinbehalts teilweise über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht durchsetzen kann, sei das Entgelt insoweit vorübergehend uneinbringlich. Zwar weist dieser Sachverhalt einen Unterschied zu der EuGH-Entscheidung C-324/20 auf, weil im Fall des Gewährleistungseinbehalts nicht nur die Fälligkeit hinausgeschoben ist, sondern sogar das „Ob“ der Zahlung infrage steht. Ob dieser Unterschied es rechtfertigt, für die Gewährleistungseinbehalte trotz der aktuellen EuGH-Rechtsprechung weiterhin von vorübergehender Uneinbringlichkeit auszugehen, ist fraglich. 

(Stand: 18.11.2021)