Aufwendungen müssen für den Vorsteuerabzug nicht nützlich oder rentabel sein - EuGH-Urteil "Amper Metal Kft." (C-334/20)

Für den Vorsteuerabzug müssen die bezogenen Eingangsleistungen mit einem zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz, oder als allgemeine Aufwendungen mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit in einem direkten unmittelbaren Zusammenhang stehen. Ungarische Behörden wollten den Vorsteuerabzug versagen, weil die Aufwendungen nutzlos und überteuert waren. Dem erteilt der EuGH (C-334/20, 25. November 2021) grundsätzlich eine Absage – es scheint aber eine gewisse Grenze zu geben.

Sachverhalt: Teure und nutzlose Werbeaufkleber auf Autos

Die ungarische Gesellschaft Amper Metal hatte Werbeleistungen eingekauft, die darin bestanden, dass bei einem Autorennen Aufkleber mit dem Firmenlogo auf den Autos angebracht wurden. Die ungarische Steuerbehörde versagte den Vorsteuerabzug aus zwei Gründen: Zum einen sei die Werbemaßname von vornherein ungeeignet und nutzlos gewesen, weil die Aufkleber auf den Rennautos für die relevante Zielgruppe nicht interessant waren, sodass sie zu keiner Umsatzsteigerung geführt haben. Zum anderen sei die Werbeleistung zu teuer gewesen.

Artikel 168 S. 1 lit. a MwStSystRL regelt, dass ein Unternehmer Vorsteuer abziehen kann, soweit die eingekauften Leistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Das ungarische Gericht hat den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens daher sinngemäß gefragt, ob der Ausdruck „verwendet werden“ so auszulegen sei, dass eine Aufwendung, die keinen Ausgangsumsatz zu generieren vermochte, nicht als für einen besteuerten Umsatz verwendet angesehen werden könne. Das Gericht wollte außerdem wissen, ob der Vorsteuerabzug verweigert werden könne, weil der Preis für die Werbeleistung überhöht war.

EuGH: Preis und Nutzen allein spielen keine Rolle

Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten gewährleiste – unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis. Dabei müsse aber der Eingangsumsatz (hier also die Werbeleistung) selbst der Mehrwertsteuer unterliegen. Zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger müsse ein Rechtsverhältnis bestehen, bei dem die Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die erbrachte Leistung abbilde. Es reiche aus, wenn insoweit ein tatsächlicher Zusammenhang bestehe. Dass der Preis über oder unter dem Selbstkostenpreis oder dem Marktpreis liegt, sei dafür unerheblich. Dies ergebe sich auch aus Art. 73 MwStSystRL, demnach nach Auslegung des EuGH die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage von dem tatsächlich gezahlten Preis abhänge und nichts mit einem objektiven Wert wie dem Marktwert zu tun habe. Etwas anderes gelte nur bei engen Bindungen zwischen Leistendem und Empfänger – hier greift eine Mindestbemessungsgrundlage.

Was die Nutzlosigkeit der Werbemaßnahme betrifft, verweist der EuGH auf seine bekannte Rechtsprechung zu frustrierten Aufwendungen, nach der das einmal entstandene Recht auf Vorsteuerabzug bestehen bleibt, selbst wenn die beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit später nicht ausgeübt wird. So hatte der EuGH zuletzt in der Rechtssache Sonaecom (C-42/19) entschieden: Dort blieb der Vorsteuerabzug aus Markterkundungsleistungen einen Anteilserwerb betreffend erhalten, auch wenn der Anteilserwerb später nicht stattfand.

Aufwendung muss streng geschäftlichen Charakter haben

Zu beachten sei allerdings Art. 176 Abs. 1 MwStSystRL, demnach Ausgaben vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen. In Deutschland entspricht dies in etwa § 15 Abs. 1a UStG, demnach Vorsteuern auf Aufwendungen, für die bestimmte einkommensteuerliche Abzugsverbote gelten, nicht geltend gemacht werden können. Der EuGH gab dem vorlegenden Gericht auf zu prüfen, ob Amper Metal mit den Aufklebern das Ziel der Absatzsteigerung verfolgt habe, oder ob sich die Ausgaben als bar jeden geschäftlichen Charakters und ohne Verbindung mit der wirtschaftlichen Tätigkeit erweisen. Sollte letzteres der Fall sein, wäre der Vorsteuerabzug zu versagen.

Fazit: Rentabilitätsnachweis nicht erforderlich, aber es gibt Grenzen

Es ist beruhigend (und war auch zu erwarten), dass der EuGH für den Vorsteuerabzug keine zusätzlichen Anforderungen an die Nützlichkeit und Rentabilität von Aufwendungen stellt. Unabhängig davon, dass sich solche Anforderungen aus der MwStSystRL schwer ableiten lassen, wären sie in der Praxis auch kaum handhabbar. Andererseits erteilt der EuGH auch keinen Freibrief für „Spaß-Ausgaben“. Da diese allerdings auch ertragsteuerlich in der Regel nicht abziehbar sein dürften und ggf. bei Körperschaften sogar den Vorwurf der Untreue begründen könnten, sollten sie in der Praxis ohnehin der absolute Ausnahmefall sein.

(Stand: 04.01.2022)