Doch alles wie gehabt bei der Dienstwagenbesteuerung? BFH-Urteil V R 25/21 vom 30. Juni 2022

Auf Vorlage des Finanzgerichts des Saarlandes hatte der EuGH (Urteil vom 20. Januar 2021, C-288/19) der Umsatzbesteuerung der Pkw-Überlassung zur privaten Nutzung an Arbeitnehmer nach deutschem Muster (scheinbar?) eine Absage erteilt, wenn der Unternehmer für die Privatnutzung nicht zahlen muss. Das Finanzgericht entschied sodann entsprechend. Im Revisionsverfahren kommt der BFH allerdings mit seinem am 29. September 2022 veröffentlichtem Urteil zu dem Schluss: Dem EuGH-Urteil lassen sich die vom Finanzgericht gezogenen rechtlichen Schlüsse nicht entnehmen, weil danach gar nicht gefragt wurde.

Bisherige Methode der Dienstwagenbesteuerung in Deutschland

Darf ein Arbeitnehmer ein Firmenfahrzeug auch privat nutzen, ohne dafür bezahlen zu müssen, geht die Finanzverwaltung bislang davon aus, dass keine unentgeltliche Wertabgabe, sondern ein Tauschgeschäft vorliegt: Der Arbeitnehmer erbringe seine Arbeitsleistung teilweise für den Barlohn und teilweise für die Pkw-Nutzung. Das Entgelt für die Pkw-Überlassung durch den Arbeitgeber ist also die anteilige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers (vgl. Abschn. 15.23 Abs. 8 ff. UStAE).

Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG (entspricht Art. 56 Abs. 2 Satz 1 MwStSystRL) für die langfristige Vermietung von Beförderungsmitteln an Nichtunternehmer, er ist also der Wohnsitz des Arbeitnehmers. Die Bemessungsgrundlage für die Pkw-Überlassung wird aus Vereinfachungsgründen meist mit der 1 %-Regel ermittelt. Der Vorsteuerabzug aus den Pkw-Kosten ist für den Arbeitgeber zulässig, weil der Pkw (auch durch die Überlassung zur privaten Nutzung) unternehmerisch genutzt wird.

Die EuGH-Entscheidung C-288/19 vom 20. Januar 2021

Es ging um einen in Deutschland wohnhaften Arbeitnehmer, dem von seinem luxemburgischen Arbeitgeber ein Dienstwagen auch zur Privatnutzung überlassen wurde. Es war zwar ursprünglich vereinbart gewesen, dass der Arbeitnehmer eine Eigenbeteiligung von 2.640 Euro zu leisten habe, aufgrund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses kam es dazu aber nicht.

Das FG des Saarlandes hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob eine Vermietung eines Beförderungsmittels an Nichtsteuerpflichtige vorliege, wenn der Arbeitnehmer „[…] dafür kein Entgelt leistet, das nicht in seiner (teilweisen) Arbeitsleistung besteht, also keine Zahlung erbringt, keinen Teil seiner Barvergütung dafür verwendet und auch nicht nach einer Vereinbarung zwischen den Parteien, wonach der Anspruch auf Nutzung des Firmenfahrzeugs mit dem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist, zwischen verschiedenen vom Steuerpflichtigen angebotenen Vorteilen wählt".

Darauf antwortete der EuGH sinngemäß: Nein, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt darstellt. Weitere Einzelheuten können Sie unserem Web-Beitrag entnehmen.

Die Entscheidung des Finanzgerichts des Saarlandes vom 29. Juli 2021, 1-K-1034/21

Aus der Antwort des EuGH schloss das FG des Saarlandes, dass im Streitfall kein tauschähnlicher Umsatz vorliege, bei dem ein Teil der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als Entgelt für die Privatnutzung des Dienstwagens anzusehen sei. Es ließ aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum BFH zu.

In der Fachwelt wurde aufgrund der EuGH-Entscheidung und der Nachfolgeentscheidung des FG insbesondere für ausländische Arbeitgeber mit Arbeitnehmern in Deutschland die Möglichkeit gesehen, ganz um die Besteuerung der privaten Nutzungsüberlassung der Pkw in Deutschland herumzukommen. Teilweise wurde aber auch vor einer Überinterpretation des EuGH-Urteils gewarnt.

Die Entscheidung des BFH vom 30. Juni 2022, V R 25/21

Der BFH ist der Auffassung, das FG des Saarlandes habe in seiner Vorlagefrage nicht thematisiert, ob die anteilige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes das Entgelt für die Pkw-Überlassung sein könne. Deswegen habe sich auch der EuGH mit dieser Frage nicht befasst und das EuGH-Urteil sage dementsprechend zu dieser Frage nichts aus. Aus der früheren Rechtsprechung des EuGH ergebe sich klar, dass ein Entgelt auch in einer Sachleistung bestehen könne. Der teilweise im Schrifttum aus dem EuGH-Urteil gezogene Schluss, dass ein tauschähnlicher Umsatz ausgeschlossen sei, wenn nur die Arbeitsleistung als Entgelt für die Fahrzeugüberlassung infrage komme, sei daher falsch.

Aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und der Pkw-Überlassung immer dann bestehe, wenn die Nutzungsüberlassung im Rahmen eines Arbeitsvertrags individuell vereinbart werde. Dies sei im Streitfall gegeben. Es sei zudem unter Beachtung der wirtschaftlichen Realität davon auszugehen, dass die Entscheidung des Arbeitnehmers, das Beschäftigungsverhältnis zu den angebotenen Bedingungen einzugehen, von der Nutzungsüberlassung des Pkws abhing.

Im Ergebnis bestätigt der BFH damit die bisherige Praxis der Dienstwagenbesteuerung wie eingangs beschrieben.

Einordnung

Ob der Vorwurf des BFH zutrifft, das FG habe bereits die Vorlagefrage falsch gestellt und nur deshalb eine unzureichende Antwort vom EuGH erhalten, mag dahinstehen. Immerhin hat das FG formuliert, dass der Arbeitnehmer „[…] dafür kein Entgelt leistet, das nicht in seiner (teilweisen) Arbeitsleistung besteht […]“. Hier hätte man vom EuGH durchaus erwarten können, dass er sich mit der Frage des tauschähnlichen Umsatzes auseinandersetzt.

Die Entscheidung des BFH ist im Ergebnis dennoch überzeugend; dies gilt insbesondere für den Hinweis auf die wirtschaftliche Realität. Denn aus welchem Grund sollte ein Arbeitgeber einen Pkw zur privaten Nutzung überlassen, wenn nicht wegen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers? Dass die Arbeitsleistung mit dem Barlohn vollständig abgegolten ist und der Pkw ohne Gegenleistung zusätzlich gewährt wird, ist abwegig. Die Finanzverwaltung wird demnach die Dienstwagenbesteuerung nach dem bekannten System beibehalten.