Leistungsaustausch zwischen Hauptniederlassung und Betriebsstätte - EuGH-Urteil "Danske Bank" (C-812/19)

Schon in seinem Urteil in der Rechtssache „Skandia America“ hatte der EuGH postuliert, dass in Organschaftsfällen ein steuerbarerer Leistungsaustausch zwischen Hauptniederlassung und Betriebsstätte möglich sei – was dem deutschen Verständnis widerspricht. Der EuGH hat in der Rechtssache „Danske Bank“ (C-812/19) diese Auffassung bekräftigt.

EuGH: Die Mehrwertsteuergruppe ist der Unternehmer

Das Stammhaus der Danske Bank gehörte zu einer Mehrwertsteuergruppe (nach deutscher Lesart: Organkreis) in Dänemark. Das Stammhaus stellte einer schwedischen Betriebsstätte Kosten für die Nutzung einer IT-Plattform in Rechnung. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, hierbei handele es sich um einen umsatzsteuerbaren Vorgang, der in Schweden dem Reverse-Charge-Verfahren unterliege.

Der EuGH geht davon aus, dass die Mehrwertsteuergruppe selbst zum Steuerpflichtigen wird. Da eine Mehrwertsteuergruppe auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränkt sei, könne die schwedische Betriebsstätte nicht Mitglied der Mehrwertsteuergruppe sein und sei daher als ein von dieser Mehrwertsteuergruppe verschiedener, selbstständiger Steuerpflichtiger zu betrachten. Damit sei insoweit ein Leistungsaustausch möglich.

Deutsche Finanzverwaltung: Der Organträger ist der Unternehmer

Diese Herangehensweise widerspricht grundlegend dem in Deutschland vorherrschenden und von der Finanzverwaltung in Abschn. 2.9 Abs. 2 S. 2 UStAE niedergelegten Verständnis. Demnach ist im Falle einer Organschaft nicht etwa der Organkreis der Steuerpflichtige, sondern der Organträger. Die Organgesellschaften gehen als unselbständige Unternehmensteile im Organträger auf. Damit gehören auch ausländische Betriebsstätten des Organträgers zu seinem Unternehmen, weil es sich bei der Betriebsstätte gegenüber dem Organträger nicht um eine eigenständige Rechtspersönlichkeit handelt. Somit liegt aus deutscher Sicht kein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch vor. 

Empfehlung: Günstigerprüfung vornehmen, auf Gesetzesänderung vorbereiten

Unternehmer sollten Organschaftskonstruktionen sorgfältig prüfen und bei Vorliegen von dem EuGH-Urteil vergleichbaren Sachverhalten entscheiden, welche rechtliche Herangehensweise für sie vorteilhafter ist. Bedeutsam ist dies vor allem bei Beteiligung von Gesellschaften ohne vollen Vorsteuerabzug. Solange der UStAE nicht entsprechend geändert wird, besteht insoweit Vertrauensschutz. Es ist aber auch möglich, sich direkt auf die EuGH-Rechtsprechung zu berufen, wenn sie im Einzelfall günstiger ist. Betroffene Unternehmen haben bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stets auch die umsatzsteuerliche Behandlung, insbesondere auch den Umgang mit den EuGH-Urteilen „Skandia America“ und „Danske Bank“, im Ausland zu prüfen. Hingewiesen sei auch darauf, dass der BFH die Frage, ob der Organträger oder der Organkreis der Steuerpflichtige sei, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Es ist möglich, dass die Entscheidung des EuGHs schon bald zu einer entsprechenden Änderung von § 2 UStG zwingt. Darüber hinaus gibt es nach wie vor interessante Bestrebungen, die Organschaft insgesamt in eine Antragsorganschaft umzuformen.

Stand: 05. Mai 2021